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NBA - Superteam im Standby-Modus: Warum die Phoenix Suns im Westen nur Mittelmaß sind

Von Robert Arndt
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© getty

Die Phoenix Suns gingen vor dieser Saison volles Risiko, um mit Kevin Durant und Co. endlich den ersten Titel der Franchise-Geschichte zu gewinnen. Die Realität ist im Moment eine andere: Die Suns sind Mittelmaß - und im vierten Viertel gar das schlechteste Team in der NBA-Geschichte. Was genau läuft schief im Valley?

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Für ein paar Tage herrschte in Phoenix kürzlich so etwas wie Aufbruchstimmung. Nach der Enttäuschung an Weihnachten gegen Dallas wurden vier Spiele in Serie gewonnen. Kevin Durant wirkte nach den Berichten über seine Unzufriedenheit extra motiviert, dazu kehrten Neuzugang Bradley Beal und Center Jusuf Nurkic zurück ins Lineup. Endlich konnten die Suns auf ihre "Big Four" zurückgreifen - und hoffentlich auch ordentlich in den Standings klettern.

So einfach ist es aber nicht. Phoenix steckt mit einer Bilanz von 19-18 im Mittelmaß der Conference fest. Zu wenig für die Ansprüche der Franchise, die seit dem Trade für KD im Februar 2023 so All-In ist wie wahrscheinlich noch kein Team zuvor. Zu sehen ist davon noch nicht viel. In den vergangenen zwei Wochen haben die Suns zwar das zweitbeste Offensiv-Rating der Liga, dennoch setzte in dieser Phase zuletzt auch drei Niederlagen, die einiges über dieses Team sagten.

Zweimal schenkten die Clippers den Suns über 130 Punkte ein, dazu setzte es eine durchaus peinliche Heimniederlage gegen ein Memphis-Team ohne Ja Morant. Noch übt man sich in Geduld bei den Suns, zumindest wenn man Coach Frank Vogel glauben möchte. "Wir haben einen Kader, der um die Meisterschaft spielen kann. Wir glauben daran, unsere Big Four hat gerade einmal sechs Spiele zusammen absolviert. So eine Saison kann verdammt lang sein."

Auch Durant, scheinbar doch nicht so unzufrieden, schlug in diese Kerbe: "Für die Leute zählen nur Ergebnisse und der Kontext interessiert sie nicht. Wir wissen, was es braucht, um ein gutes Team aufzubauen, die Erwartungen von außen interessieren uns nicht. Uns ist klar, dass die Leute unsere Spieler sehen und viel erwarten."

Erwartungen haben nicht nur Fans. Dieses Team wurde zusammengestellt, um alles zu gewinnen - und das so schnell es geht, um die letzten guten Jahre von Durant (35) zu nutzen. Doch woran hakt es in Arizona?

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Phoenix Suns: Das schlechteste Team im vierten Viertel (aller Zeiten)

Die Schlussviertel sind ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch die Saison sieht. Vor zwei Jahren gewannen die Suns noch gefühlt jedes enge Spiel, nun kann man die Uhr danach stellen, wann Phoenix ein Spiel aus der Hand gibt. An dieser Stelle ein paar Fakten (Stand 10. Januar):

  • Die Suns haben ein Net-Rating von -16,1 im Schlussabschnitt in dieser Saison. Das ist der schlechteste Wert, seitdem die NBA 1996 anfing, diese Daten zu erfassen. Um zu verdeutlichen, wie schlecht das ist: Ein solches Net-Rating entspricht in einer 82-Spiele-Saison gerade mal sieben (!) Siegen.
  • Phoenix hat im vierten Viertel ein Offensiv-Rating von 103,0 - das ist um über 5 Punkte schlechter als das zweitschlechteste Team in dieser Spielzeit. Diese Lücke ist so groß wie zwischen Platz 2 und 18
  • Kein anderes Team macht im vierten Viertel so wenige Punkte (24,5), trifft den Dreier so schlecht (29,4 Prozent), holt so wenige Rebounds (9,6) und verteilt weniger Assists (4,9)
  • In den 18 Pleiten lagen die Suns in neun dieser Spiele zu Beginn des letzten Viertels in Führung
  • In den vergangenen beiden Spielen gegen die Grizzlies und Clippers verloren die Suns zusammengerechnet mit 38:72 im Schlussabschnitt
  • Zieht man das vierte Viertel ab, hätten die Suns dagegen ein Net-Rating von 6,1 (Offense: Platz 3, Defense: Platz 16)

So kann man einen Eindruck davon bekommen, wie schlecht Phoenix in diesen Minuten ist. Das Fehlen eines echten Point Guards macht sich hier bemerkbar. Gleichzeitig darf angezweifelt werden, ob ein solcher so viel weiterhelfen würde, da die Stars ohnehin den Ball dominieren. Die Suns spielen die drittlangsamste Pace und brauchen oft zu lange, um in ihre Sets zu kommen. Wenn sie denn welche spielen.

Der Ball läuft sehr wenig, abseits davon wird sich kaum bewegt. Stattdessen verfallen die Suns hier immer wieder in "Iso-Ball" und bei aller Qualität der Stars ist das kein Erfolgsrezept. Sowohl Durant als auch Booker sind in dieser Saison weit unter Normalform, vor allem die Jumper aus der Mitteldistanz fallen nicht wie noch in den Vorjahren. Dazu kommen zu viele Ballverluste und teils nicht existente Transition-Defense.

