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NBA, Dallas Mavericks: Wie Josh Green vom vermeintlichen Draft-Bust zum Hoffnungsträger wird

Von Daniel Berchem
Green wurde im NBA Draft 2020 an 18. Stelle von den Mavericks ausgewählt.
© getty

In den vergangenen Wochen hat sich Mavs-Guard Josh Green überraschend in die Rotation der Texaner gekämpft und seine Fähigkeiten eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Dabei hätten viele Fans und Experten lieber andere Youngster bei den Mavs gesehen.

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Im US-Sport kommt es sehr häufig vor, dass Teams im Draft Entscheidungen treffen, die sie später bereuen. Teilweise gehen den General Managern in der NBA Superstars durch die Lappen, oftmals entscheiden sie sich aber auch einfach für einen Spieler, der nach wenigen Jahren komplett von der Bildfläche verschwindet, während ein solider Rollenspieler nur wenige Picks später bei einem anderen Team landet.

Das merken natürlich auch die Spieler. Viele NBA-Stars geben gerne zu, es persönlich zu nehmen, wenn aus ihrer Sicht schlechtere Spieler vor ihnen ausgewählt werden. Das prominenteste Beispiel hierfür ist wohl Draymond Green, der jeden einzelnen der 34 vor ihm gedrafteten Spieler aufzählen kann.

Desmond Bane (30. Pick) ist noch so ein Fall. Nach einem Sieg gegen die Mavericks Anfang Dezember wurde Bane von Reportern darauf angesprochen, dass Dallas ihn im NBA Draft 2020 übergangen hatte. "Ich kenne fast jeden, der vor mir ausgewählt wurde. Ich meine, Josh Green wurde vor mir gedraftet. Ich weiß nicht, ob er heute Abend gespielt hat, aber das ist ihre Sache. Das liegt nicht an mir", antwortete er.

Tatsächlich musste Josh Green die gesamten 48 Minuten von der Bank aus zuschauen. Der Australier wurde im selben Jahr an 18. Stelle von den Mavericks ausgewählt - zwölf Plätze vor Bane.

Green: Schmiss Donnie Nelson wegen ihm hin?

Nach einer eher schwachen Rookie-Saison (2,6 Punkte und 2,0 Rebounds pro Spiel) wurde Green von vielen bereits als Draft-Bust abgestempelt, zumal nicht nur Bane, sondern auch Spieler wie Tyrese Maxey (21. Pick) oder Saddiq Bey (19. Pick) verfügbar waren. Letzterer schaffte es ins All-Rookie-First-Team, Maxey blüht als Spielmacher bei den 76ers auf.

Die damaligen Beweggründe der Mavericks sind unklar, laut Jonathan Wasserman von Bleacher Report waren einige Verantwortliche der Texaner unzufrieden mit der Draft-Entscheidung und hätten schon damals lieber Saddiq Bey im Dress der Mavs gesehen.

Medienberichten zufolge gab es Unstimmigkeiten zwischen dem ehemaligen Mavs-GM Donnie Nelson und Ex-Front-Office-Mitarbeiter Bob Voulgaris, dieser soll bewusst die Meinungen von Scouts ignoriert haben. Voulgaris hingegen behauptete im ESPN Daily Podcast, dass ein aufgebrachter Nelson den Draft-Room verließ. Vereinspolitische Machtspielchen hin oder her, Green landete bei den Mavericks.

NBA Draft 2020: Die Picks 18-30

PositionTeamPick
18Dallas MavericksJosh Green
19Detroit Pistons (via Brooklyn)Saddiq Bey
20Miami HeatPrecious Achiuwa
21Philadelphia 76ersTyrese Maxey
22Denver NuggetsZeke Nnaji
23Minnesota Timberwolves (via New York)Leandro Bolmaro
24Denver Nuggets (via Milwaukee)R.J. Hampton
25New York Knicks (via OKC)Immanuel Quickley
26Boston CelticsPayton Pritchard
27Utah JazzUdoka Azubuike
28Minnesota Timberwolves (via Lakers)Jaden McDaniels
29Toronto RaptorsMalachi Flynn
30Memphis Grizzlies (via Boston)Desmond Bane

Josh Green: Ein Grund zur Hoffnung für Mavs-Fans

In seiner Rookie-Saison kam Green auf insgesamt 445 Minuten, auch zu Beginn der aktuellen Spielzeit nahm er zunächst eine Reservistenrolle ein, doch das Blatt wendete sich zum Jahresende. Green kämpfte sich in die Rotation von Head Coach Jason Kidd, profitierte dabei aber auch von den etlichen coronabedingten Ausfällen.

Der 21-Jährige nutzte seine Chance: Anfang Januar legte er 17 Punkte auf, nur zwei Tage später setzte er sogar noch einen oben drauf und schenkte den Bulls 18 Zähler ein, dabei traf er in beiden Partien zusammengerechnet 14 von 17 Würfen.

