NFL

Top 10: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 6 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück mit seinen Top-Takeaways zum vergangenen NFL-Sonntag.
© imago images/Douglas R. Clifford
Cookie-Einstellungen

6. Die 49ers-Antwort aus dem Bilderbuch

Sollte man die Reaktion der 49ers auf die peinliche Pleite gegen Miami als Fingerzeig für den weiteren Saisonverlauf interpretieren, dann sind die Niners noch längst nicht raus aus dem Playoff-Rennen. Im Sunday Night Game schlugen die 49ers die L.A. Rams dank einer sehr überzeugenden ersten Halbzeit nicht nur - es war auch die Art und Weise, wie dieser Sieg zustande kam.

Die nämlich war ein Shanahan-Klassiker. Tap Passes, Screens, schnelle horizontale Pässe, extrem viel Motion beim Snap: Garoppolo musste weitestgehend nur schauen, dass der Wagen im Autopilot auch sicher in der Spur bleibt - und dann obendrauf einzelne Plays liefern, wie bei dem perfekt platzierten Pass zu Kittle, der danach zum Touchdown lief. Das ist die Niners-Offense, wie Shanahan sie sich vorstellt.

Garoppolo hatte eine durchschnittliche Target-Tiefe von unter 4,5 Yards, mit Abstand der niedrigste Wert in Woche 6. Nur 6,1 Prozent seiner Pässe flogen in enge Fenster, der zweitniedrigste Wert und Garoppolo brachte zwar 69,7 Prozent seiner Pässe an - lag damit aber 7,8 Prozentpunkte unter der "Expected Completion Percentage", also dem Wert, den man angesichts des Schwierigkeitsgrad des Wurfes erwartet hat.

Wenn diese Maschinerie läuft, ist es toll anzuschauen und schwer zu stoppen. Gleichzeitig aber bleiben die Limitierungen - auch durch Garoppolo - bestehen, die zweite Hälfte untermauerte das. Die ersten vier Niners-Drives nach der Pause endeten allesamt in Punts und brachten einen Gesamt-Raumgewinn von 57 Yards ein. Selbst die einzigen eigenen Punkte in der zweiten Hälfte per Field Goal kamen nur nach einem Rams-Punt von der 5-Yard-Line an die Mittellinie, von wo aus San Francisco dann bei sieben Plays gerade so 20 Yards rausholte. Diese offensiven Limitierungen werden auch nicht weg gehen, und sie werden die Quarterback-Debatten weiter befeuern.

Überraschender derweil war die eigene Defense. Neben der Rückkehr von Emmanuel Moseley war vor allem Jason Verrett ein riesiger Antrieb für eine Defense, die wie ausgewechselt spielte. Die Niners konnten zwar das Run Game der Rams nur bedingt stoppen, aber umso eindrucksvoller war, wie gut sie den Pass und spezifisch die beiden gefährlichen Rams-Receiver verteidigten. Auch wenn Goff mit einem sehr schwachen Tag dabei fraglos half.

Kein Team hat über die kommenden Wochen ein härteres Programm als die 49ers (Patriots, Seahawks, Packers, Saints, Rams, Bills). Der Sieg gegen die Rams war nicht nur die richtige Antwort auf das Fiasko gegen Miami - sondern er zeigte auch, dass dieses Niners-Team immer noch gut ist und wenn Garoppolo als Game Manager fit bleibt und die Secondary so spielen kann wie gegen L.A., kann San Francisco in einer Liga, in der es aktuell keine alles überragenden Teams gibt, mit jedem mithalten.

7. Zwischenbericht aus der AFC South

Im Laufe des Sonntags formulierten sich hier verschiedene Szenarien. "Die Colts kann man abhaken". "Die Titans sind Welten vor dem Rest der Division". "Houston ist zurück!". "Warum spielt Mike Vrabel auf Overtime?". Um nur einige der theoretischen Überschriften zu nennen, die im Laufe der Nacht mal oben standen und dann wieder gelöscht wurden.

