Als die Center die NBA regierten, war er der König unter den Giganten: SPOX traf Hakeem "The Dream" Olajuwon. Die NBA-Legende mit einer Kritik an seinem Schützling und Nachfolger Dwight Howard sowie einem nicht ganz ernst gemeinten Seitenhieb gegen Dirk Nowitzki. Und er verrät sein Geheimnis, an das sich alle Center halten sollten.
SPOX: Die Schlagzeilen in der NBA gehören den spektakulären Warriors, dem Teamplay der Hawks oder dem Streak der Cavaliers - doch über die Houston Rockets redet kaum jemand. Dabei ist der Klub, bei dem Sie 17 Jahre waren und den Sie zweimal zur Meisterschaft führten, das viertbeste Team der NBA. Wie stark ist Houston?
Hakeem Olajuwon: Ich bin überzeugt davon, dass die Rockets eine echte Chance besitzen, die Championship zu gewinnen. Ich sehe derzeit kein Team, das Houston in einer 7-Spiele-Serie besiegen könnte. Sie sind ein sehr ausbalanciertes Team mit Dwight Howard am Korb, James Harden am Flügel, einer soliden Starting Five, einer sehr tiefen und ausgeglichenen Bank und einem starken Coach. Ich glaube, dass Kevin McHale das Team nach ganz oben führen kann.
SPOX: Es gibt Zweifel, ob Howard, der erneut für vier Wochen wegen Knieproblemen ausfällt, ein Winner ist. Sie sind sein Mentor und Privatcoach: Wie gut ist der vermeintlich dominanteste Big Man des Basketballs wirklich?
Olajuwon: Vorweg: Dwight besitzt ein unglaubliches Talent. Er ist athletisch, physisch und körperlich einfach sehr stark. Seine Bewegungen sehen vielleicht nicht so elegant aus, aber mit seiner Kraft kann er jeden Angriff abschließen. Das Problem: Mit diesem Talent muss Dwight mehr aus sich machen. Ich dachte eigentlich, dass er diese Saison zum MVP gewählt werden könnte. Allerdings muss ich diese Prognose zurücknehmen. Die Leistungen sind zu inkonstant.
SPOX: Es kommt der Eindruck auf, dass sich viele Center der heutigen Generation wie Howard, Andre Drummond und DeAndre Jordan zu sehr auf Ihre Athletik verlassen und nicht an den Basic Skills arbeiten. Wie sehen Sie das?
Olajuwon: Es gibt schon noch gut ausgebildete Center. Brook Lopez, Marcin Gortat, die Gasol-Brüder, sie alle sind technisch ausgereift und beweglich. Vor allem Marc und Pau Gasol gefallen mir, weil sie fantastisch spielen und perfekte Botschafter des internationalen Basketballs sind. Sie verlassen sich nicht nur auf ihre Kraft, sondern auch auf ihre Technik. Dennoch verstehe ich die Frage, wenn man sich die gesamte NBA anschaut. Was viele Teams offenbar unterschätzen: Wer die Kunst des Postplays beherrscht, beherrscht das gesamte Spiel. Wer den Post richtig nutzt, bekommt fast unendlich viele Optionen zum Scoren. Denn ein großartiger Post-Player macht entweder seinen Gegnerspieler im Eins-gegen-eins fertig und kommt zu zwei einfachen Punkten. Oder er wird gedoppelt und füttert die Schützen. Inside-Out, Inside-Out, Inside-Out: Es gibt kein Rezept dagegen! Ich verstehe es nicht, warum dennoch viele Teams darauf verzichten. Entweder spielen sie nur Inside, oder was häufiger vorkommt: Weil ein Team wie Golden State keine Präsenz am Korb hat, schießt man nur noch von außen. Wo bleibt die Variation?
SPOX: Vermissen Sie die 90er Jahre, als die Center die NBA bestimmten? Und wer war der härteste Gegenspieler?
Olajuwon: Es waren komplett andere Zeiten. Ich wusste, dass mich zu fast jedem Spiel eine Schlacht am Brett erwartet. Es war Krieg. Aber der härteste Gegenspieler? Schwierig zu sagen, die größten Herausforderungen waren die Spiele gegen Shaquille O'Neal, David Robinson und Patrick Ewing. Vor allem, weil sie unterschiedliche Stärken hatten. Shaq besaß Größe und Power wie kein anderer, David war beweglich und perfekt ausgebildet, Patrick spielte sehr physisch und tough.
