FC Barcelona: Die Trennung von Lionel Messi ist gerade erst überwunden - seine Rückkehr wäre ein Fehler

Von Thomas Hindle
FC Barcelona, Lionel Messi, Xavi
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Der FC Barcelona hat seine Absicht publik gemacht, Lionel Messi erneut unter Vertrag zu nehmen. Ein erneutes Aufflammen dieser alten Beziehung wäre jedoch das Letzte, was der Klub jetzt braucht.

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Vergangene Woche setzte sich Barcelonas Vizepräsident Rafael Yuste vor die Presse und listete all die Gründe auf, warum Lionel Messi so wichtig für Barça ist. Er erwähnte dessen Verbindung zu den Fans, den wirtschaftlichen Einfluss und - natürlich - den sportlichen Wert von Messis 20 Jahren beim Verein.

Dann gab er bekannt, dass Barcelona mit Messis Berater zusammenarbeitet. Der Versuch: die Legende zu dem Klub zurückholen, den sie zwei Jahre zuvor verlassen hatte.

Es fällt schwer, dabei nicht zum Romantiker zu werden. Messi und Barcelona werden auf ewig miteinander verbunden sein. So lange handelte es sich um die perfekte Ehe: Eine Sandkastenliebe, deren Beziehung über die Jahre in voller Blüte erstrahlte und sich in einen wunderschöne, vermeintlich unzerbrechliche Verbindung entwickelte.

Doch dann kam es 2021 zur schockierenden Scheidung, die Messi buchstäblich in Tränen zurückließ.

Er war der Künstler, der ein Team zu beispiellosen Erfolgen geführt hatte. Es gab in den unterschiedlichen Versionen seiner Barça-Teams auch immer andere Stars, aber Messi überstieg alles. Er war für 15 Jahre die Konstante, die in kritischen Momenten immer wieder ablieferte.

Eine Rückkehr zu diesem Klub, zu einer erneuten Verherrlichung im Camp Nou, zur Umarmung mit dem früheren Partner, ist fast zu verlockend, um dazu nein zu sagen. Aber daran sollte kein Gedanke verschwendet werden.

Vielleicht will es Messi - vielleicht braucht er es sogar. Barcelona sollte das allerdings um jeden Preis vermeiden.

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FC Barcelona ohne Messi: Nach vorne schauen funktioniert

Der entscheidende Moment für so viele der aufregendsten jungen Teams der Welt in den letzten 18 Monaten war die Abkehr von einem untergehenden Stern und der Fokus auf ein gemeinsames Projekts.

Arsenal hat es mit Pierre-Emerick Aubameyang geschafft. Der Abgang von Cristiano Ronaldo von Manchester United gab den Red Devils Hoffnung. Sogar Ronaldos vorheriger Abgang von Real Madrid trug dazu bei, eine neue Ära einzuläuten.

Messi ist ein anderer Spieler, der vielleicht besser dazu in der Lage ist, die Spieler um ihn herum besser zu machen. Aber das gleiche Prinzip gilt immer noch. Nach einem Jahr in der Wildnis ist in dieser Saison unter der Leitung von Xavi ein neues, pulsierendes Barça entstanden. Es gibt gute Anzeichen dafür, dass ein neues Projekt an Fahrt gewinnt.

Einen 36 Jahre alten, sich auf dem absteigenden Ast befindlichen Messi willkommen zu heißen, wäre ein Widerspruch dessen, was dieses Barcelona so gut macht. Es würde ein Gewinnerteam - eines, das wahrscheinlich die LaLiga-Krone zurückerobern wird - zum Stillstand bringen.

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Der FC Barcelona hat Messi hinter sich gelassen

Barcelona kämpfte ein ganzes Jahr lang mit seiner Identität, nachdem es Messi verloren hatte. Sein Abgang bedeutete das Ende für eine Reihe von Schlüsselpersonen im Klub, setzte Trainer Ronald Koeman vor die Tür und führte zum Abschied von Antoine Griezmann.

Das Drama vor der großen Scheidung führte zum Zusammenbruch der Präsidentschaft von Josep Bartomeu und machte den Verein verwundbar für einen massiven Finanzskandal. Letzten Endes war es ein Schritt, der all die schlechten Seiten einer fehlerhaften Organisation enthüllte.

Es gab, ob der Verein es zugab oder nicht, eine Art Vorstellung davon, wie der Starspieler ersetzt werden könnte. Aber Barcelona stellte fest, dass es Messi niemals würde ersetzen können. Vielleicht hätte es eine neue Liebe geben können, aber es würde nie wieder so sein wie zuvor.

