NFL

Rebellion im zweiten Versuch

Roger Goodell und Robert Kraft liegen sich in den Haaren
© getty

Während sich zwischen Tom Brady und der NFL eine Entscheidung anbahnt, steht der Konflikt zwischen Commissioner Roger Goodell und Robert Kraft, Eigentümer der New England Patriots, am Anfang. Kraft hat dafür eine 180-Grad-Drehung vollzogen und sich in eine Situation gebracht, aus der es vorerst keinen einfachen Weg zurück gibt. Goodell könnte bald die Folgen seiner harten Linie spüren.

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Für viele Experten und für viele Patriots-Fans gleichermaßen war es ein überraschender Schachzug, den Robert Kraft im Mai wählte. Roger Goodell hatte gerade verkündet, dass die Pats im Zuge des Deflate-Gate-Skandals zwei Draft-Picks verlieren sowie eine Strafe in Höhe von einer Million Dollar bezahlen müssen. Kraft entschied, das Urteil zu akzeptieren - im Gegensatz zu seinem Quarterback Tom Brady, der sofort gegen seine Vier-Spiele-Sperre vorging.

"Es waren emotional aufgeladene Wochen und ich habe meine Optionen genau studiert", erklärte Kraft in einem Statement, lobte zudem die Unterstützung des eigenen Anhangs und führte weiter aus: "Ich habe gelernt, dass die anhaltenden Debatten beide Seiten weiter anstacheln und ich sehe nicht, dass sich das ändert. Gleichzeitig hatte ich aber das Gefühl, dass die Strafe zu hart und ungerechtfertigt war."

Goodells mächtiger Verbündeter

Dass sich Kraft allerdings derart in sein Schicksal fügen würde, war vorher kaum abzusehen und viele wiesen schnell auf das enge Verhältnis von Kraft und Goodell hin. Ein Deal hinter verschlossenen Türen wurde vermutet. Seit Jahren unterstützt Kraft den Commissioner so treu wie kaum ein zweiter Team-Eigentümer und stand ihm stets zur Seite. Er unterstützte Goodells Kandidatur 2006 gegen Gregg Levy und stärkte ihm seither in zahlreichen Debatten, jüngst etwa im Fall Ray Rice, öffentlich und vor den anderen Eigentümern den Rücken.

Goodell geriet vor einigen Jahren gar ins Kreuzfeuer, weil er im Zuge des Spygate-Skandals, als die Patriots Spielzug-Signale der New York Jets ausspioniert hatten, Beweismaterial zerstören ließ - angeblich, da Pats-Coach Bill Belichick die illegalen Aufnahmen ohnehin gestanden hätte und er verhindern wolle, dass andere in ihren Besitz kommen. Der Eindruck wuchs, dass zwischen Goodell und den Pats eine Hand die andere wäscht. Immerhin wuchs parallel auch Krafts Einfluss, zumal sein Team inzwischen das zweitwertvollste der NFL ist.

Kraft sitzt dem NFL-Broadcast-Committee, das die milliardenschweren TV-Deals aushandelt, vor, eines der wichtigsten Gremien der Liga. Darüber hinaus ist er im Compensation-Committee, das über Goodells Gehalt entscheidet, sowie im Finance-Committee. Kurzum: Kraft ist einer der mächtigsten NFL-Eigentümer und seine enge Zusammenarbeit mit Goodell prägte die Liga über die vergangenen Jahre und hielt sie in kritischen Momenten zusammen.

Bis zuletzt hieß es so auch aus Insider-Kreisen, dass Kraft einen besonderen Status bei Goodell genießt und Seahawks-Cornerback Richard Sherman stellte vor dem vergangenen Super Bowl etwa klar, dass er von den Deflate-Gate-Untersuchungen wenig erwartet: "Ihr Lebenslauf spricht doch für sich selbst. Vermutlich werden sie nicht bestraft, jedenfalls nicht so lange Robert Kraft und Roger Goodell gemeinsam private Fotos schießen. Goodell war doch erst kurz vor dem AFC-Championship-Game noch bei Kraft zuhause."

Die 180-Grad-Drehung: Krafts Offensive

Doch es sollte anders kommen. Während Kraft zunächst zähneknirschend für das Wohl seiner Beziehung zu Goodell nachgab, ließ er nach dessen Bestätigung von Bradys Vier-Spiele-Sperre in der Vorwoche die Bombe platzen: "Ich muss mich zunächst bei unseren Fans entschuldigen denn ich dachte, dass das, was ich im Mai tat, vor dem Hintergrund der Geschichte solcher Fälle, einen Freispruch Bradys deutlich vereinfachen würde. Leider lag ich falsch. Die Vorgehensweise der Liga ist extrem frustrierend und beunruhigend."

Damit war er aber noch längst nicht fertig. "Es war ein Fehler, auf die Liga zu vertrauen. Betrachtet man die Fakten, die Beweislage und die Naturgesetze, die dieser gesamten Situation zugrunde liegen, ist es für mich unverständlich, dass die Liga weiterhin Schritte unternimmt, um einen ihrer größten Spieler und einen Mann, vor dem ich allerhöchsten Respekt habe, herabzuwürdigen", erklärte Kraft weiter.

Außerdem kritisierte er die Liga dafür, dass sie Anfang des Jahres den ESPN-Bericht nicht richtigstellte, in welchem deutlich niedrigere Zahlen bezüglich des Luftdrucks in den Bällen angegeben worden waren: "Ich werde nie verstehen, warum ein ursprünglich falscher Bericht hinsichtlich des Luftdrucks von einer NFL-Quelle weitererzählt wurde. Über Monate hat dieser Bericht die öffentliche Meinung angeheizt."

Seite 1: Einst Freunde - nun Gegner

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