Hakeem Olajuwon: More than a Dream
SPOX: Sie selbst waren der vielleicht kompletteste Center und etablierten mit dem Dream Shake sogar einen eigenen Signature Move. Was können die heutigen Big Men von Ihrem Werdegang lernen?
Olajuwon: Dass man sein eigenes Spiel nur Schritt für Schritt entwickelt. Im Sommer, in der Offseason, nahm ich an so vielen Pick-up Games wie möglich teil. Wenn keine Coaches und keine Referees dabei sind, gibt es keine Mannschaftstaktik und keine Struktur - was immer dazuführt, dass in Pick-up Games die großen Spieler nie einen Wurf bekommen. Die großen Spieler sind nur dazu da, Schüsse zu bocken oder den Rebound zu holen und den Ball sofort an den kleinen Spieler zu passen, der vorrennt und punktet. Das war mir allerdings zu langweilig und ich wollte häufiger den Ball, daher musste ich lernen, wie ich weiter entfernt vom Korb spielen und dennoch punkten kann. Das war die einzige Möglichkeit, um angepasst zu werden. Und nach unzähligen Pick-up Games bin ich in die Saisonvorbereitung eingestiegen und konnte meine Coaches, die mich ausnahmslos alle Inside sehen wollten, davon überzeugen, dass ich vom Perimeter agieren und mir dort den eigenen Wurf kreiieren kann. So verdiente ich mir nach und nach das Vertrauen bei den Coaches. Und gleichzeitig stieg das Vertrauen in die eigene Stärke von Sommer zu Sommer, weil ich an den Feinheiten arbeiten konnte und das Outside-Game immer besser wurde. Was ich damit sagen will: Für einen Big Man ist es sehr hilfreich, nicht immer nur im Post zu spielen, sondern etwas auszuprobieren, egal wie ungewohnt es sich anfühlt. So eignet man sich eine zusätzliche Dimension an.
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SPOX: Sie gingen mit 18 Jahren aus der nigerianischen Heimat in die USA und wechselten zum College-Team von Houston. Hatten Sie damals gedacht, was Sie alles erreichen werden? Sehen Sie sich als Pionier?
Olajuwon: Pionier ist mir ein zu großes Wort. Aber es ist definitiv eine Ehre. Damals wusste niemand, dass es möglich ist, dass ein Afrikaner mit Basketball Geld verdienen und es in die NBA schaffen kann. Damals konnte man es mit viel Glück in die französische Liga schaffen, das war es. Doch dann kamen ich, Dikembe Mutombo und einige andere - und das hat die Jugendlichen zumTräumen gebracht. Sie wissen, dass es zumindest theoretisch möglich ist und geben sich Mühe. Das ist sehr viel wert! Und ich glaube, dass dank der Bemühungen der NBA - das Eröffnen eines eigenen Afrika-Büros in Johannesburg, die Grassroots-Programme, das Scouting - die Chancen immer besser werden, dass der Sprung aus Afrika in die USA gelingt.
SPOX: Sie sind Privatcoach für viele NBA-Stars. Ist es denkbar, dass Sie eine Art Mentor werden für ein afrikanisches Talent, um ihn an das NBA-Niveau heranzuführen?
Olajuwon: Amadou Fall, der das NBA-Afrika-Büro leitet, möchte ein Camp etablieren, an das die besten Talente Afrikas teilnehmen. Das wäre ein wichtiger Schritt und ich würde es lieben, ein Teil davon zu sein. Ich liebe es, nicht erkannte Skills zu entdecken und erkannte Skills zu entwickeln. Das kann ich am besten. Daher könnte ich es mir sehr gut vorstellen, ein afrikanisches Talent unter die Fittiche zu nehmen.
SPOX: Während des NBA-Spiels in London zwischen Milwaukee und New York lernten Sie erstmals Bucks-Supertalent Giannis Antetokounmpo kennen. 20 Jahre jung, Grieche mit nigerianischen Wurzeln und der Größe eines Centers und den Fähigkeiten eines Guards. Worüber sprachen Sie?