Zumal es sich Barcelona auch selbst schwer machte. Mit Aubameyang, Memphis Depay und Ferran Torres wurden eine ganze Reihe unvollkommener Spieler unter Vertrag genommen. Der Klub vertraute Luuk de Jong die Rolle in vorderster Front an und hätte Xavi beinahe entlassen, nachdem der aus der Europa League ausgeschieden war.

Nun aber, fast zwei Jahre später, geht es Barça besser. Die Fehlkäufe sind größtenteils weg, während eine neue Welle kluger Neuverpflichtungen, gepaart mit einigen jungen Talenten, die Blaugrana an die Spitze der LaLiga geführt hat.

Vielleicht lässt man in der Klubführung die Gedanken schweifen und verklärt die Tage mit Messi. Als es so gut funktionierte, als es für beide ein "für immer" sein sollte. Sie wissen, dass Barcelonas neue Romanze nie mehr dieselbe sein wird. Aber es sind die Unterschiede, nicht die vergebliche Suche nach Gemeinsamkeiten, die den Verein wieder an die Spitze gehoben hat.

Die Blaugrana sollten sich nach besseren Dingen umsehen.

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FC Barcelona: Die Mannschaft reift zu voller Stärke

Und sie scheinen auf einem guten Weg zu sein.

Dieses Team sollte der Traum eines jeden Fußballfans sein. Barcelona ist jung, fleißig und verbessert sich ständig. Die Mannschaft ist auf einigen Positionen Weltklasse und hat sich erfolgreich entwickelt, obwohl es keinen echten Megastar gibt.

Es ist genau dieses fehlende Ego, das Barça so weit gebracht hat. Seine besten Spieler haben bereitwillig ungewohnte Rollen angenommen und persönliche Interessen zugunsten des Allgemeinwohls geopfert. Jules Koundé, ein aufstrebender Innenverteidiger, ist auf die rechte Abwehrseite gewechselt, obwohl er die Position bekanntermaßen nicht mag.

Pedri und Gavi wurden im Mittelfeld auf zahlreichen verschiedene Positionen eingesetzt, obwohl sie das ideale Box-to-Box-Duo sind. Sogar Ousmane Dembélé - der auf dem rechten Flügel immer besser in Form kam - wechselte auf den linken Flügel, um dort Platz für den nicht beidfüßigen Raphinha zu schaffen.

Diese Umstellungen führten dazu, dass Barcelona unter seinen Möglichkeiten blieb, bevor sich der Erfolg einstellte. Mittelfeldstar Frenkie de Jong stand letzten Sommer kurz vor dem Verkauf. Dembélé galt noch vor zwölf Monaten als Flop. Sogar Pedri und Gavi sahen sich einiger Kritik ausgesetzt.

Barça hat hart gearbeitet, um eine Klublegende endlich hinter sich zu lassen. Warum also Rückschritte machen?

Sicherlich hat Messi auf dem Platz noch viel zu bieten. Er hat bei der WM gezeigt, dass er immer noch eine Mannschaft führen kann, die ihn in den Mittelpunkt stellt. Er ist der größte Spieler aller Zeiten - eine Reihe schlechter Leistungen bei PSG schmälern das nicht.

Barcelona fehlt es im letzten Drittel zugegebenermaßen an Kreativität, und Messi kennt sich aus, wenn es darum geht, magische Momente zu erzeugen. Aber das Letzte, was Barca jetzt braucht, ist ein Spieler, der das Rampenlicht stiehlt.

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FC Barcelona und Messi: Das passt nicht zusammen

Messi ist nicht so egoistisch wie einige andere Superstars. Er beansprucht den Ball nicht ständig und muss nicht jedes einzelne Tor selbst erzielen. Aber die Spieler um ihn herum müssen sich an sein Spiel anpassen. Er besetzt keine Position, sondern gleitet zwischen ihnen. Für Argentinien spielte er eine Art rechten Flügel. Bei PSG ist es eine lose Interpretation eines Mittelstürmers.

Messi besetzt Räume. Aber es sind eben nicht die, die normalerweise mit einem strukturierten Angriffsspiel assoziiert werden.

Dies ist ein Problem, da Barcelona angeblich möchte, dass seine Vereinslegende sich in Xavis typisches Vier-Mann-Mittelfeld einfügt.

