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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Divisional Runde in der NFL

Daniel Jones, NFL,
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3. Jacksonville Jaguars: Die Basis wurde gerade erst gelegt

Wenn ich diese Playoff-Takeaways schreibe, und auf die Teams schaue, deren Saison gerade zu Ende gegangen ist, dann stehen für mich in aller Regel drei übergreifende Themenkomplexe mit Blick auf das betreffende Team im Fokus:

  1. Wie wurde dieser Punkt erreicht, und welche kritischen Entscheidungen stehen jetzt an?
  2. Was muss passieren, damit das Team nächstes Jahr wieder an diesen Punkt - oder sogar noch weiter - vorstoßen kann?
  3. Welche vielleicht auch weitreichenderen Lehren bietet die Saison des betreffenden Teams?

Bei Jacksonville bieten sich alle Punkte ganz vortrefflich an, einsteigen möchte ich aber mit dem letzten Punkt. Denn viel hat wahrlich nicht gefehlt, dann würden wir in einer ganz anderen Timeline leben. Wenn etwa Byron Leftwich den Head-Coach-Posten in Jacksonville bekommen hätte. Oder Nathaniel Hackett.

Beide wurden als heiße Kandidaten gehandelt, bevor man sich schließlich mit Doug Pederson "begnügte" - eine, das lässt sich schon jetzt festhalten, sehr gute Wahl für alle Beteiligten.

Die Head-Coach-Suche ist in dieser Hinsicht durchaus zu vergleichen mit dem Draft: In beiden Fällen machen die Teams ihre Hausaufgaben, holen sich viele Ratschläge und Meinungen ein, vergleichen, interviewen und treffen dann irgendwann eine Entscheidung.

Manchmal ist die Entscheidung ein Volltreffer, manchmal ein kompletter Fehlschlag - ohne, dass man dabei ein klares Muster erkennen könnte. Ohne, dass man wirklich wertvolle Lektionen für den nächsten Versuch mitnehmen könnte. Denn dafür muss man die Fälle zu sehr individuell betrachten

Jaguars: Alles hätte komplett anders kommen können

Die Geschichte der Jacksonville Jaguars 2022 bietet diese Lektion in mehreren Fällen. In der Auswahl des Head Coaches - aber auch mit Blick auf Quarterback Trevor Lawrence.

Denn es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, wie diese Jaguars-Saison mit Leftwich oder Hackett abgelaufen wäre - zwei Coaches, die aus ihren jeweiligen Posten noch während (Hackett) oder dann kurz nach (Leftwich) der Saison entlassen wurden, und aktuell ohne Posten sind.

Die Jaguars wären vermutlich relativ schnell im Niemandsland verschwunden. Und der Sprung, den Trevor Lawrence in dieser Saison gemacht hat? Gut möglich, dass der ausgeblieben wäre. Und spätestens dann hätte sich auch das Narrativ rund um Trevor Lawrence verändert; etwas, das selbst nach der vergangenen Saison trotz der verheerenden Umstände rund um das Urban-Meyer-Regime bereits zu beobachten war.

Irgendwo ist es der - wenn auch unverschuldete - "Preis" dafür, als Generational Talent in die NFL zu kommen: Es wird erwartet, dass man schnell liefert. Da mögen die Umstände noch so verheerend sein.

Die Leistungsexplosion von Trevor Lawrence

Lawrence war dabei nicht einmal schlecht, aber er war eben auch nicht prompt als Rookie gut genug, um dieses Desaster eines Teams, das die 2021er Jaguars waren, zu tragen.

Im ersten Jahr unter Pederson war dann nicht nur die Entwicklung nicht von der Hand zu weisen, sondern die Resultate folgten - und beide Dinge waren ein maßgeblicher Grund dafür, dass Jacksonville es bis unter die letzten vier Teams in der AFC schaffte.

Trevor Lawrence ab Week 9

Statistik

Ranking im Liga-Vergleich

Expected Points Added pro Play

0,151 (Platz 8)

Completion % Over Expectation

3,3 (Platz 4)

PFF Passing Grade

86,3 (Platz 2)

Touchdown-Pässe

18 (Platz 3)

Zeit bis zum Wurf

2,48 Sekunden (Platz 2)

TD-Pässe in unter 2,5 Sekunden

12 (Platz 1)

Hier stecken also einige Lektionen drin, auch während gerade mehrere Teams auf der Suche nach einem neuen Head Coach sind. Einerseits die Demut, zu wissen, dass wir schlicht nicht wissen, wer ein guter Head Coach wird - aber dass manche Kandidaten zumindest für manche Situationen ohne Frage besser geeignet sind.

Manche Coaches, wie Pederson, der nachgewiesen hat, dass er gute Offenses auch für limitierte Quarterbacks entwerfen und ein Team anführen kann, war genau das, was die Jaguars und Trevor Lawrence brauchten. Es war das exakt passende Puzzleteil für das Puzzle dieser Franchise.

Andererseits aber eben auch der Hinweis darauf, was für ein Drahtseilakt das stets genauso empfindliche wie emotionale Thema der Quarterback-Evaluation sein kann. Hätte Jacksonville die Saison unter Hackett oder Leftwich in den Sand gesetzt, nicht wenige hätten Lawrence als Bust abgestempelt. Jetzt wird er in die Riege der jungen AFC-Top-Quarterbacks geschrieben.

