Von Kaffeemaschinen und Biermännern

Von Sebastian Hahn
Auf den Philippinen findet sich nahezu überall ein Basketballcourt
© getty

Fernab der großen Nationen versteckt sich mitten im indischen Ozean eine basketballverrückte Inselgruppe, die ihrer ersten WM-Teilnahme seit über 30 Jahren entgegenfiebert. Auf den Philippinen geht die Faszination für das orange Leder weit über den Sport hinaus. Neben kuriosen Team-Namen, skurrilen Plätzen und dubiosen Spielervermessungen will man der Welt in Spanien zeigen, dass man mehr als nur eine Kirmestruppe ist.

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Wenn man Sie fragen würde, in welchem Land es prozentual gesehen die meisten Basketball-Fans der Welt gibt, was würden Sie antworten? Vielleicht die USA, das Mutterland des Basketballs? Oder China, wo Yao Ming einen unglaublichen Boom um das runde Leder ausgelöst hat? Beides ist falsch. Die richtige Antwort liegt am Rande des südchinesischen Meeres.

Auf den Philippinen sind laut einer Umfrage 81 Prozent der Bevölkerung Basketball-Fans, 50 Prozent von ihnen besuchen regelmäßig die Spiele ihrer Lieblingsmannschaft. Man könnte diese Statistiken ohne Probleme erweitern, so beschäftigen sich 99 Prozent der Einwohner mit der NBA, 40 Millionen Philippiner spielen zudem nach eigenen Angaben regelmäßig selber in einer Halle oder auf einem Freiplatz.

Blatche, der Held

Dementsprechend groß ist die Vorfreude auf die anstehende WM, bei der ihr Nationalteam erstmals seit den Heim-Titelkämpfen vor 36 Jahren wieder dabei ist. Mit Andray Blatche konnte man zudem einen NBA-Big-Man davon überzeugen, im rot-weiß-blauen Nationaltrikot aufzulaufen. Da der 28-Jährige allerdings keine philippinischen Vorfahren besitzt, darf der Verband keinen weiteren Ausländer mehr ins eigene Team aufnehmen.

Der Center der Brooklyn Nets wirkt nicht nur wegen seiner erst kürzlich beschlossenen Einbürgerung noch wie ein Exot auf dem Court. Einzig seine Frontcourt-Kollegen Japeth Aguilar und June Mar Fajardo sind größer als zwei Meter. Blatche ist auch der einzige Spieler im Kader, der nicht in der heimischen PBA aufläuft.

You can't teach height

Abgesehen davon, dass ein Engagement des NBA-Profis auf der asiatischen Inselgruppe höchst unwahrscheinlich ist, dürfte er dort allerdings auch gar nicht spielen. Grund dafür sind die Vorschriften der Liga, die es ihren Teams verbietet, Spieler zu verpflichten, die größer als 2,05 Meter sind. Diese Regel gilt allerdings nur im Commissioner's Cup, einer der drei Wettbewerbe auf den Philippinen.

Im Governor's Cup ist es den Teams zwar ebenfalls erlaubt, einen ausländischen Spieler zu verpflichten, dieser darf in diesem Fall aber nur 1,95 Meter groß sein. Im dritten Pokal, dem Philippine Cup, dürfen sogar gar keine ausländischen Akteure spielen. Neue Spieler kann man nur über den alljährlichen PBA-Draft verpflichten. Jede Franchise darf in jeder der drei Cups um den Titel mitspielen.

Um dennoch größere Spieler in die Liga zu schmuggeln, wenden die Team teils dubiose Methoden an. Zu Beginn rasierte man den oft mit Afro auflaufenden Amerikanern die Haare ab, um sie unter die Messlatte zu bekommen. Zudem wurden die Spieler angehalten, ihre Knie zu beugen und den Rücken zu krümmen.

2005 reagierte die Liga auf diese Tricks und begann die Spieler im liegen zu messen. Star Kelly Whitney musste die Liga daraufhin verlassen, weil er schlicht und einfach zu groß für die Liga war.

Die Stars sind die Zwerge

Die Größenbegrenzung hat allerdings auch ihre Vorteile. Die ausländischen Riesen lungern nicht nur in der Zone herum und punkten dort nach Belieben, sondern sind oft hart arbeitende Verteidiger, die zudem ihren Wurf treffen.

Die Fans der PBA, deren Vereine fast alle in der Metropolregion um die Hauptstadt Manila angesiedelt sind, fiebern aber ohnehin lieber mit den kleinen und schnellen Guards mit, die, wie sie selbst, auf den zahlreichen Courts der verschiedenen Inseln mit dem Basketball erstmals in Berührung kamen.

Die WM-Fahrer Jimmy Apalag (1,75 Meter) und LA Tenorio (1,73 Meter) sind die gefeierten Stars des Teams, im Schnitt ist die Mannschaft nur 1,92 Meter groß. Power Forward Ranidel de Ocampo könnte mit seinen 1,98 Metern in der NBA auch als Shooting Guard auflaufen.

Slam Dunk = drei Punkte?

In der Liga sieht die Situation noch schlechter aus, meistens laufen auf Power Forward und Center Spieler auf, die gerade eben größer als 1,90 Meter sind. Aufgrund dessen spielte die Liga sogar mit dem Gedanken, für einen Dunk drei Punkte zu vergeben

Auch die Junioren-Nationalteams leiden unter den chronisch kleinen Spielern, die U 17 ist im Schnitt gerade mal 1,80 Meter groß. Kein Wunder also, dass man bei der WM gegen die USA (im Schnitt 1,98 Meter), mit 64:124 böse unter die Räder kam.

