Basketball - John Bryant im Interview: "In Per Günther steckt viel von Shaquille O'Neal"

Von Thomas Lehmitz
John Bryant feiert mit Marco Pesic die Meisterschaft 2014.
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2013 wechselten Sie zu Bayern München - von Leibenath zu Svetislav Pesic. Kam das nicht einem Kulturschock gleich?

Bryant: Oh ja. Das war das genaue Gegenteil in Sachen Coaching und Umgang. Ich hatte den Eindruck, dass Pesic besonders hart zu mir war. Ich bekam sehr viel negatives Feedback von ihm. In meinen drei Jahren bei Bayern wurde ich vielleicht insgesamt zweimal gelobt. Ich hätte mir eine bessere Balance gewünscht, damals machte mich das wütend. Pesic erkannte unsere Fehler richtig, aber es war ja nicht so, dass wir diese Fehler absichtlich gemacht haben.

Wie sehen Sie Pesic heute mit einigen Jahren Abstand?

Bryant: Heute weiß ich, dass es eben seine Methode war. Die kannte er schon sein ganzes Leben, mit der ist er aufgewachsen und er benutzte sie, um seine besten Spieler noch besser zu machen. Er wollte mich antreiben und auf ein höheres Level bringen. Ich bin wirklich mit vielen Dingen von damals nicht einverstanden gewesen, aber ich würde so gerne an diesen Punkt meiner Karriere zurückkehren und die Dinge anders machen. Aber man kann die Uhr leider nicht zurückdrehen.

Wie hat in München sonst gefallen?

Bryant: München ist eine der schönsten Städte, die ich je gesehen habe. Es ist wie eine Mischung aus einer Groß- und Kleinstadt. In Berlin und Frankfurt weiß man gleich, dass man in einer großen Stadt ist mit den ganzen hohen Gebäuden und dem Verkehr. In München fühlt es sich nicht so hektisch und groß an. Die Menschen dort, der Englische Garten und die Biergärten: Die ganze Kultur dort gefällt mir gut.

Wie würden Sie Ihre Zeit bei Bayern also beschreiben?

Bryant: Mit einem Oxymoron. Es war sowohl eine der schönsten als auch eine der schwersten Zeiten meines Lebens. Einerseits war es großartig, Teil dieses Klubs zu sein. Die besondere Stellung in der Liga, die Möglichkeit international zu spielen, die Meisterschaft 2014. Andererseits war da der mentale Aspekt. Der Druck jeden Tag, die konstante Kritik an mir.

Stimmt es, dass Sie nach der Meisterschaft 2014 ein Angebot aus der NBA vorliegen hatten?

Bryant: So ähnlich. Die Dallas Mavericks luden mich ins Trainingscamp ein, allerdings war dabei nicht garantiert, dass sie mich auch übernehmen würden. München machte mir dann gleichzeitig ein Angebot. Ich musste mich also zwischen sicherem Geld und einer unsicherer Zeit in der NBA, vielleicht sogar nur in der G-League entscheiden. Außerdem ist meine Spielweise sowieso eher auf den europäischen Basketball zugeschnitten. Also bin ich in Deutschland geblieben.

John Bryant feiert mit Marco Pesic die Meisterschaft 2014.
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John Bryant feiert mit Marco Pesic die Meisterschaft 2014.

Bryant: "Shaq hat den Sommer genauso genossen wie ich"

2016 spielten Sie kurzzeitig in Valencia. Welche Erinnerungen sind daran geblieben?

Bryant: Valencia ist eine schöne Stadt und mit Luke Sikma hatte ich einen tollen Teamkameraden. Allerdings musste ich viel Lehrgeld bezahlen. Die spanische Liga ist einfach anders als die deutsche. Ich bekam leider nicht die Chance, mein Spiel an den spanischen Style anzupassen. Es hätte viel besser sein können, als es dann letztlich war und ich musste den Verein verlassen. Insgesamt war es eine Zeit, in der ich zwar nicht viel Basketball gespielt, dafür aber sehr viel gelernt habe.

Ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht übel. Aber Teil der Wahrheit ist auch, dass Sie während Ihrer Karriere immer wieder etwas mit Übergewicht zu kämpfen hatten.

Bryant: Ich liebe Basketball. Aber es ist nicht immer so einfach, wie man denkt. Gerade der mentale Aspekt ist für einen Amerikaner, der so weit weg von der Heimat ist, oft nicht leicht. Immer der gleiche Alltag, von der Halle nach Hause, höchstens mal ins Restaurant oder in eine Disco. Ich bin aber ein totaler Familienmensch. Also bin ich im Sommer immer nach Hause geflogen und habe die Zeit mit meiner Familie genossen. Es stimmt: Wenn ich nach der Saison genauso hart wie während der Saison gearbeitet hätte, hätte ich mehr Erfolg haben können. Aber nach der Saison ruhe ich mich gerne aus und genieße es, mit meiner Familie zu reisen. Die Zeit mit meiner Familie hat mir mental geholfen, eine so lange Karriere durchzustehen. Ja, ich habe mich sicher nicht so fit gehalten, wie man es von einem Profi erwarten würde. Das war schon immer der eine negative Aspekt meiner Karriere. Das bereue ich heute vielleicht am meisten.

