NBA

Cavaliers und die Qual der Wahl

Von Fabian Herbers
Nerlens Noel (Kentucky) gilt als der Topkandidat auf den 1. Pick im kommenden NBA Draft
© getty

Nach 2011 haben die Cleveland Cavaliers erneut eine Menge Losglück in der Draft Lottery und bekommen den ersten Pick zugelost. Doch so richtig klar scheint in Ohio noch nicht zu sein, was man damit groß anfangen soll. Der Jahrgang ist in der Breite ordentlich, doch in der Spitze schwach - und der Kader sowieso schon mit Talent gesegnet. Was bringt der Pick? Wer kann Cleveland weiterbringen? Wo brauchen die Cavs mehr Qualität?

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Was kann der aktuelle Kader?

Die Cavaliers sind noch ein sehr junges Team, in dieser Season war nur Luke Walton älter als 30 Jahre. Ansonsten ist das Team gespickt mit vielen Talenten, angeführt von All-Star Kyrie Irving. Auch der vierte Pick des letztjährigen Drafts, Dion Waiters, sowie Tristan Thompson (4. Pick 2011) haben eine Menge Potenzial. Hinzu kommen weitere junge Spieler wie Tyler Zeller, die noch ganz am Anfang ihrer NBA-Karriere stehen.

Was also auf den ersten Blick schnell ersichtlich wird: Die Cavs haben eine Menge junger Talente im Kader.

Dieses Talent muss der neue Coach Mike Brown zu einer Qualität formen, um endlich konstante Leistungen zu bringen. Braucht Cleveland überhaupt einen Nummer-1-Pick, zumal der aktuelle Draftjahrgang als unterdurchschnittlich gilt?

Wo sind die Schwachstellen?

So gut sich das junge Roster auch liest, die Leistungen schwankten in der Season heftig. Wirft man einen kurzen Blick auf die Statistiken, wird schnell deutlich, dass Cleveland nach wie vor enormen Nachholbedarf in verschiedenen Bereichen hat: Zweitletzter in der Trefferquote (43,4 FG-Quote) nach den Charlotte Bobcats, miserable Quoten von der Dreierlinie (34,6 Prozent, Platz 23) und lediglich 20,7 APG (Platz 26) sprechen eine deutliche Sprache.

Bei den Punkten liegen die Cavaliers auf Rang 19, bei den Rebounds auf dem 22. Platz. Zudem war die Defense zu wenig präsent: Bei den zugelassenen Punkten liegt Cleveland nur auf Platz 25.

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Die mangelnde Erfahrung war vielleicht sogar der Hauptgrund, warum 58 der 82 Saisonspiele mit einer Niederlage enden mussten. Die Wurfauswahl war in der Forest City oft zu schlecht und führte zu dann zu wilden Aktionen in der Offensive. Kyrie Irving, der als Point Guard das Spiel eher leiten und aufbauen soll, verkam zum Alleinunterhalter und nahm die meisten Würfe selber.

Pick Nummer 1 - Was sind Clevelands Möglichkeiten?

Dass der überraschende Lotteriegewinn in Cleveland nicht total euphorisch aufgenommen wurde, dürfte hauptsächlich am Spielermatierial des diesjährigen Drafts liegen. Unzufrieden ist man jedoch nicht. "Es gibt eine Menge großartige Spieler, aber keinen wirklich klaren Nummer-1-Pick", so Cavs-Mehrheitseigner Dan Gilbert, "aber das wir die erste Wahl haben, ist gigantisch!"

Da kein eindeutiger Einser-Pick wie Anthony Davis, Kyrie Irving oder John Wall aus dem Jahrgang heraussticht, muss die große Frage für die Cavs lauten: Wo genau brauchen sie eine potenzielle Verstärkung im Kader?

Ein sinnvoller Gedanke wäre, einen Center zu picken. Anderson Varejao ist zwar ein wahres Reboundmonster, aber auch offensiv limitiert und hat einen verletzungsanfälligen Körper. Backup Tyler Zeller scheint der physischen Anforderung auf der Center-Position noch nicht wirklich gewachsen zu sein und verteidigt nicht selten Power Forwards.

Ein neuer, noch unerfahrener Center könnte mit Varejao ein gutes NBA-Duo bilden. Traut man Spielern wie Nerlens Noel, Alex Zen oder Tyler Zellers jüngerem Bruder Cody sofort eine größere Rolle zu, könnte er sogar starten. Anderson Varejao würde sich in diesem Fall als gutes Tradematerial anbieten.

Die Cavaliers könnten den diesjährigen Draft ebenso nutzen, um die Athletik im Roster zu verbessern, um damit in der Folge die Defense zu stabilisieren, denn in Cleveland fehlte bisher ein Wadenbeißer wie Thabo Sefolosha oder Tony Allen. Zu oft ließ man in der Defensive einfach viel zu viele offene Würfe zu.

Eine weitere Möglichkeit für Cleveland ist auch, schlicht einen Scorer zu draften, um die schlechten Wurfquoten in der kommenden Saison zu verbessern. Es müsste nur jemand sein, der vor allem als Passempfänger effektiv sein kann, weil das Ballhandling fast ausschließlich Sache von Irving oder Waiters ist.