Und irgendwie trifft doch alles ein bisschen zu:

  • Das Comeback der Colts gegen die Bengals ist aller Ehren wert und vor allem die Tatsache, dass Indianapolis mit einem vertikaleren Passspiel aufholen und gewinnen konnte, darf Mut machen. Aber wie die Bengals in Führung gegangen sind unterstreicht auch, auf welch wackligen Füßen die Colts stehen. Anknüpfend an das Browns-Spiel lässt sich festhalten: Die Defense schwimmt sehr schnell, wenn die Defensive Line nicht dominiert. Und die "Turnover-zum-Kopfschütteln" haben auch weiter ein fixes Trademark im Hause Rivers.
  • Da Houston am Ende in Overtime bei den Titans verlor und so die Playoffs zunehmend abhaken kann, wird das nur ein geringer Trost sein, aber: Die Offense zeigt weiter positive Tendenzen. Gegen die Titans war die Pass-Protection abermals verbessert, Deshaun Watson hat sich stabilisiert und nach und nach sieht man, was Houston mit dieser tiefen Receiver-Gruppe anrichten kann. Doch die Tatsache, dass die Texans schon seit Woche 1 eine furchtbare Run-Defense haben, wiegt gegen ein Team wie Tennessee doppelt schwer.
  • Zu den 2-Point-Conversions: Romeo Crennel wollte nach dem Touchdown zwei Minuten vor Schluss seiner Defense nicht die Möglichkeit geben, das Spiel gegen Tennessee noch aus der Hand zu geben, und versuchte, per 2-Point-Conversion auf neun Punkte zu erhöhen. Das hätte die Partie vermutlich entschieden, aus Analytics-Sicht wäre hier jedoch der PAT ratsam gewesen. So spät im Spiel auf acht statt sieben Punkte zu erhöhen ist in puncto Value unterschätzt; Tennessee hätte maximal die Overtime erreichen können, und dafür hätte es neben einem Touchdown eine eigene 2-Point-Conversion gebraucht. Und die Titans zeigten im Gegenzug überdeutlich, dass sie darauf so gar keine Lust hatten.
  • Denn Tennessee marschierte im Gegenzug zwar in neun Plays zum Touchdown, vier Sekunden vor dem Ende hätten die Titans per 2-Point-Conversion das Spiel gewinnen können. Stattdessen entschied Vrabel sich jedoch dafür, auf Overtime zu spielen und hier wiederum hätte ich den aggressiven Call bevorzugt. Vrabel wählte so den Zufall des Münzwurfs sowie - sofern der gewonnen wird - die Aussicht, nochmals das Feld runter zu marschieren über ein einzelnes 2-Point-Conversion-Play, mit dem die Titans aus eigener Kraft und ohne Glück beim Münzwurf die Partie hätten gewinnen können. Am Ende ging es gut, doch betrachtet man Prozess und Resultat hier isoliert, war die Herangehensweise zumindest diskutabel.

8. Was bringt Washington das Kyle-Allen-Experiment?

Der rasante Abstieg von Dwayne Haskins in Washington wirft weiter Fragen auf und lässt nur den Schluss zu, dass intern Dinge Vorgefallen sein müssen - oder das Haskins sich in der täglichen Arbeit tatsächlich so undiszipliniert präsentiert hat, dass Ron Rivera sich gezwungen sah, die Reißleine zu ziehen.

Man muss hoffen, dass es einen vernünftigen Grund gibt, denn es ist schwer, eine Begründung zu finden, warum Kyle Allen spielt. Allen kenne die Offense besser, diese Aussage hörte man zuletzt mehrfach aus der Hauptstadt. Das ergibt auch durchaus Sinn, schließlich spielte Allen unter Rivera in Carolina bei den Panthers, von wo Rivera Scott Turner als Offensive Coordinator mitgebracht hat.

Wahr ist aber auch, dass man von diesem theoretischen Effekt bislang nicht sonderlich viel sieht. Allen hatte auch bei der Pleite gegen die Giants mehrere haarsträubende Fehler, und die Momente, in denen man den Eindruck hat, dass Allens Erfahrung in der Offense ein großes Plus ist, sind ebenfalls überschaubar.

Vor allem aber, und das ist der entscheidende Punkt, ist relativ offensichtlich, was für ein Quarterback Kyle Allen ist: Ein exzellenter Backup, der aber einfach nicht gut genug für einen Starting-Job ist. Und dieser Gedanke weitergedacht: Was für ein Spieler Haskins ist, das ist noch unklarer und eigentlich hätte es die oberste Priorität für Washingtons Saison sein müssen, genau das herauszufinden.

Womöglich hat Rivera für sich diese Entscheidung bereits gefällt und blickt nach vorne. So oder so aber ist eine Sache unbestreitbar: Allen zu starten bringt Washington überhaupt nichts. Es macht sie nicht signifikant konkurrenzfähiger, Allen zu entwickeln führt nirgendwohin und Haskins wird so weder weiterentwickelt, noch steigt sein Trade-Value. Im Gegenteil.

