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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 12 in der NFL

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© getty
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5. Die Rams am Tiefpunkt: Kommt jetzt der radikale Umbruch?

Fast jede Woche fällt mir während der Betrachtung der NFL, dem Austausch mit Fans und den medial gepushten - oder ignorierten - Storylines auf, wie stark doch immer alles von Narrativen geprägt ist; und das obwohl diese Narrative meist auf sehr dünnem Eis aufgebaut sind.

Das liegt in der NFL in der Natur der Sache. Während die anderen großen US-Ligen mehr als 80 Regular-Season-Spiele bestreiten, hat die NFL gerade einmal derer 17 - jedes Spiel ist umso gewichtiger, und das Problem der kleinen Sample Size ist während einer NFL-Saison allgegenwärtig.

In Kombination mit den Ein-Spiel-Playoffs gilt das erst recht, und dann kann man bis ans Ende aller Tage darüber diskutieren, ob die Bengals letztes Jahr wirklich das beste Team in der AFC waren - wer dafür argumentiert, wird immer anbringen, dass man die Chiefs geschlagen und die AFC-Krone gewonnen hat.

Darum soll es hier allerdings nicht gehen, sondern vielmehr um das Team, welches Cincinnatis Märchensaison beendete, bevor die Prinzessin den Frosch küssen konnte. Denn auch die Los Angeles Rams, die als amtierender Champion drauf und dran sind, ihre Titelverteidiger-Saison mit einem Top-5-Pick - der dann nach Detroit wandert - zu beenden, sind ein großartiges Beispiel für diese Beobachtung.

Rams: Der Titel rechtfertigt vieles

Wo man dieser Tage rund um die Rams auch Analysen, Podcasts und dergleichen hört, der Tenor ist häufig auffällig ähnlich: Ja, sie stehen vor einem potenziell radikalen Umbruch, und dem Kader fehlt es, gemessen daran, wo man letztes Jahr war, überdeutlich sichtbar an Talent - aber das war es alles wert, immerhin hat der aggressive All-In-Ansatz in einem Super-Bowl-Titel gemündet!

Auch hier gilt: Das ist ein Argument, das schwer zu widerlegen ist. Man kann bis in alle Ewigkeit darüber diskutieren, dass die Rams bisweilen viel Glück in jener Regular Season hatten - das hatten sie -, dass selbst der Division-Titel durch kritische Verletzungen bei den Division-Gegnern begünstigt wurde - wurden sie -, dass der Weg in den Playoffs - wo L.A. seinen besten Football spielte - viel steiniger hätte sein können.

Es ist nicht leicht, einen 4-Spiele-Stretch aus der vergangenen Saison auszuwählen, in dem die Rams das beste Team der Liga waren - abgesehen von den Playoffs. Aber an irgendeinem Punkt muss man die Resultate für das nehmen, was sie sind. Die Rams sind ultra-aggressiv All-In gegangen, sie haben einen Titel gewonnen. Und jetzt ist die Rechnung fällig, was eine Warnung an all jene sein sollte, die überlegen, ähnlich vorzugehen. Eine Rechnung, die sehr viel dramatischer und schneller eingefordert wird, als gedacht: Die Rams gingen bei den Buchmachern als höchster Außenseiter aller Teams in diesen Spieltag.

Allen Robinson als Sinnbild für das ständige Rams-Risiko

Bereits vor der Saison war klar, dass der Kader qualitativ nicht so stark sein würde, wie im Vorjahr. Von Miller, Andrew Whitworth, Odell Beckham, Darious Williams, Austin Corbett - sie alle waren Starter, und, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung, tragende Säulen. Die Abgänge in der Offensive Line und im Pass-Rush sind bis heute gravierende Probleme, welche die Rams-Saison prägen, und der Plan, den verletzten Beckham durch Allen Robinson zu ersetzen, ist komplett schiefgegangen.

Es gibt viele Puzzleteile, die hier relevant sind. Robinson ist nur eines davon, aber er steht auch ein wenig sinnbildlich für zumindest einen Teil der Problematik: Wenn man regelmäßig alle Chips auf eine Zahl legt, dann ist der Effekt umso gravierender, wenn diese Zahl nicht trifft. Der Trade für Jalen Ramsey war ein Treffer, Von Miller und OBJ waren - kurzzeitig - Treffer, Whitworth war damals ein Treffer, Stafford, trotz seiner Schwächephasen, war ein Treffer, weil er die Offense im Vergleich zu Jared Goff öffnen konnte.

Irgendwann musste ein teures Risiko mal schiefgehen, und Robinson, bei dem die Rams davon überzeugt waren, dass er in ihrer Offense wieder ein signifikant besseres Level erreichen würde, scheint das zu werden. In diesem Jahr wird er definitiv kein Faktor mehr sein, McVay bestätigte nach der Niederlage gegen die Chiefs, dass Robinson den Rest der Saison aufgrund einer Fußverletzung verpassen wird.

Und wenn man seine Ressourcen über so viele Jahre so strapaziert hat, fehlt irgendwann schlicht der Talentnachschub. Es ist auch für 2023 keine Lösung für die Offensive Line in Sicht, auch nicht, wenn Joe Noteboom dann zurückkommt. Die Offense braucht dringend Speed, die Defense bessere Edge-Rusher und Cornerbacks. Das sind Baustellen, die man nicht innerhalb einer Offseason geschlossen bekommt - erst recht nicht, wenn man am Ende womöglich einen Top-5-Pick abgibt.

Rams: Wie schnell kommt der Umbruch?

Das führt unweigerlich zu einer weiteren, weichenstellenden Frage. Denn wenn wir davon ausgehen, dass die Rams mehrere Offseasons benötigen werden, um wieder einen schlagkräftigen Kader zusammenzustellen, dann rücken die Dinge, über die infolge des Super Bowls schon diskutiert wurde, plötzlich wieder sehr präsent in den Fokus.

Erwägt Aaron Donald sein Karriereende? Unterschreibt Sean McVay einen lukrativen Vertrag als TV-Kommentator? Endet nach dieser Saison eine Rams-Ära, die sportlich gesehen bereits mit dem Triumph im Super Bowl ihr natürliches Ende erreicht hat?

McVay soll seine Zukunft intern direkt an seine Stars geknüpft haben, in erster Linie Donald, Stafford, Kupp, Ramsey - wenn dieser Kern auseinandergeht, zieht sich auch McVay zumindest vorerst von der Coaching-Bühne zurück, so die durchaus nachvollziehbaren Berichte.

Gut möglich, dass dieser Prozess jetzt beschleunigt wird. Vielleicht auch in Form eines Dominoeffekts - etwa, wenn Stafford nach jetzt mehreren Gehirnerschütterungen, sagt, dass es ihm reicht. Will McVay dann einen Rebuild ohne Quarterback einleiten? Hat Donald so viel Geduld? Oder ein Spieler wie Jalen Ramsey, der erst 28 Jahre alt ist und im Zuge eines Rebuilds ein attraktiver Trade-Chip sein könnte, um endlich mal Kapital zu sammeln.

Oder ist die Gier aller Beteiligten nach einem weiteren Titel noch groß genug, um diese Saison abzuhaken, die Baustellen in Kauf zu nehmen und den Körper nochmal auf eine weitere Saison einzustellen?