NBA

"New York kann Miami schlagen"

Von SPOX
Stefan Kretzschmar hält - wie die NBA.de-Redaktion - Miami für den absoluten Titel-Topfavoriten
© getty

Nach dem Ende der Regular Season ist vor dem Start der Postseason. Pünktlich zum Start der ersten Playoff-Runde haben Philipp Dornhegge, Haruka Gruber und Florian Regelmann die Zeit zurückgedreht und den Mann zu ihrer aktuellen Triangle Offense eingeladen, der auch schon bei der allerersten Ausgabe zu Gast war. Ex-Handball-Nationalspieler Stefan Kretzschmar diskutiert mit den NBA.de-Redakteuren über Kobe Bryants Verletzung, den Aufstieg der Brooklyn Nets, den ausgeglichenen Westen und die andauernde Seifenoper um Derrick Rose. Außerdem die Frage: Kann überhaupt jemand Meister Miami schlagen?

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These: Mike D'Antoni hat Kobe Bryant verheizt

Philipp Dornhegge: Ich möchte es klar sagen: Ich halte sehr wenig von D'Antoni. Mich hat seine Arbeit in Phoenix bei allem Erfolg nicht begeistert, in New York fand ich ihn grausam. Ich bin kein Fan von Small Ball und schon gar nicht von Seven-Seconds-Or-Less-Basketball. Ich glaube, dass er auch bei den Lakers nicht viel richtig macht. Allerdings hat die aktuelle Geschichte mit Kobe Bryant sehr viele Facetten. Ohne Frage muss der Trainer seine Spieler schützen, Minuten sinnvoll einteilen. Das machen vor allem die Trainer, die mit ihren Teams um den Titel mitspielen wollen, sehr geschickt (außer Scott Brooks). D'Antoni hat ja betont, dass Kobe immer spielen wollte, und dass es für das Team so gut gewesen sei. Das ist natürlich eine absolute Bankrotterklärung für einen Trainer. Nicht nur attestiert er den ganzen anderen Spielern, dass sie ohne den Superstar nichts auf die Reihe kriegen, sondern er gibt auch zu, dass er nicht die Eier hat, seinem Spieler zu sagen: "Ruhe, ich bin der Coach, ab auf die Bank!" Ganz klar, es gehört mehr Mumm dazu, diesen Zwist mit Bryant auszutragen als mit einem Spieler wie Tim Duncan zu arbeiten. Aber diesen Mumm muss man einfach haben, wenn man die Lakers trainieren und Erfolg haben will. Für diesen Job ist eben nicht jeder gemacht. Und deshalb bin auch nicht bereit, D'Antoni die alleinige Schuld an Kobes Verletzung zu geben - wobei es natürlich sowieso nur Theorie ist, dass es zwischen den ganzen Minuten und dem Achillessehnenriss einen direkten Zusammenhang gibt. Aus meiner Sicht hätte D'Antoni den Job nie bekommen dürfen. Phil Jackson stand bereit, wollte den Job. Und er ist erwiesenermaßen ein Mann, der Kobe die Meinung sagt, wenn es sein muss. Für mich hat Jim Buss den aus sportlicher Sicht schlimmsten Moment der Saison genauso zu verantworten wie D'Antoni.

Haruka Gruber: Ich weiß, D'Antoni-Bashing ist die neue Volkssportart in der NBA. Und klar, obwohl er mitten in der Saison ohne gemeinsame Vorbereitungszeit eingesprungen ist, war es erschreckend, was die Lakers teilweise ablieferten. Egal wie alt das Team ist, egal wie viele Spieler angeschlagen waren, egal ob der Kader auf seinen bevorzugten Basketball-Stil ausgelegt wurde oder nicht: Seine Mannschaft hätte besser spielen müssen. Andererseits sollte man nicht unfair werden. Ihm wurde immer vorgeworfen, dass er keine Kompromisse suchen und immer seinen Run'N'Gun durchsetzen wollen würde. Davon kann keine Rede sein, es wurde in den letzten Wochen immer klarer, dass er versucht, eine Mischform zu finden, in der die Stärken des Teams besser zur Geltung kommen. Zum Beispiel darf Gasol, so wie es ihm gefällt, viel häufiger im Post agieren statt an der Dreierlinie wie Falschgeld rumzustehen. Das zeigt: D'Antoni ist nicht so dogmatisch, wie Philipp behauptet. Und zum speziellen Fall Kobe: Die im Raum stehenden Anklagen an D'Antoni verstehe ich nur bedingt. Wenn die Lakers die Playoffs verpasst hätten, weil Kobe im Golden-State-Spiel gebencht worden wäre - was hätte man D'Antoni vorgeworfen? Genau, dass er verrückt sei, weil er den besten Spieler auf die Bank setzt. Und wenn D'Antoni zu allem Überfluss Kobe gegen dessen Willen gebencht und damit einen Eklat ausgelöst hätte? Dann hätten alle Experten behauptet, dass D'Antoni ein Superstar--Komplex hat, mit großen Persönlichkeiten nicht umgehen kann und ihm das Feingefühl fehlt.