9. Die Jets: Das schlechteste Team seit sehr langer Zeit

Grundsätzlich sind 0-16- genau wie 16-0-Tipps meist nicht mehr als heiße Luft, selbst wenn sie während der Saison nachgereicht werden. Die Liga ist zu ausgeglichen, es gibt zu viele mögliche Stolpersteine und die Teams sind letztlich so eng beieinander, dass ein paar Kleinigkeiten reichen, um dann doch ein Spiel zu verlieren - oder eben eines zu gewinnen.

Die Cardinals vor zwei Jahren etwa waren leistungstechnisch nah dran an einem 0-16-Team. Doch zwei Spiele gegen die 49ers mit ihrem Backup-Quarterback und ein Sieg in Green Bay, nach welchem Mike McCarthy entlassen wurde, verhinderten das. Die 0-16-Browns auf der anderen Seite waren besser, als der Record vermuten lassen würde.

Das erste Team seit sehr langer Zeit, das spielt wie ein 0-16-Team und wo man schlicht nicht einmal den Ansatz von Hoffnung kreieren kann, sind die New York Jets. Ein blutleerer, komplett uninspirierter Auftritt bei den Miami Dolphins am Sonntag unterstrich das.

Was wäre überhaupt der positive Startpunkt bei den Jets? Mekhi Becton vermutlich, doch der Rookie-Tackle fällt aus, seitdem New York ihn im Thursday Night Game gegen Denver unüberlegt angeschlagen hat spielen lassen. Jamison Crowder vielleicht noch - da hört es aber zumindest für die Offense auch schon auf. Und defensiv wurde Minuten nach Spielende in Miami Defensive Tackle Steve McLendon, einer der klaren Leader dieses Jets-Teams, für einen Sechstrunden-Pick 2022 nach Tampa Bay getradet.

Die Jets sind ein echter "Anwärter" auf eine Saison ohne Sieg, und die wöchentliche Frage stellt sich abermals: warum wird Adam Gase nicht entlassen? New York ist mit Abstand das am wenigsten talentierte Team, eine Entlassung würde nicht plötzlich die Kehrtwende einleiten und die Jets wertlose Siege einfahren lassen.

Was macht es mit den jungen Spielern wie Becton, Quinnen Williams, Blessuan Austin oder auch Ashtyn Davis, wenn man jede Woche komplett chancenlos ist - und keine Konsequenzen gezogen werden? Wie schnell kann eine Franchise den Schalter umlegen, wenn die Saison weiter so verläuft? Und welche Wirkung hat das auf mögliche Free-Agent-Ziele?

Die Jets sind in jeder Hinsicht ein absolutes Desaster, und es ist an der Zeit, dass diese Tatsache vonseiten der Franchise mit Taten anerkannt wird.

10. Wo stehen die Chicago Bears?

Eine weitere Woche vergeht, die Chicago Bears gewinnen ihr fünftes von bislang sechs Spielen - und so wirklich weiß ich noch immer nicht, was ich von Chicago halten soll. Die Bears konnten gegen Carolina den Ball nicht laufen, Nick Foles warf eine üble Interception und knackte die 200-Passing-Yard-Marke nicht. Trotzdem stand ein 23:16-Sieg gegen die Panthers.

Carolina hatte dabei zehn offensive Drives, von denen vier weniger als 25 Yards einbrachten. Chicago sammelte sechs QB-Hits, sechs Tackles for Loss und vier Sacks - die Bears lebten im Backfield der Panthers, und das führt auch zum Kern: Chicago hat einen Top-5-Pass-Rush was den 4-Men-Rush angeht, im Gegensatz etwa zu Pittsburgh oder Indianapolis kombinieren die Bears das allerdings zusätzlich mit einer individuell stark besetzten Secondary.

Wenn man die Bears für den weiteren Saisonverlauf einschätzen will, dann muss man hier anfangen: Wie weit kann Chicagos Defense dieses Team tragen? Diese Defense reicht, um mittelmäßige (oder schlechtere) Teams zu schlagen, für mehr muss die Offense und insbesondere Nick Foles einen Lauf hinlegen. Doch die 5-1-Ausgangslage mit dieser Defense und wenigstens einzelnen Highlights durch die Offense? Müsste heute getippt werden, würde ich Chicago damit in die Playoffs setzen.