Kevin Durant und Devin Booker: Stats in Isolation

SpielerPossessionsPoints per PlayFG (Prozent)
Kevin Durant4,60,9140,0
Devin Booker3,20,8434,7
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Phoenix Suns: Der Kader hat sich noch nicht gefunden

Coach Frank Vogel ist so weiter auf der Suche nach seinen besten Aufstellungen. Trotz der kürzlichen Pleiten hat die "Big Four" aus Durant, Booker, Beal und Nurkic in nun 96 gemeinsamen Minuten ein Net-Rating von +14,7, darauf lässt sich aufbauen. Dahinter häufen sich jedoch die Fragezeichen: Von den zahlreichen Minimum-Spielern, die im Sommer verpflichtet wurden, konnte sich lediglich Eric Gordon mit Abstrichen als Scorer auszeichnen, defensiv hat der 35-Jährige aber deutlich abgebaut.

Wenn er also nicht wirft, ist sein Nutzen gering. Auch deswegen moserte EG zuletzt darüber, dass er zu selten den Ball sieht. Dies lässt sich aber nicht nur von Gordon behaupten. So nahm KD gegen die Clippers nach heißer erster Halbzeit nur noch sechs Versuche, ein anderes Mal wurde Booker kaum gesucht. Es fehlt weiter an Balance, Stabilität und weiteren Spielern, die die Stars mit guten Aktionen unterstützen können.

Grayson Allen ist zumindest einer der besten Shooter der NBA, er ist als fünfter Starter gesetzt. Danach aber regiert das Prinzip Hoffnung. Yuta Watanabe ist komplett aus der Rotation gepurzelt, Drew Eubanks ist ebenfalls eine Enttäuschung und die offensiven Probleme von Josh Okogie sind aus den vergangenen Playoffs bestens bekannt. Wen Vogel von ihnen auch einsetzt, Phoenix verliert entweder offensiv oder defensiv Qualität.

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Phoenix Suns: Wer verteidigt eigentlich?

Mit Vogel holten die Suns vor der Saison einen bewiesenen Defensiv-Coach. Allerdings fehlt das Spielermaterial, um dessen Philosophie auch umzusetzen. Zu Lakers-Zeiten stand immer ein echter Rim Protector auf dem Feld, das fehlt im Suns-Kader. Nurkic ist das nur bedingt, Eubanks fehlt Qualität. Dazu gibt es am Perimeter kaum geeignete Verteidiger. So mussten die beiden Offensiv-Stars gegen die Clippers die meiste Zeit Kawhi Leonard und Paul George verteidigen, während James Harden sich Allen und Beal gegenüberstand.

Entsprechend einfach konnten die Clippers immer wieder ihre Gegenspieler schlagen und die Suns in Rotation bringen. Später versuchte es Phoenix mehr mit Durant als Center: Hier fehlte dann komplett die Länge auf dem Flügel, da Vogel teilweise vier Guards an die Seite von KD stellte, auch weil sich Nurkic in der zweiten Halbzeit verletzte und das Vertrauen in Eubanks scheinbar begrenzt ist.

Dazu sind die Suns auch ein schwaches Team am Brett: Nur 70 Prozent der Fehlwürfe werden eingesammelt, was vor allem daran liegt, dass Nurkic hier kaum Hilfe bekommt. Wie oft alleine Durant auf Boxouts verzichtet und dessen Gegenspieler den Ball abgreift, ist sehr auffällig, war aber schon immer eine Schwäche in Durants Spiel.

Da Phoenix ansonsten aber sehr klein ist, fällt das umso mehr ins Gewicht. Vor allem mit der Starting Five, was vor allem in den besagten Schlussvierteln immer wieder ein Problem ist.

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Phoenix Suns: Die Stars müssen noch mehr machen

Dazu muss auch gesagt werden, dass sowohl Durant als auch Booker schlichtweg nicht auf dem Niveau spielen, das es braucht, damit dieses Team konstant gewinnt. Es ist darauf ausgerichtet, dass sie scoren, und das jederzeit. Durant hat zwar 52/47/88-Splits bei fast 30 Punkten pro Spiel, trifft aber nicht mehr so konstant aus der Mitteldistanz wie gewohnt. Gleiches gilt für Booker. Die Suns sind jedoch auf solche Treffer ausgelegt.

Dass Beal ebenfalls noch weit von seiner All-Star-Form von vor zwei, drei Jahren entfernt ist, hilft ebenso wenig. Man kann also nicht sagen, dass es lediglich am mageren Supporting Cast liegt, dass Phoenix einfach nicht ins Rollen kommt. In der Theorie braucht dieses Team konstant 80 bis 90 Zähler von den drei Superstars, auch wegen der defensiven Limitierungen. Doch das passiert zu selten.

Kevin Durant und Devin Booker: Ihre Stats aus der Mitteldistanz

SpielerFGAFG 23/24 (Prozent)FG 22/23 (Prozent)
Kevin Durant7,141,856,0
Devin Booker5,843,549,4

Womöglich pegelt sich es noch ein, wir haben das auch mit den Clippers in den vergangenen Wochen gesehen, aber Phoenix läuft langsam die Zeit davon. Die Trade Deadline naht, große Moves werden die Suns allerdings nicht machen können, da sie fast alles verscherbelt haben, was sich verscherbeln lässt. Vielmehr wird das jetzige Team in seiner Zusammenstellung die Kohlen aus dem Feuer holen müssen. Der Rückstand auf das Play-In im Westen beträgt allerdings bereits 3 Spiele und mit den Mavericks, Lakers oder auch Warriors gibt es weitere Teams, die wie Phoenix in der Tabelle klettern wollen.

So sehr also Geduld von allen Beteiligten gepredigt wird, so bald müssen die Suns in die Puschen kommen. Leichter wird es übrigens nicht: Die Suns hatten bislang den leichtesten Spielplan aller 30 Teams.