Olajuwon: Zunächst interessierte mich am meisten, ob seine Eltern wirklich aus Nigeria kommen und wie sein Name eigentlich ausgesprochen wird. Als ich seinen Namen beim Draft erstmals gelesen hatte, dachte ich schon, dass er mir aus Nigeria bekannt vorkommt. Als wir das geklärt haben, lobte ich ihn für eine Szene, die ich beim Draft in einem Highlight-Clip von ihm sah. Er schnappt sich den Rebound, geht Coast-to-Coast, setzt sich gegen mehrere Gegenspieler durch und zieht zum Korb, obwohl der Weg eigentlich zugestellt war. Dieser Bewegungsablauf ist motorisch und koordinativ extrem herausfordernd und zeigt, zu was für einen besonderen Spieler Giannis werden kann. Was mich am meisten fasziniert: Bei ihm sehen die schwierigsten Bewegungsabläufe so elegant aus. Er vereint Anmut und Grazie mit Kraft - und das ist das höchste Level, das man erreichen kann. Es ist wie damals mit Dirk Nowitzki, der auch etwas neues geschaffen hat. Daher sagte ich Giannis, dass er das gleiche Potenzial wie Dirk besitzt. Die Frage ist jetzt, ob er weiter diszipliniert trainiert. Es klingt einfacher, als es ist.
SPOX: Nowitzki hat Sie diese Saison in der Alltime-Scoring-Liste überholt und als besten internationalen Spieler abgelöst. Ist das schade?
Olajuwon: Nein, gar nicht. Dirk hat mehr erreicht, als alle Experten anfangs geglaubt haben. Und ich weiß, wie schwierig es ist, sich über 15 Jahre in der NBA zu halten und eine prägende Rolle einzunehmen. Aber eines möchte ich noch anmerken und kann es mir nicht verkneifen: Dass es nur die Alltime-Scoring-Liste gibt, finde ich schade. Basketball ist viel mehr als nur Punkten - und wenn es eine Alltime-Liste geben würde, in die zusätzlich Rebounds, Blocks, Steals und Assists reinspielen würde, wäre ich weiterhin vor Dirk. (lacht)
SPOX: Nowitzkiks Mentor Holger Geschwindner arbeitet weiter daran, dass sein Schützling trotz seiner 35 Jahre dazulernt. Unter anderem will er, dass Nowitzki häufiger den Hook Shot, ein klassischer Center-Wurf, nutzt. Können Sie sich das vorstellen?
Olajuwon: Ich höre davon zum ersten Mal. Für mich ist und bleibt Dirk der beste werfende Big Man der NBA-Geschichte. Er ist ein Shooter und er muss nur aufposten, wenn ein kleiner Gegenspieler an ihm dran ist. Doch dafür ist kein Hakenwurf nötig. Und wenn ihn ein größerer Spieler verteidigt, zieht er zum Korb. Dirk und der Hook Shot... Was für eine verrückte Idee! (lacht)
SPOX: Nowitzki hat Geschwindner - und LeBron James hat Sie, um sich im Post zu verbessern. Wie kann man sich Ihre Beziehung vorstellen?
Olajuwon: Es ist keine Mentor-Lehrling-Beziehung. Für mich ist es eine Ehre, wenn jemand wie LeBron anruft und um Rat fragt, weil er die Kunst des Postplays erlernen möchte. Mein Ziel ist es dann nicht, dass ein Spieler meinen Stil kopiert. Vielmehr möchte ich die Stärken des Spielers verstehen und herausfinden, was noch fehlt, um ihn zu komplettieren. Es geht immer um den Spieler und nicht um mich. Bei LeBron ist es so, dass alle Grundlagen vorhanden sind: die Basketball-Intelligenz, die Technik - und vor allem der Körper. Er ist physisch so stark, dass es Verschwendung wäre, wenn er nur von außen wirft. Er kann sich direkt am Korb durchsetzen, egal ob an ihm zwei, drei Gegenspieler dranhängen. Wenn er sich noch häufiger in solche Post-Situationen bringen würde, könnte er noch leichter zu seinen Punkten kommen. An diesen Kleinigkeiten arbeiten wir.
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