Stefan Kretzschmar: Ich kenne die Problematik ja auch aus dem Handball, wenn ich an Kiel-Coach Alfred Gislason und andere Trainer denke, die unter Druck stehen. Wenn es um alles geht, spielen immer deine besten Spieler. Und für die Lakers ging es um die Playoffs. Es war immer klar, dass es bis zum letzten Tag der Regular Season nicht entschieden sein würde, ob es diese Übermannschaft in die Playoffs schafft. Und es war immer klar, dass es der größten Sensation im amerikanischen Profisport gleichkommen würde, sollten sie es nicht packen. Es ist doch nur natürlich, dass man da seinen besten Mann spielen lässt. Es war ja Wahnsinn, mit welchem Siegeswillen er die Lakers aus einer schon fast aussichtslosen Situation wieder rausgeführt hat. So eine Verletzung in dem Alter ist jetzt natürlich brutal. Das Pensum an sich in der NBA ist unglaublich. Wir heulen im Handball immer über zu viele Spiele, aber in der NBA spielen sie dann einfach auch 5 Mal pro Woche. Ich hätte auch nicht auf meinen besten Spieler verzichtet, zumal die Spiele der Lakers ja alle knapp waren. Es gab für D'Antoni gar nicht die Möglichkeit, Kobe groß Pausen zu geben. Ich muss auch generell zu D'Antoni sagen, dass ich immer ein Fan von seinem Run-and-Gun-Basketball war, den er schon in Phoenix zelebriert hat. Für Defense war er aber sicher nie so bekannt.

Florian Regelmann: Die These ist für mich ja vollkommener Quatsch. Jeder von uns kann sich, wie von Kretzsche schon erwähnt, ja mal in die Position von D'Antoni versetzen und sich überlegen, was er gemacht hätte. Ich hätte Kobe auch 48 Minuten lang spielen lassen. Mal ganz abgesehen davon, dass Kobe sich im Zweifel ohnehin ohne Polizeieinsatz nicht hätte auswechseln lassen. Diese ganze These kommt doch nur von den D'Antoni-Hatern, die mal wieder einen Grund suchen, um ihn in die Pfanne zu hauen. Das größte Problem der Lakers ist personeller Natur und liegt im Spielerkader. D'Antoni ist nicht das Problem. Er mag keinen perfekten Job gemacht haben, aber er hat solide Arbeit verrichtet, wenn man bedenkt, mit welchen Verletzungsproblemen er zu kämpfen hatte und hat. Er hat auch sein System nicht schlecht auf das Spielermaterial angepasst. Man muss dem Mann jetzt auch mal ein volles Training Camp geben, um seine Handschrift durchzubringen. Und noch mal kurz zu Kobe: Der Gedanke, die Lakers könnten/sollten vielleicht die Amnesty-Klausel anwenden, halte ich für Wahnsinn. Klar, finanziell macht es Sinn und man kann es alles mit Kobe absprechen, aber PR-technisch würde es eine Katastrophe bleiben und absolut unwürdig für einen der Größten ever.

These 1: Mike D'Antoni hat Kobe Bryant verheizt

These 2: Und plötzlich sind die Brooklyn Nets ein Dark Horse

These 3: Im Westen kann jedes Team in die Finals einziehen

These 4: Derrick Rose hat keine Ausreden mehr

These 5: Miami kann die Championship Parade schon planen