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Taktik-Analyse zum Super Bowl: Die Offense der Philadelphia Eagles - eine Antwort auf jedes Problem?

SPOX blickt auf die beiden Super-Bowl-Offenses - los geht es mit den Philadelphia Eagles.
© getty
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Nicht selten hatte man so den Eindruck, dass Philadelphias Offense früh im Spiel fast mühelos über einen Gegner drüberwalzen konnte, nur um dann anschließend die eigene Führung souverän zu verwalten. Die Kombination aus Big Plays und schnellen Scoring-Drives auf der einen und einem nachhaltigen Run Game - auch in Short-Yardage-Situationen - auf der anderen Seite machte es möglich.

Um die Offense der Eagles greifbarer zu machen, würde ich sie in drei tragende Säulen zusammenfassen:

  • Das Run Game als Basis, als Floor, als Rhythmus
  • Das Option Game, sowohl im QB-Run-Game, als auch mit den Run Pass Options
  • Das vertikale Passspiel, um das Feld zu öffnen und um Defenses in die Länge zu ziehen

Die Eagles und das Run Game: Der Treiber der Offense

Die Eagles sind im Run Game sehr vielseitig, und das nicht nur mit Blick auf das Quarterback Run Game. Philadelphia mixte Zone und Gap Scheme Runs sehr konstant durch, und die beste Offensive Line der Liga gibt den Eagles dabei auch viel Spielraum, um kreativ zu denken.

Der erste Touchdown-Run von Sanders im Championship Game gegen die 49ers bestand aus Double-Teams des Right Guard und Right Tackles sowie des Centers und Left Guards in der Mitte, mit Tight End Dallas Goedert auf der Backside Eins-gegen-Eins.

Goedert machte gerade genug, um Sanders ausreichend Zeit zu verschaffen, doch in der Mitte entstand eine riesige Lücke, durch die Sanders quasi unberührt durchspazieren konnte.

Es war der zweite Touchdown-Run, der das Spiel kurz vor der Halbzeitpause schließlich nach einer zähen ersten Hälfte doch in die Richtung der Eagles kippen ließ, welcher die Athletik in der Eagles-Line unterstrich.

Spiel gegen San Francisco (CCG), 1:40 noch im 2. Viertel, 13-Yard-Touchdown

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© NFL Gamepass

Es gibt nicht viele Offenses, die regelmäßig ihren Center als Pull-Blocker einsetzen können - Jason Kelce erlaubt genau das den Eagles.

Beim Touchdown-Run kurz vor der Halbzeit nutzten die Eagles genau das: Der Left Guard blockt nach innen, auf der rechten Seite setzen Right Guard und Right Tackle zunächst ein Double Team, von dem sich dann der Guard löst, um auf das zweite Level zu arbeiten und den Linebacker auf seiner Seite zu übernehmen. Edge-Rusher Nick Bosa auf der rechten Seite der Offense ungeblockt, was für einen zusätzlichen numerischen Vorteil sorgt.

Kelce derweil pullt um den Left Guard herum und kommt so blitzartig in den Raum dahinter, um den anderen Linebacker zu übernehmen.

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© NFL Gamepass

Das in Kombination mit einem dominanten Block von Left Tackle Jordan Mailata öffnet eine riesige Rushing-Lane für Sanders, der einzig Kelce folgen muss und dann einen klaren Pfad Richtung Endzone hat.

Die Eagles hatten in dieser Saison die viertmeisten Touchdowns (7) bei Runs mit Pull-Blockern, die fünftmeisten Yards pro Run (5,6), standen auf Platz sechs in puncto Expected Points Added pro Run und hatten prozentual die sechstbeste Quote positiver Runs.

Kurzum: Philadelphia war produktiv und nutzte dieses Mittel mit am häufigsten: Einzig Baltimore, Cleveland und Detroit agierten insgesamt betrachtet noch häufiger mit Pull-Blockern, 138 der 544 Eagles-Runs in der Regular Season kamen mit Pulls.