Staatspräsident Benigno Aquino III. sagte zuletzt: "Unser Land ist noch nicht mit der Größe gesegnet, um bei internationalen Turnieren eine Rolle spielen zu können."

Whoopers, Coffee Mixers, Beermen

Dennoch boomt der Basketball in Südostasien wie nirgendwo sonst auf der Welt. Wie "Nike" erklärte, kommen nach den USA die zweitmeisten Fans des Sportartikelherstellers auf "Facebook" und "Twitter" schon aus den Philippinen. Werbeträger wie LeBron James oder Kobe Bryant zieren überall auf der Inselgruppe große Plakate, fast nirgendwo gibt es eine Stelle, an der nicht für Basketball geworben wird.

Dementsprechend werden auch alle PBA-Teams von einem großen Konzern unterstützt, die spanische Bierbrauerei "San Miguel" geht sogar mit drei Mannschaften an den Start. Den San Miguel Super Coffee Mixers gelang im letzten Jahr sogar der Grand Slam, in dem sie alle drei Conference-Turniere für sich entschieden.

Am längsten dabei sind Barangay Ginebra und die San Miguel Beermen, die seit Mitte der 70er-Jahre in der Liga aktiv sind. Weitere bekannte Sponsoren sind Automobilhersteller "Kia" und die Fast-Food-Kette "Burger King", die ihre "Whoppers" aber bereits weiterverkauft hat.

Auch die NBA kommt vorbei

Das Marketing-Juwel zwischen Indien und China steht mittlerweile auch schon im Fokus der NBA. Regelmäßig schickt die Liga ihre Stars nach Manila. 2011 beispielweise zogen Bryant, Derrick Rose und Co. dort eine Show gegen eine einheimische Auswahl ab und siegten mit 131:105.

Dass sich die PBA in Sachen Zuschauerzahlen vor dem großen Bruder schon lange nicht mehr verstecken muss, beweisen die vergangenen Playoffs. Das siebte Spiel der Conference Semifinals des Philippine Cups zwischen Barangay Ginebra und den Super Coffee Mixers sahen fast 25.000 Zuschauer. Zum Vergleich: Die Chicago Bulls haben mit etwas mehr als 21.000 Zuschauern den höchsten Besucherschnitt in den USA.

Im kommenden Jahr wird die Liga eine weitere Attraktion bekommen: Box-Superstar Manny Pacquiao wird eine PBA-Franchise übernehmen, der 35-Jährige gilt als absoluter Basketball-Freak und spielt auch in seiner Kampfvorbereitung oft gegen seine Trainingspartner.

Ab ins Achtelfinale?

In Spanien hätte das Team von Coach Chot Reyes jetzt die Chance, sich erstmals mit den US-amerikanischen Idolen aus der NBA zu messen. Um sich diesen Traum erfüllen zu können, müsste man in der Vorrunde aber erstmal gegen Argentinien, Griechenland, Puerto Rico, Kroatien und den Senegal bestehen.

Ein Duell mit den Amerikanern ist erst im Finale möglich. Ein Unterfangen, dass von Beginn zum Scheitern verurteilt sein dürfte. Auf internationaler Ebene fehlt dem Vize-Asienmeister schlicht und einfach die nötige Größe - Neuzugang Blatche hin oder her.

"Ich habe gesehen, was dieses Team kann. Sie spielen als Mannschaft und können werfen. Sie wissen, wie sie sich auf dem Feld zu bewegen haben. Sie erinnern mich an die Spurs. Größe spielt bei ihnen keine Rolle, sie setzen auf ihren Willen und geben immer alles. Dieses Team gibt niemals auf", erklärte James Harden gegenüber "philstar.com".

Tatsächlich könnten sich die "Smart Gilas", wie das Team von den Fans genannt wird, mit einer ordentlichen Portion Glück zumindest ins Achtelfinale spielen. Der Senegal erscheint schlagbar, gegen Kroatien, Griechenland, Puerto Rico und Argentinien ist vielleicht eine Überraschung möglich - wenn auch unwahrscheinlich. Alle weiteren Spiele sind Bonus.

Keine Kirmes-Mannschaft

Abgesehen von der sportlichen Perspektive werden die Philippiner in Spanien auch zeigen wollen, wie basketballverrückt ihre Nation tatsächlich ist. Der 64:114-Blowout gegen die Ukraine, den das Team zuletzt hinnehmen musste, zeigte zwar, dass die Philippinen noch einige Schwächen aufweisen, die Mannschaft bleibt aber positiv gestimmt: "Wir haben das gebraucht", erklärte Coach Reyes nach der Niederlage.

Wenn es im ersten Spiel gegen Kroatien geht, werden viele die Gilas als Exoten ansehen. Man hat den Anspruch, sich nicht als Kirmes-Mannschaft zu präsentieren. Dabei kann man auf jeden Fall auf die Unterstützung einer ganzen Nation zählen, die ihre zwölf Helden bedingungslos unterstützen wird - egal, ob sie nun normalerweise bei den Coffee Mixers, Beermen oder Brooklyn Nets spielen.

Alle Infos zum Team der Philippinen

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