Quarterback-Entwicklung ein Thema dieser Saison

Und man kann diese Lektion, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, in dieser Saison auf mehrere Playoff-Quarterbacks anwenden.

Da wäre der Sprung, den Tua Tagovailoa nach zwei verlorenen Jahren unter Mike McDaniel gemacht hat. Oder Daniel Jones' Saison unter Brian Daboll, nachdem er zwei Jahre lang mit Joe Judge und Jason Garrett Vorlieb nehmen musste. Geno Smith wäre von der Storyline her hier ebenfalls zu nennen, passt allerdings in puncto Alter und NFL Sample Size nicht ganz in diese Reihe.

Coaching, genau wie die Umstände, in die ein Quarterback über den Draft kommt, kann man kaum hoch genug einschätzen.

Die Saison der Jaguars - und, in gewisser Weise, die ganze Karriere von Playoff-Gegner Patrick Mahomes seit der in die NFL gekommen ist - ist das perfekte Beispiel dafür, das wir im Hinterkopf behalten sollten, wenn in ein paar Monaten dann die nächsten hoffnungsvollen Quarterback-Talente den Sprung in die NFL wagen.

Denn dass der Kader noch nicht auf dem Level der AFC-Schwergewichte ist, das war in so ziemlich jeder Phase des Spiels gegen die Chiefs zu sehen. Die Jaguars mussten ihre Offensive Line verstecken, das machte die Offense extrem eindimensional. Ihre Blitzes erreichten Mahomes quasi nie, weil Kansas City sie gut blockte und Mahomes Plays dagegen machte.

Und das waren nur zwei der übergreifenden Themen, mit Blick auf einzelne Matchups fiel auf, dass Jacksonville eben noch keine Antwort auf einen Spieler wie Travis Kelce hat. Dass ein Spieler wie Jamal Agnew in einem kritischen Moment im Mittelpunkt steht. Und dass man eben noch nicht die Art Defense hat, die Matchups dominiert - der Touchdown-Drive von Chad Henne darf so nicht passieren.

Kirk und Engram geben den Jaguars Recht

Ich würde den "Puzzle"-Aspekt bei den Jaguars aber sogar noch erweitern. Denn was wurden die Jaguars in der Free Agency für den Vertrag, den sie Christian Kirk gegeben haben, belächelt. Und auch wenn Kirks Rolle in Jacksonville etwas weniger vertikal war als in seiner letzten Saison in Arizona, so war er trotzdem nicht weniger wertvoll.

In der Regular Season sah Kirk die ligaweit zweitmeisten Targets im Slots (92), hatte die zweitmeisten Slot-Yard (823), die - auf einem geteilten ersten Platz - meisten Slot-Touchdowns (4) und produzierte die zweitmeisten First Downs aus dem Slot (40). Er wurde Jacksonvilles Chain-Mover, ein Receiver, der die Offense auf dem Feld hält, Mismatches kreiert und gleichzeitig auch das gelegentliche Big Play auflegen kann.

Evan Engram war ein ähnlicher Fall, auch er wirkte auf den ersten Blick etwas deplatziert in dieser Offense und erhielt dafür nicht gerade wenig Geld (1 Jahr/9 Mio. Dollar). Pederson zeigte, dass Engram in der richtigen Rolle, in der er seinen Speed auch horizontal einsetzen kann, einen weitaus konstanteren Value für eine Offense haben kann, als das bisher den Anschein hatte.

Jaguars: Die Basis wurde gerade erst gelegt

Dass die Jaguars es bis in die Divisional Runde schafften, ist nicht nur mit Blick auf das Debakel der Vorsaison erstaunlich, sondern auch, weil dieser Kader noch einige klar definierbare Baustellen hat.

Jacksonvilles Passspiel fand in dieser Saison in erster Linie Inside statt. Eben mit Kirk, mit Engram, mit den RPOs in Kombination mit den Screens, die Doug Pederson - ganz gemäß der Andy-Reid-Schule - intensiv nutzt.

Aber es ist harte Arbeit, den Ball auf diese Art und Weise konstant zu bewegen. Und bereits in der ersten Halbzeit des Wildcard-Spiels gegen die Chargers merkte man das: Die Chargers spielten in der ersten Hälfte viele Single-High-Coverage, sie fokussierten ihre Coverage auf Christian Kirk, und sie spielten enge Man Coverage - was dazu führte, dass die Receiver der Jaguars zu häufig keinerlei Separation kreierten.

Jacksonville braucht dringend mehr Outside-Receiver-Präsenz, und es wird faszinierend sein, zu sehen, was Calvin Ridley für diese Offense machen kann. Die Offensive Line ist sicher noch weit weg von dem, was sich Pederson vorstellt - und die junge Defense hat zwar fast so viel Athletik wie sie Linebacker hat, aber in beiden Aspekten muss noch ein Reifeprozess stattfinden.

Und dennoch ist es schwer, auf diese Situation zu schauen und nicht mit großem Optimismus in die Zukunft der Jaguars zu blicken. In einer Division, in der zwei Teams vor einem (erneuten) Neustart stehen, und sich das Fenster der Titans derzeit eher schließt als öffnet, umso mehr.

Die Jaguars sind gekommen, um zu bleiben. Die Basis für dieses Team wurde gerade erst gelegt.