NBA

"Das ist eines Meisters unwürdig"

Von SPOX
Ademola Okulaja erwartet enge Finals, sieht die Spurs letztlich aber leicht im Vorteil gegen Miami
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These: Spoelstra ist jetzt ein Top-5-Coach der NBA

Philipp Dornhegge: Man kann Coach Spo nur gratulieren. Er hatte es als junger Trainer von drei Superstars anfangs wahrlich nicht leicht, 2010 forderten viele noch seinen Rauswurf. Aber er hat sich durchgebissen, hat die Heat gut im Griff und war immerhin Teil des zweitlängsten Winning Streaks der NBA-Historie. Das allein sollte für sich sprechen, das schafft man nicht mit einer Luftpumpe an der Seitenlinie. Mit dem Titelgewinn 2012 hat er zudem einen Titel auf der Habenseite, den viele andere großartige Coaches nicht haben. Und trotzdem fehlt mir da etwas. Popovich, Rivers, Carlisle, Thibodeau, Vogel, Karl, Hollins: Die haben ihre Truppe auf eine ganz andere Art und Weise im Griff, gehen kreativ mit ihrem Personal um und haben stets eine Antwort in schwierigen Situationen. Spoelstra braucht für angemessene Reaktionen meist länger, zu oft sieht seine Lösung so aus, dass LeBron den Ball bekommt und machen darf. Klar geht das oft genug auf. Aber diese Mannschaft ist eigentlich so gut, dass es gar nicht nötig sein sollte, dass LeBron immer noch viel zu oft viel zu viele Minuten spielt. Aber komplexe Spielzüge, die es auch einer zweiten Fünf erlauben würde, ein paar Minuten ohne dominanten Ballhandler über die Runden zu kommen, sieht man nie. Zudem hat Spoelstra nicht annähernd das Charisma, dass Popovich oder Rivers ohne Frage haben, und seine ständig wiederkehrenden und platten Parolen, die er während vieler Auszeiten vom Stapel lässt, scheinen nicht selten auf taube Ohren zu stoßen. Da fand ich eine Szene während Spiel fünf schon recht bezeichnend, als LeBron James während einer Ansprache bewusst woanders hinschaut und sich nur mit sich beschäftigt. Spoelstra ist bestimmt ein guter Coach, das will ich gar nicht bestreiten. Aber er ist noch weit weg von den allerbesten seines Fachs.

Haruka Gruber: Ob LeBron in einer Auszeit mal weggeschaut hat oder nicht, würde ich nicht überbewerten. Ohne das Innenleben zu kennen: Es ist von außen betrachtet sehr erstaunlich, wie es Spoelstra offenbar hinbekommen hat, derart viele Egos so zu orchestrieren, dass der sofortige Erfolg einsetzt. Seit der James-Verpflichtung erreichte Miami in drei Jahren drei Finals! Und dass es für einen weiten Playoff-Run mehr als nur Superstars bedarf, zeigen zig Beispiele wie die Lakers und die Clippers in dieser Saison. Daher finde ich Philipps Meinung unverständlich, dass Spo "weit weg von den allerbesten seines Fachs" wäre. Gregg Popovich mal ausgenommen: Welcher Coach ist wirklich so viel besser als Spoelstra? Doc Rivers oder George Karl besitzen größere Namen - aber gemessen am Spielermaterial haben sie trotz Verletzungsproblemen mit Boston und Denver klar underarchievt. Lionel Hollins leistet in Memphis Großartiges - aber auch er zeigte sich beim 0-4 gegen San Antonio hilflos und war keine Hilfe für den strauchelnden Randolph. Frank Vogel erreicht mit Indiana die Ost-Finals - aber löste mit seinem Wechselfehler in Spiel 1 einen Shitstorm aus. Rick Carlisle führte Dallas 2011 zu einer sensationellen Meisterschaft - aber von der Saison abgesehen kam er nie über die zweite Playoff-Runde hinaus. Und Tom Thibodeau in Chicago und Scott Brooks bei OKC können ihr frühes Ausscheiden mit dem Ausfall Ihrer Point Guards entschuldigen - aber hat Spoelstra nicht auch Pech, weil Wade und Bosh zwar einsatzfähig sind, beide aber nur mit 50 Prozent spielen und in der Addition den Heat theoretisch ebenfalls ein Superstar fehlt? Spo mangelt es an Charisma und einem speziellen Profil, das stimmt. Mir gefällt allerdings genau das. Er stellt sich nie in den Mittelpunkt, inszeniert sich nicht als Basketball-Guru, steht freiwillig in der zweiten Reihe und erledigt seinen Job. Genau das, was die Heat brauchen. Daher wüsste ich nicht, wer von Popovich abgesehen so viel besser sein soll als Spoelstra.

