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NFL MVP Rennen 2021: Führt (mal wieder) kein Weg an Brady vorbei?

Von Jan Dafeld
Tom Brady hat gute Chancen auf den MVP-Titel.
© getty

Die NFL-Saison begibt sich auf die Zielgeraden, das Rennen um den MVP-Award ist dennoch weiterhin völlig offen. Drei Favoriten bilden die Spitzengruppe, doch auch dahinter machen sich einige Stars noch Hoffnungen. Wir geben einen Überblick und verraten, wer die besten Chancen auf die Auszeichnung hat.

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Cooper Kupp (Wide Receiver, Los Angeles Rams)

Das spricht für Kupp: Rein statistisch ist Kupp der mit Abstand beste Wide Receiver der laufenden NFL-Saison. Catches, Yards, Touchdowns - in allen Kategorien belegt der 28-Jährige den ersten Platz, es bestehen nach wie vor Chancen, dass Kupp in dieser Spielzeit den Rekord von 1964 Receiving Yards in einer Saison von Calvin Johnson aus dem Jahr 2012 bricht. In diesem Fall könnte er auf einigen MVP-Wahlzetteln landen.

Die Offense der Rams läuft durch Kupp - und das Woche für Woche. Nur in einem einzigen Saisonspiel blieb der Slot-Receiver bislang bei weniger als sieben Catches oder weniger als 90 Receiving Yards. Und: Der Motor der Rams-Offense geriet in diesem Spiel, dem ersten Aufeinandertreffen mit den Cardinals, prompt gehörig ins Stocken. Angesichts der Probleme von Matthew Stafford im November lässt sich daher durchaus argumentieren, dass Kupp in dieser Saison der beste und wichtigste Offensivspieler im Team der Rams ist.

Das spricht gegen Kupp: Kupp mag in dieser Saison die beeindruckendsten Statistiken auflegen. Dass er im Vergleich mit Spielern wie Davante Adams, Tyreek Hill und Justin Jefferson aber tatsächlich auch der bessere Spieler ist, darf durchaus bezweifelt werden. Kupp profitiert ohne jede Frage von seiner Rolle innerhalb der Rams-Offense, in der er auf Crossing-Routes aus dem Slot immer wieder gegen Safeties isoliert wird und somit deutlich einfacherere Matchups erhält als beispielsweise Adams oder Jefferson, die Woche für Woche gegen den besten gegnerischen Cornerback bestehen müssen.

Darüber hinaus bleibt der Wert (und dabei soll es bei der MVP-Wahl ja gehen) eines Wide Receivers im Vergleich zu den Elite-Quarterbacks in der Liga eher überschaubar. In der Geschichte des Awards wurde noch nie ein Receiver als MVP ausgezeichnet, Johnson landetete in seiner Rekord-Saison 2012 gerade mal auf dem sechsten Rang. Kupp müsste die Offense der Rams wohl auf ein neues Level katapultieren, um echte Chancen auf den MVP-Titel zu haben. In puncto EPA/Play belegen die Rams in dieser Spielzeit allerdings "nur" Platz fünf.

Die Chancen: Sehr gering. Der wirklich dominante Quarterback mag in dieser Saison im Vergleich zu den letzten Jahren zwar fehlen und angesichts dessen könnte es Kupp tatsächlich auf einige Wahlzettel schaffen, erst Recht wenn er Johnsons Rekord wirklich brechen sollte. Zu mehr dürfte es allerdings nicht reichen. Eine Platzierung in den Top-5 wäre bereits ein sehr respektabler Erfolg.

Jonathan Taylor (Running Back, Indianapolis Colts)

Das spricht für Taylor: Taylor ist der zweite Nicht-Quarterback, der sich zumindest Außenseiterchancen auf den Award ausrechnen darf, da er ebenso wie Kupp der klar stärkste Spieler auf seiner Position in der laufenden Saison ist. Taylor hat mehr als 300 Rushing Yards und vier Rushing Touchdowns mehr als jeder andere Running Back, doch Taylors Impact geht weit über die reinen Boxscore-Statistiken hinaus.