Möglichkeiten gibt es viele, auch wenn dort sicher einige Optionen herausstechen. Doch es könnte auch ganz anders kommen. Manager Chris Grant hat ob des vermeintlich schwachen Jahrgangs noch nicht entschieden, wie er mit dem Draft Pick verfahren will: "Das ist eine wertvolle Option für uns, die wir entweder direkt für uns nutzen oder per Trade in etwas anderes ummünzen können."

Welche Spieler sind für die Cavs interessant?

Die Center-Variante: Nerlens Noel (C, Kentucky)

Nerlens Noel gilt im diesjährigen Draft-Jahrgang ohne klaren Nummer-1-Pick als der Spieler mit der größten Chance, als erster von David Stern ausgerufen zu werden. Der 2,11 Meter große Freshman von der University of Kentucky legte in der NCAA-Season beeindruckende Zahlen hin: 10,5 Punkte und 9,5 Rebounds pro Spiel, dazu kommen imposante 4,4 Blocks.

Noel überzeugte bisher als dynamischer Forward-Center, der dem Trend der NBA, mehr auf Small Ball zu setzen, gerecht werden kann. Setzen die Cavs auf ihn, könnte Varejao gehen. Allerdings erst im Frühjahr, denn zunächst muss Noel noch etwa bis Weihnachten pausieren, nachdem er sich einen Kreuzbandriss zugezogen hatte.

Genau das macht viele Scouts natürlich stutzig: Nach dem Desaster, das die Blazers mit Greg Oden erlebt haben, ist ein fragiler Big Man das letzte, mit dem NBA-Teams derzeit zu tun haben wollen. Weil Noel die Draft Combine, also das Schaulaufen der Youngster, bei dem sie auf Herz und Nieren geprüft werden, in der letzten Woche verpasst hat, weiß niemand so genau, wo er steht.

Auf jeden Fall hat Noel seit seiner Verletzung ein paar Kilo abgenommen und wiegt derzeit nur mickrige 92 Kilo. Viel zu wenig, wenn er sich in der NBA gegen 120-Kilo-Männer wie Dwight Howard oder Marc Gasol durchsetzen will.

Die Scorer-Variante: Ben McLemore (SG, Kansas), Trey Burke (PG, Michigan)

Nicht wenige Experten und Mock Drafts sehen Ben McLemore noch vor Noel als möglichen ersten Pick des diesjährigen Drafts. Der Freshman aus Kansas ist der vielleicht athletischste Spieler des Jahrgangs und meldete bereits Ansprüche auf den 1. Platz an. Wichtig: Er könnte sich zum Star etwickeln und damit Entlastung für Irving und Waiters liefern. Zudem kann der Shooting Guard diese Season überragende Werte im Wurf (49,5 FG-Quote) aufweisen. McLemore hat zudem die nötige Schnelligkeit, um Clevelands Defense einen Schritt weiter zu bringen. Nur: Auch Waiters spielt auf der Zwei.

Wie McLemore wäre auch Trey Burke gern der Nummer-eins-Pick, seine Fähigkeiten als Scorer würden den Cavs gut zu Gesicht stehen. Seine 18,6 Punkte macht der ehemalige Michigan Wolverine nicht aufgrund seiner überragenden Schnelligkeit, sondern aufgrund seines fintenreichen Spiels, das von gutem Ballhandling und flinker Beinarbeit geprägt ist. Burkes Problem: Er ist Point Guard - wie Irving.

Die Allrounder-Variante: Otto Porter (SF, Georgetown)

Sollten die Cavs weder Noel noch McLemore draften, käme dies schon einer mittelgroßen Sensation gleich. Wenn dieser Fall jedoch eintritt, suchen die Cavs offensichtlich nach einer Allzeckwaffe.

Hier wäre Otto Porter aus Georgetown geeignet, der vorne gut trifft (16,2 Punkte pro Spiel) und für einen Small Forward viele Rebounds (7,5 pro Spiel) abgreift.

Er wäre vor allem für die schwache Wurfquote von Cleveland sehr nützlich (48 FG-Quote, 42,2 Dreierquote). Porter ist nicht der beste Athlet, aber ein enorm aggressiver und vielseitiger Verteidiger, der mit viel Dampf zum Brett geht und sich ohne Ball hervorragend bewegt. Damit erfüllt er im Prinzip alles, was sich die Cavs von ihrem kommenden Small-Forward-Starter erhoffen können.

Als 3. Pick, den Cleveland rein rechnerisch hätte bekommen sollen, wäre Porter vermutlich die richtige Wahl gewesen. Als Nummer-Eins-Pick wirkt er jedoch deplatziert, der Pick verschenkt. Kann man Porter als Nummer eins wirklich seinen Fans verkaufen?

Also doch ein Trade? Das ist vermutlich nur eine theoretische Möglichkeit, die Grant erwähnt, um das Interesse anderer Teams auszuloten. Letztlich wissen auch die anderen GM der Liga, dass in diesem Jahr kein neuer LeBron zu bekommen ist - entsprechend niedrig würden etwaige Angebote ausfallen.

Das, was die Cavs, für ihren Pick bekommen könnten, wäre vermutlich weniger als das, was man sich zumindest von Noel erhoffen darf. Insofern wird sich Cleveland wohl doch auf die Center-Variante festlegen. Alles andere wäre zum jetzigen Zeitpunkt eine Überraschung.

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