Florian Regelmann: Dem kann ich nur zustimmen. Ich habe höchsten Respekt vor Spoelstra. Sein Werdegang imponiert mir. Er hätte vor knapp 20 Jahren in Deutschland bleiben und noch zwei Jahre als Spieler rumzocken können. Es wäre bestimmt die sichere Karriere-Entscheidung gewesen zum damaligen Zeitpunkt. Aber was macht er? Er geht zu den Heat als Video-Koordinator, als eine ganz kleine Nummer. Und er konnte nicht wissen, ob er den Job nicht nach einem Jahr wieder los ist und er auf der Straße steht. So eine mutige Entscheidung zu treffen, zeugt schon mal von einem großartigen Charakter. Er hat seinen Traum verfolgt, sich durch brutal harte Arbeit hochgedient, steht jetzt mit seinem Team zum dritten Mal in Folge in den Finals und gewinnt vielleicht zum zweiten Mal in Folge den Titel - mehr muss man gar nicht wissen. Es gibt viele großartige Coaches in der NBA, George Karl gehört natürlich dazu, aber Spoelstra wäre mein Coach of the Year gewesen nach dieser Regular Season der Heat. Man muss es sich mal vorstellen: Bei jeder Niederlage ist er der Idiot, und bei jedem Sieg hat er damit am wenigsten von allen zu tun - das kann ja nicht sein. Er hat sicher mit Vorurteilen zu kämpfen, nach dem Motto: Der Typ hat nie in der NBA gespielt und coacht jetzt eben ein Powerhouse. Ich glaube aber nicht, dass es viele gibt, die mehr über Basketball wissen als Spoelstra. Dazu kommt, dass er extrem angenehm und bescheiden auftritt. Super Typ, überragender Coach. Auch wenn Pop die Nummer eins ist, in den Finals treffen ZWEI Hall-of-Fame-Coaches aufeinander.

Dornhegge: Ademola, Du hast bereits mit Popovich, Jerry Sloan und Larry Brown zusammengearbeitet. Wie würdest Du Spoelstra einordnen?

Ademola Okulaja: Erstens: Alle von Dir genannten Trainer sind Hall of Famer. Und zweitens: Alle Genannten sind deutlich älter als Spoelstra und sind in der Persönlichkeitsbildung natürlich voraus. Aber das soll nicht gleichzeitig heißen, dass sich Spoelstra verstecken muss. Wie er Abend für Abend dem Druck standhält und performt, ist imposant. Wie viele Leute könnten das? Seit Jahren mit so vielen Stars umgehen und als Leader vorangehen, obwohl man immer unter dem Brennglas steht. Das spricht eindeutig für seinen Charakter - egal ob er zu wenig Ecken und Kanten hat oder ihm Charisma fehlt. Ich ziehe vor ihm den Hut. Und wie Florian gefällt mir die Story von ihm: So ein Aufstieg ist vielleicht nur in den USA möglich vom Tellerwäscher zum Millionär. Er ist ein harter Arbeiter, der einen großen Anteil an der dritten Finals-Teilnahme in Serie hat. Natürlich ist die Spielausrichtung der Heat ein sensibles Thema. Eine klare taktische Handschrift erkenne ich nicht - allerdings ist das auch nicht möglich, wenn man drei so dominante Spieler in den Reihen hat. Ich glaube, es ist eine Kombination aus ihm, LeBron James und Pat Riley im Hintergrund, die Miami ausmacht. Für mich gehört Spoelstra zu den Top-Coaches der NBA, ganz klar.

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