Das ist also noch etwas, das Sie mit Shaq gemeinsam haben.

Bryant: Ja, genau. (lacht) Ich bin mir sicher, dass er den Sommer genauso wie ich genossen hat. Da sind wir uns auf jeden Fall ähnlich.

Bryant unterstützt den Youngster Kostja Mushidi beim MBC.
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Bryant unterstützt den Youngster Kostja Mushidi beim MBC.

Bryant: "Das Geld war mir komplett egal"

Nach einem kurzen Aufenthalt in Monaco ging es 2017 zurück nach Deutschland. Warum gerade nach Gießen?

Bryant: Ich wollte einfach allen zeigen, dass meine Zeit noch nicht vorbei ist. Ich hätte alles akzeptiert, um wieder zurück in die BBL, zurück in den Basketball zu kommen. Mir war auch das Geld komplett egal. Ich sagte zu meinem Agenten: Bring mich einfach in ein Team, alles andere wird sich regeln. Und dieses Team war dann Gießen. Sie waren glücklich, mich zu haben - und ich war einfach froh, wieder in Deutschland zu sein.

Sie spielten insgesamt vier Jahre für Gießen. Und das alles nur, um etwas zu beweisen?

Bryant: Das war im ersten Jahr der Grund - und es war eine großartige Saison für mich. Der Grund, warum ich so lange dort geblieben bin, waren die Menschen. Ein paar meiner besten Freunde kommen nun aus Gießen. Es ist keine besonders große Stadt, aber eine richtige Basketball-Stadt. Ich mag diesen Kleinstadt-Charme. Deshalb bin ich 2021 auch noch einmal zurückgekommen. Ich wollte ihnen helfen, weil sie mir geholfen hatten.

Ihr Wechsel zum MBC während der laufenden Saison war dann mit einigem Ärger verbunden, Sie wurden nicht mehr gebraucht und mehr oder weniger dazu gezwungen, sich einen neuen Klub zu suchen. Nun sieht es so aus, als würde der MBC die Klasse halten, während Gießen womöglich absteigt. Verspüren Sie so etwas wie Genugtuung?

Bryant: Ganz sicher nicht. Ich wusste zwar, dass es so kommen wird, ich habe es ihnen gesagt, aber ich wollte nicht, dass es passiert. Mir tut es vor allem für die Fans leid. Ich liebe die Leute in Gießen, habe viele Freunde dort gefunden. Diese Freunde jetzt leiden zu sehen, ist wirklich schwer für mich. Ich bin schon lange nicht mehr der klassische Amerikaner, der nur schaut, wo er demnächst sein Geld verdient. Ich will die Leute kennenlernen und Teil der Stadt werden. Gießens Situation ist schrecklich für mich, besonders da ich nicht helfen durfte. Es war auch mental schwierig für mich, ich konnte nächtelang nicht schlafen. Also musste ich da raus. Für Gießen wünsche ich mir, das sie daraus gelernt haben und bald wieder zurück in der BBL sind.

Für den MBC läuft es nun sehr ordentlich. Auffällig ist, dass der deutsche Youngster Kostja Mushidi fantastisch spielt, seit sie in Weißenfels sind. Ein Zufall?

Bryant: Nein, das glaube ich nicht. Aber er hat auch einfach alles, um ein guter Basketballspieler zu sein. Er hat lange Arme, ist schnell, athletisch und ein guter Werfer. Er ist aber auch ein sehr emotionaler Spieler. Das ist gleichzeitig gut und schlecht. Wenn er voller positiver Emotionen ist, läuft es gut. Sein Problem waren aber die negativen Emotionen. Als es mal nicht so gut lief, wurde auch sein Spiel rapide schlechter. Ich habe ihm gesagt, er soll positiv und motiviert bleiben. Eine schlechte Sequenz verändert nicht das ganze Spiel. Ich tue alles, was ich kann, um ihm zu helfen. Nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch als Anführer einer jüngeren Generation.

Abschließende Frage: Gibt es bereits einen Plan für die Zeit nach Ihrer aktiven Karriere?

Bryant: Damit beschäftige ich mich derzeit sehr. Als Trainer zu arbeiten wäre vermutlich nicht so mein Ding. Vielleicht eher etwas in Richtung Management. Auch ein Job beim Fernsehen würde mich reizen. Aber ich habe auch noch etwas Zeit, mir darüber klar zu werden. Ich will ja erstmal noch Basketball spielen.

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