Spiel gegen die Giants (Week 14), 1:46 noch im 3. Viertel, 10-Yard-Touchdown

Neben der individuellen Qualität springt einen bei der Eagles-Line vor allem die Athletik fast auf jedem einzelnen Line-Spot förmlich an. Hier kann jeder blitzartig aufs zweite Level der Defense kommen, jeder kann pullen, jeder kann sich im Raum bewegen.

Und das überträgt sich nahtlos auf die zweite der drei Säulen: Das Option Game, und was Philadelphia hier in erster Linie mit dem Quarterback Run Game machen kann.

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© NFL Gamepass

Der Touchdown-Run hier gegen die Giants ist nicht mal ein Option Play, der Fokus ist komplett auf Hurts. Denn was Philadelphia insbesondere rund um die Red Zone gerne macht, ist, aus deinem Empty Backfield den Ball mit Hurts zu laufen.

Insgesamt 20 Mal liefen die Eagles in dieser Saison inklusive Playoffs den Ball aus Empty, Liga-Höchstwert, für 7,4 Yards pro Run. Sechs dieser 20 Runs erzielten neue First Downs, 70 Prozent waren erfolgreiche Runs.

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© NFL Gamepass

Die Eagles blocken, wie schon bei der Niners-Szene, auch hier den gefährlichsten gegnerischen Edge-Rusher - Kayvon Thibodeaux (roter Kreis) - nicht, weil Left Tackle Mailata als zusätzlicher Puller nach innen kommt.

Thibodeaux ist aber zu weit weg, um noch ins Play zu kommen, ehe Hurts bereits die Line of Scrimmage durchbrochen hat. Kelce übernimmt den Linebacker, Mailata würde für eine zusätzliche Überzahlsituation im Blocking sorgen - die in dem Fall aber nicht einmal notwendig ist.

Das vertikale Passspiel der Eagles: Big-Play-Feuerwerk

Die Eagles sind gerade aus Empty Formationen wahrscheinlich mein Lieblingsteam in dieser Saison, weil sie so flexibel daraus sind. Normalerweise limitiert Empty eine Offense, da die Protection ohne zusätzliche Hilfe relativ eindimensional sein, und der Quarterback meist den Ball schnell werfen muss.

Doch die Eagles können nicht nur aus Empty mit Hurts den Ball laufen, ihre herausragende Offensive Line erlaubt es der Offense zusätzlich, auch vertikal zu gehen.

86 Mal warf Philly den Ball in dieser Saison aus Empty, dabei ließen die Eagles eine Pressure-Rate von lediglich 25,3 Prozent zu, der viertbeste Wert. Und gleichzeitig erzielten sie einen Touchdown bei knapp sechs Prozent dieser Plays, der drittbeste Wert. Die 9 Yards pro Pass aus Empty wurden nur von den Vikings (9,2) getoppt.

Teams, die trotz so hoher Empty-Frequenz daraus dennoch effizient sind, haben meist ein gutes Screen Game, einen guten Ballverteiler auf Quarterback, oder einen Freak wie Josh Allen, der die Liga mit fast zwölf Yards durchschnittlicher Target-Tiefe aus Empty mit Abstand anführte.

Spiel gegen die Giants (Week 14), 12:14 noch im 2. Viertel, 41-Yard-Touchdown

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© NFL Gamepass

Die Eagles sind eine Mischung aus alledem. Wenn sie aber Single High Man (das ist wichtig) Coverage bekommen, so wie hier von den Giants, dann können sie sich ihre Matchups zurechtlegen - und dann haben sie zwei brandgefährliche Receiver, um daraus Kapital zu schlagen.

Diese beiden arbeiten bei diesem langen Touchdown gegen die Giants auch zusammen.

Brown läuft von außen eine kurze Comeback-Route, um den Outside-Corner zu binden. Smith geht aus dem Slot tief, lässt den Slot-Corner schnell aussteigen, und dann kann lediglich der Single-High-Safety noch das Play retten. Der allerdings legt ein desolates Timing an den Tag und springt an Smith und dem Ball vorbei.

Hier liegt auch eine Gefahr für die Chiefs im Super Bowl. Kansas City hat sich defensiv dieses Jahr merklich umgestellt und spielt in erster Linie Split-Safety-Coverages; 54 Prozent verbrachten die Chiefs dieses Jahr in Middle-of-the-Field-Open-Coverages, das ist sogar der ligaweit höchste Wert.