Auch in den so genannten Advanced Stats sieht Taylor wie der beste Running Back des Jahres aus. Die Colts verfügen laut EPA/Play über das klar stärkste Run-Game der NFL, Taylor kommt auf mehr Yards per Carry und EPA/Rush als jeder andere Back mit mindestens 100 Carries, bei den Rushing Yards over Expected muss er sich einzig James Robinson von den Jacksonville Jaguars hauchdünn geschlagen geben. In einem Jahr, in dem sich bislang kein Quarterback als klarer MVP-Favorit positioniert hat, könnte der Award somit an Taylor gehen. Als Running Back hat er bessere Chancen als Kupp: Seit 2000 wurden immerhin vier Running Backs (Adrian Peterson, LaDainian Tomlinson, Shaun Alexander und Marshall Faulk) als MVP ausgezeichnet.

Das spricht gegen Taylor: Über den Wert von Running Backs in der modernen NFL ist in den letzten Jahren viel gestritten worden ohne zu einem abschließenden Ergebnis zu kommen. Relativ unumstritten dürfte allerdings sein: Im Vergleich zu Quarterbacks wie Aaron Rodgers oder Tom Brady ist selbst ein Elite-Runner wie Taylor deutlich stärker von den Umständen um ihn herum abhängig. Zu Beginn der Saison trat Taylor noch deutlich weniger dominant auf (65 Rushing Yards pro Spiel, 4,5 Yards pro Rush) als in den darauffolgenden Wochen und Monaten, in denen die Offensive Line der Colts endlich zu ihrer vollen Stärke fand (128 Rushing Yards pro Spiel, 6,1 Yards pro Rush).

Dazu kommen weitere Faktoren: Im Vergleich zu Backs wie Austin Ekeler oder Alvin Kamara bleibt Taylors Rolle im Passspiel nach wie vor relativ beschränkt, Nyheim Hines übernimmt viel Arbeit bei klaren Passing Downs. Darüber hinaus dürfte die Bilanz der Colts gegen Taylor sprechen. Verpasst Indianapolis die Playoffs, wird der 24-Jährige keinerlei Chancen haben, auch ohne Division-Sieg dürfte es für ihn sehr eng werden.

Die Chancen: Wie bei Kupp scheinen auch Taylors Aussichten verschwindend gering. Derrick Henry führte die Titans in der Vorsaison mit 2027 Rushing Yards und 17 Touchdowns zu elf Siegen und dem Division-Sieg und erhielt dennoch keine einzige MVP-Stimme. Einen so starken Quarterback wie 2020 scheint es in diesem Jahr zwar nicht zu geben, Taylor bräuchte dennoch vermutlich vier dominante Auftritte und vier Siege aus den verbleibenden vier Spielen, um überhaupt eine Außenseiterchance zu haben.

Matthew Stafford (Quarterback, Los Angeles Rams)

Das spricht für Stafford: Sieben Siege in den ersten acht Spielen, dazu 22 Touchdown-Pässe bei nur drei Interceptions und der Spitzenplatz in nahezu jeder statistischen Kategorie. Nach der ersten Hälfte der Saison war Stafford der klare Favorit auf den Gewinn des Awards. Die Storyline nach 13 Jahren im unteren Mittelmaß in Detroit schien zudem perfekt.

Tatsächlich öffnete Stafford das Playbook in Los Angeles, die Rams kehrten von ihrer Outside-Zone- und Play-Action-Offense ab und agierten mit ihrem neuen Quarterback deutlich mehr mit klassischen Dropback-Plays. Stafford katapultierte Mitspieler wie Kupp in neue Sphären, auch an beeindruckenden Highlight-Plays mangelte es nicht. Nach einigen schwächeren Spielen meldete er sich in den letzten Wochen wieder zurück, vor allem sein Auftritt im wichtigen Division-Kracher gegen die Cardinals war beeindruckend.

Das spricht gegen Stafford: Nach dem herausragenden Saisonstart stürzte Staffords Stern genau so schnell wieder ab, wie er gestiegen war. Gegen die Titans, die 49ers und die Packers spielte er drei Spiele, in denen er keineswegs wie ein Quarterback aussah, der in irgendeiner Art und Weise Chancen auf den MVP-Award haben sollte. In drei aufeinanderfolgenden Partien warf der 33-Jährige drei Pick Sixes.

