Janne Meyer wagt sich aus der Deckung

SID
Janne Meyer triumphierte beim CHIO in Aachen und blieb als einzige ohne einen Abwurf
© Getty

Als einzige Reiterin blieb sie in beiden Umläufen ohne Abwurf und sorgte dafür, dass der Große Preis von Aachen erstmals seit 2001 wieder ohne Stechen auskam: Janne Meyer ist ganz oben angekommen.

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Publikumsliebling, Geschäftsfrau und nun auch deutsche Vorreiterin: Janne Friederike Meyer hat mit dem Triumph im Großen Preis von Aachen den Durchbruch geschafft.

Die junge Unternehmerin aus Schenefeld bei Hamburg ist als Einzelreiterin ganz oben in der Weltspitze angekommen, nachdem sie mit der Mannschaft bereits Weltmeisterin wurde. Trotz aller Erfolge hat sich die die Powerfrau ihre erfrischend-natürliche Art bewahrt.

Meyer: "Ich kann das nicht fassen"

"Es ist unglaublich", sagte die 30-Jährige nach ihrem Triumph beim größten Reitturnier der Welt, den sie lange nicht für möglich gehalten hatte. "Wenn ich jetzt lese, dass ich 110.000 Euro gewonnen habe - ich kann das gar nicht fassen", fügte sie hinzu in dem Wissen, dass Emotionen und gute Pointen ihrem Sport zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Was sie denn mit den Geld tun wolle? "Das bringe ich zur Bank", sagte die Springreiterin lakonisch.

Den Wert des Geldes kann die Unternehmerin gut einschätzen. Kurz nach dem Abitur hat sie sich 2001 vor den Toren Hamburgs mit einem Reit- und Ausbildungsstall selbstständig gemacht. Die ersten Jahre waren hart. Sie musste Pferde verkaufen, 2007 gab sie ihren besten Vierbeiner Calandro ab.

Doch das Reiten und der Wettbewerb blieben ihre Mission. Dann bekam sie diese etwas zu klein geratene Holsteiner Stute Lambrasco in die Hände und formte daraus ein Erfolgspferd.

Im vergangenen Jahr folgte der Ritterschlag. Bundestrainer Otto Becker nominierte den Shooting-Star für die CHIO-Mannschaft in Aachen. Dankbar, fasst ein wenig ehrfurchtsvoll reihte sie sich ein in die Riege der Großen wie Beerbaum, Kutscher und Ehning ein.

Als Ersatzreiterin durfte sie mit zur WM nach Kentucky, und als Kutschers Pferd Cash ausfiel, schlug ihre Stunde. Unbekümmert und cool ritt sie drauflos und besaß als zweitbeste Reiterin großen Anteil am WM-Sieg, der für das deutsches Reiten nach dem Dopingsumpf so wichtig war.

Meyers freihändiger Ritt

Bewunderung lehnt sie ab, stattdessen lässt sie ihren Gefühlen gern freien Lauf. So wie beim Triumph in Aachen. Als sie das letzte Hindernis genommen hatte, breitete sie ihre Arme aus und ritt freihändig durchs Stadion. "Otto Becker hat mit mir geschimpft. Er meinte, bei so viel Temperament hätte ich im Stechen Fehler gemacht", sagte Meyer.

Doch es gab kein Stechen mehr. Meyer blieb die einzige Reiterin mit zwei Nullrunden. Zum zweiten Mal in der rund 80-jährigen Geschichte des CHIO gewann eine deutsche Frau - nach Meredith Michaels-Beerbaum mit Shutterfly 2005.

Shutterfly im Abseits

Michels-Beerbaum bekam den Triumph von Meyer hautnah mit. Die einstige Seriensiegerin wartete zeitgleich auf dem Abreiteplatz mit ihrem langjährigen Erfolgspferd Shutterfly. Der 18 Jahre alte Hannoveraner sollte vor den 45.000 Zuschauern im Aachener Stadion verabschiedet werden, doch Meyer stahl ihr ein wenig die Schau.

Das Bild hatte Symbolcharakter: Das deutsche Reiten hat eine neue Frontfrau, zumal auch Michaels-Beerbaums zweites Top-Pferd Checkmate etwas in die Jahre gekommen ist.

Journalismus-Seminare an der Uni Hamburg

Für die Europameisterschaften in Madrid Ende September dürfte Meyer ihr Ticket sicher haben, auch wenn sie selbst bescheiden blieb. "Ich glaube nicht, dass ein Sieg sofort alles entscheidet. Aber ich denke, ich habe Punkte gesammelt", sagte die Hobby-Kolumnistin, die an der Uni Hamburg Seminare zum Thema Journalismus belegt hat.

Becker will erst Ende August entscheiden, welche fünf Paare nach Madrid fahren.

Wohl noch nicht dabei ist Andreas Kreuzer, der etwas im Schatten von Meyer ebenfalls für Furore sorgte. Gerade mal 20 Jahre alt, belegte der Bereiter aus dem Stall von Paul Schockemöhle in Steinfeld bei seinem ersten CHIO-Start auf Anhieb Platz drei.

Kreuzer: "Mein Glück hieß Totilas"

Kreuzer, der in Marienheide bei Köln aufgewachsen ist und daher die Bedeutung des CHIO bestens kennt, sattelte den Hengst Chacco-Blue, den Schockemöhle eigentlich gewinnbringend verkaufen wollte.

"Mein Glück hieß Totilas", berichtete der Youngster humorig. "Seit Paul Totilas hat, geht der Verkauf von Chacco-Blue unter", erzählte Kreuzer und lieferte die Erkenntnis, dass auch im deutschen Springreiten nichts mehr ohne den Wunderhengst geht.

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