Doch Defensive Coordinator Steve Spagnuolo wird den einen oder anderen Blitz ohne Frage im Game Plan haben - was auch ein durchaus legitimes Mittel sein könnte, dazu später mehr. Wenn die Chiefs Single High anbieten, und generell je nachdem, wie sie die Empty Formationen der Eagles spielen, könnten hier aber die Big Plays der Eagles ein Faktor werden.

Spiel gegen die Steelers (Week 8), 12:53 noch im 2. Viertel, 27-Yard-Touchdown

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© NFL Gamepass

Und manchmal ist es eben auch so simpel, darauf hatte ich ganz am Anfang angespielt. Es ist nicht kompliziert, A.J. Brown Eins-gegen-Eins zu identifizieren und ihm via Shot eine Chance zu geben.

Aber es ist eben nur eine dominante Facette dieser Offense, und hier üben die Eagles in mehrfacher Hinsicht Stress auf die Defense aus: Der Tight End kommt via Motion ins Backfield, ein Run muss hier eine Option sein, und dann ist DeVonta Smith der linke, A.J. Brown der rechte Outside-Receiver; der Single-High-Safety kann also nicht in eine Richtung "cheaten".

Brown kreiert dabei gar nicht einmal direkt Separation, aber er gewinnt im Laufe der Route, und der Pass von Hurts ist perfekt gesetzt.

Brown verzeichnete in dieser Saison 4,5 Yards pro gelaufener Route gegen Press Coverage, der höchste Wert in der Next-Gen-Stats-Ära unter Receivern mit mindestens 100 gelaufenen Routes. Brown war mit seiner Physis schon immer ein dominanter Receiver gegen Press, die Eagles setzten diese Qualität noch vertikaler ein.

Die Eagles und die Run Pass Option

Ein Aspekt fehlt noch, um das Bild dieser Offense rund zu machen, denn die Run Pass Options sind ein elementarer Bestandteil in Philly, und das nicht erst seit diesem Jahr.

Über die letzten vier Jahre belegten die Eagles, was die prozentuale RPO-Nutzung angeht, die Plätze 4,7,4 und 4.

Das könnte man fast als historisch verwurzelt bezeichnen: Die RPOs, wie wir sie heute in der NFL kennen, kamen maßgeblich über Chip Kellys Eagles vor etwa zehn Jahren in die NFL. Nick Foles hatte damals großen Erfolg unter Kelly mit den RPOs, der Trainerstab unter Doug Pederson griff dann auch wieder darauf zurück

Spiel gegen die Lions (Week 1), 8:19 noch im 2. Viertel, 27 Yards Raumgewinn

Hier ist ein Beispiel für ein solches Play, aus dem Spiel gegen Detroit zum Saisonauftakt.

Die Eagles versuchen immer wieder mal, Tight End Dallas Goedert auch in den Raum zu bringen. Tight-End-Screens sind ein Mittel, welches man bei dieser Offense findet, aber eben auch offene RPOs in die Flat - und generell Pässe in die Flat - sind Teil der Offense.

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Diese RPO ist eine genau solche. Hurts liest den Slot-Verteidiger, der durch die Motion von A.J. Brown weiter nach innen gerückt ist.

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Ab da ist es ein simples Option Play: Wenn der Verteidiger mit dem Tight End nach außen rückt, übergibt Hurts den Ball an den Running Back - zögert der Verteidiger, oder zieht gar nach innen, behält Hurts den Ball und wirft ihn zum Tight End.

Das wird kombiniert mit der In-Breaking-Route von außen, um die Seite frei zu räumen, und das funktioniert perfekt: Goedert fängt den Ball und kann anschließend unbehelligt die Sideline runter sprinten für ein Big Play nach dem Catch.

Es ist kein Zufall, dass Goedert unter allen Tight Ends mit mindestens 40 Targets die zweitmeisten Yards nach dem Catch pro Reception hatte (7,3). Diese Statistik ist klar erkennbar ein Produkt der Art und Weise, wie die Eagles mit dem Tight End spielen wollen.