Mit Ausnahme seines herausragenden Auftritts beim Sieg über die Bucs mangelte es Stafford und den Rams in dieser Spielzeit zudem lange an überzeugenden Spielen gegen starke Teams. Die starken Auftritte der Offense kamen vor allem gegen Teams wie die Lions, Texans oder Jaguars zustande. Der überzeugende Sieg gegen die Cardinals war somit auch für Stafford wichtig.

Die Chancen: Deutlich größer als noch vor zwei Wochen, doch immer noch eher gering. Nach dem brandheißen Saisonstart waren die Auftritte im November schlicht zu enttäuschend. Hätte Stafford seine schwachen Spiele früher in der Saison abgeliefert, wäre er womöglich gar kein Teil der MVP-Diskussion mehr. Führt er sein Team doch noch zum Division-Sieg, könnte Stafford aber einige Argumente auf seiner Seite haben.

Justin Herbert (Quarterback, Los Angeles Chargers)

Das spricht für Herbert: Die "Highs" sind bei kaum einem Spieler so hoch wie bei Herbert - egal, ob wir nun über einzelne Spiele oder Plays sprechen. Der 23-Jährige lieferte in dieser Saison bereits mehrere wirklich herausragende Auftritte ab: Bei den Siegen über die Chiefs, die Browns, die Steelers oder am vergangenen Wochenende gegen die Giants sah Herbert fraglos wie einer der besten Quarterbacks und einer der wichtigsten Spieler der NFL aus. Seine unglaublichen Deep Shots auf Jalen Guyton in Woche 13 und 14 sind Plays, die in der Liga vielleicht nur zwei oder drei andere Spieler auflegen können.

An guten Tagen katapultiert Herbert die Chargers in Sphären, in denen sie rein schematisch kaum sein sollten. Über weite Strecken der Saison agierte Los Angeles offensiv eher konservativ und mit einem großen Fokus auf das Kurzpassspiel. Es war Herberts individuelle Klasse, die darin immer wieder für Big Plays sorgte. Anders als Aaron Rodgers bei den Packers kann er nicht auf einen so hohen schematischen Floor zurückfallen, anders als Tom Brady bei den Bucs hat er keine Armada an individuellen Ausnahmespielern an seiner Seite.

Das spricht gegen Herbert: Wie Herbert die Limitierungen innerhalb der eigenen Offense immer wieder überspielen und übertreffen konnte, war definitiv beeindruckend. Diese enorme Abhängigkeit von der Klasse des eigenen Quarterbacks führte allerdings auch zu einigen hässlicheren Spielen. Gegen die Vikings unterliefen Herbert gleich mehrere unschöne Fehler, auch gegen die Ravens, die Patriots und mit Abstrichen die Broncos lieferte er Spiele ab, die den Ansprüchen an einen MVP-Kandidaten nicht gerecht werden können.

Dass Herbert im Kurzpassspiel noch etwas Luft nach oben hat, wurde in dieser Saison bereits in mehreren Spielen offensichtlich. Über die ersten zehn Spiele der Saison schien die Offense der Chargers dem Status einer Enttäuschung daher näher als dem einer positiven Überraschung. Herberts Anteil an dieser Entwicklung ist zwar überschaubar, seinen MVP-Chancen zuträglich war dies natürlich dennoch nicht.

Die Chancen: Klassische Statistiken, Advanced Stats, Tape, Teamerfolg - Herbert ist in all diesen Punkten vorne mit dabei, wahrscheinlich aber auch in keinem die Nummer eins. Es gibt Argumente für Herbert als MVP, es fehlt jedoch ein wenig die übergreifende Geschichte. Die letzten zwei Auftritte der Chargers-Offense waren definitiv ein Schritt in die richtige Richtung. Spielt Herbert auch im Thursday Night Game gegen die Chiefs (Nacht auf Freitag, 2.20 Uhr live auf DAZN) groß auf, könnte seine Kandidatur im Saison-Endspurt tatsächlich nochmal heiß werden.

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