Seit Green immer häufiger in Erscheinung tritt und mehr Spielzeit bekommt (18,5 Minuten pro Spiel), stehen die Mavs mit einer Bilanz von 22-8 da. In den vergangenen zwei Monaten kam Green dabei im Schnitt auf 5,5 Punkte, 2,6 Rebounds und 1,7 Assists bei einer True-Shooting-Percentage von 57 Prozent.

Auch wenn diese Statistiken auf dem Papier nicht direkt herausstechen, zeigt die Formkurve des Australiers doch klar nach oben. Eine der größten Stärken von Green: Er spielt "Winning Basketball", wie es oft so schön heißt. Dies fängt am defensiven Ende des Parketts an, wo Green seinen Gegenspielern am Perimeter das Leben schwer macht. Durch seine Schnelligkeit kann er nach einer guten defensiven Possession innerhalb weniger Sekunden am offensiven Ende des Courts punkten.

Josh Green: "Er bringt eine verrückte Energie"

Mit einer Körpergröße von 1,96 Metern ist Green für den Flügel etwas zu klein, am College spielte er oft auf der Position des Small Forward. In der NBA scheint er als Guard die bessere Option zu sein. Selbst wenn Green eventuell einige Zentimeter fehlen, macht er diese durch seine athletischen Fähigkeiten wett.

Er überzeugt neben seiner Athletik auch mit Attributen, die nicht vom Scoreboard abzulesen sind. Green besitzt eine ansteckende Energie und spornt seine Mitspieler regelmäßig mit Hustle-Plays an. "Er rennt einfach herum, bringt eine verrückte Energie, holt Steals und Rebounds", so Teamkollege Maxi Kleber. "Es ist schwierig, ihn zu verteidigen, da du niemals weißt, wo er als nächstes hingeht."

Der Deutsche spielt darauf an, dass Green in der Offensive auch ohne den Ball ständig in Bewegung bleibt: "Er hat ein sehr gutes Timing, was Cuts angeht, und kommt so immer wieder zu einfachen Layups. Auf einmal hat er 17 oder 18 Punkte und man merkt es nicht einmal."

Green ist nicht nur durch sein Off-Ball-Movement eine Bereicherung für den Angriff der Mavs, er zählt auch zu den besten Passgebern des Teams. Sobald der Australier nach einem seiner vielen Cuts den Ball erhält, kann er nicht nur am Korb abschließen, sondern findet auch regelmäßig den offenen Mitspieler.

Gerade bei einem Sieg gegen Portland Ende vergangenen Jahres wurden die Spielmacher-Fähigkeiten Greens deutlich, als er mit 10 Assists (und nur einem Turnover) einen Karrierebestwert aufstellte. "Er sah da draußen aus wie Magic [Johnson] und hat verrückte Pässe gespielt", sagte Tim Hardaway Jr. nach dem Spiel.

Josh Green: Der Distanzwurf als größte Schwäche

Was dem jungen Mavs-Guard noch im Offensiv-Repertoire fehlt, ist ein verlässlicher Distanzwurf. Green kommt in dieser Saison bisher auf eine Dreierquote von 30,8 Prozent bei 0,8 Versuchen pro Spiel. Floor-Spacing generiert Green somit nicht, stattdessen lauert er meist an der Baseline und wartet auf den richtigen Moment für einen seiner berüchtigten Cuts.

"In der Liga geht es nur noch ums Shooting. Aber es gibt auch andere Dinge, die du tun kannst, um das Spiel zu beeinflussen. Er ist ein junger Spieler, der einen positiven Einfluss auf uns hat, wir müssen weiterhin Wege finden, ihn auf dem Court zu haben", sagte Kidd Anfang des Jahres über Green.

Dessen Spielminuten sind demnach nicht zwingend von seinem Outside-Shooting abhängig. Auch die Rückkehr von Teamkollegen aus dem Corona-Protokoll und von Verletzten haben der Spielzeit Greens keinen Abbruch getan. Sollte er weiter an seinem Distanzwurf arbeiten, könnte Green zu einem soliden 3-and-D-Spieler heranwachsen und würde so ideal zu Doncic passen.

Anders als seinen Namensvetter Draymond kümmert es Josh übrigens nicht, wer vor oder nach ihm gedraftet wurde. Green wurde mit der leicht provokanten Bane-Aussage konfrontiert und lieferte folgende Antwort: "Es kümmert mich nicht. Für mich ist das ganze andere Zeug nur das, was sich die Leute ausdenken. Für mich geht es nur darum, ich selbst zu bleiben: Ich gehe auf den Court und spiele für die Dallas Mavericks. Das ist alles, was ich kontrollieren kann."

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