Dieser Mannschaftsteil war es, der Barcelona in den letzten Monaten so weit getragen hat. Xavi wandte sein neues System erstmals im Januar an, um Gavi, Pedri, de Jong und Sergio Busquets gleichzeitig ins Team zu bekommen. Was auf dem Mannschaftsbogen unbeholfen aussah, entpuppte sich als taktische Meisterleistung. Im ersten Spiel mit dem neuen System wurde Real Madrid klar besiegt. Seitdem wurde gerade mal ein einziges Spiel verloren.

Das Mittelfeld bringt so eine perfekte Balance mit sich. Gavi und Pedri übernehmen die Laufarbeit und Kreativität; de Jong grätscht und bricht Linien; und Busquets, der verdiente Altmeister im Team, patrouilliert das defensive Drittel - eine anmutige Präsenz, die Ballbesitz wiederverwertet und Zweikämpfe gewinnt.

Und jetzt müsste einer aus diesem Quartett geopfert werden. Das so kostbare Gleichgewicht wäre dahin. Und wen würde es treffen? Berichten zufolge steigen die Chancen auf Busquets' Verbleib, wenn Messi kommt. Gleichzeitig hätte es niemand aus dem Trio Pedri, Gavi oder de Jong eilig, seinen Platz aufzugeben.

Xavi hat sich als kluger Taktiker erwiesen und wird zweifellos einen Plan haben, sollte Messi im Camp Nou eintreffen. Aber der Trainer hat 18 Monate damit verbracht, die passende Mischung zu finden. Jetzt muss er vielleicht alles wieder einreißen.

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FC Barcelona und Messi: Das Geld wird anderswo dringender gebraucht

Zugegebenermaßen geht es auch ums Geld. Messis Rückkehr basiert auf der Annahme, dass Barcelona - wie auch immer - einen Weg durch die Litanei der finanziellen Hindernisse zwischen dem Klub und Investitionen im Sommer findet. Zumal der unter Beschuss geratene Präsident der La Liga, Javier Tebas, vorsorglich erklärt hat, dass sich Barça in diesem Sommer jegliche Transferaktivitäten abschminken kann.

Es scheint, dass Barça entweder weitere Sponsoren gewinnen oder große Gehaltssummen in den Büchern streichen muss, um Neuverpflichtungen überhaupt in Erwägung ziehen zu können. Aufgeblähte Verträge von Spielern wie Jordi Alba wurden als potenzielle Kürzungen erwähnt. Tatsächlich aber haben die Gehaltskürzungen, zu denen Sergi Roberto und Ex-Spieler Gerard Piqué bereit waren, wenig dazu beigetragen, die finanziellen Probleme der Blaugrana zu lösen.

Und wenn das alles irgendwie zu klären wäre - wahrscheinlich mit einer Art Ausnahmegenehmigung der Liga - sollte Messi für Barcelona keine Priorität haben. Xavi braucht einen defensiven Mittelfeldspieler als Ersatz für Busquets. Wahrscheinlich braucht er auch Absicherungen für die Außenverteidiger und sogar einen Reserve-Mittelstürmer für Robert Lewandowski.

Darüber hinaus muss Barcelona Ronald Araújo und Gavi immer noch offiziell registrieren, nachdem mit ihnen signifikante Vertragsverlängerungen ausgehandelt wurden. Es wird zweifellos ein enger Sommer.

Sollte Xavi tatsächlich Bargeld zur Hand haben, dann ist Messi nicht der Spieler, den Barcelona braucht.

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FC Barcelona und Messi: Lasst die Vergangenheit unangetastet

In vielen Jahren wird man sich an den Argentinier nicht für seinen Meistertitel in der Ligue 1 im Jahr 2022 erinnern, für sein Freistoß-Siegtor in letzter Minute gegen Lille oder sein Tor im hochkarätigen Freundschaftsspiel gegen die Riyadh All-Stars.

Stattdessen wird er mit seiner WM-Medaille und 672 Barcelona-Toren in die Fußball-Folklore eingehen. Die Fans werden sich an seinen Hattrick gegen Real Madrid in seinem ersten Clasíco erinnern oder darüber sinnieren, wie der Argentinier sein Trikot in Richtung der Auswärtsfans im Santiago Bernabeu in die Höhe hielt, nachdem er die Königlichen durch ein spätes Tor in die Schranken wies.

Es gibt so viele ikonische Momente, atemberaubende Tore und unglaubliche Rekorde. Messi kann die Errungenschaften aus der Vergangenheit nicht mehr übertrumpfen. Der Messi von heute ist immer noch ein sehr guter Messi. Aber er ist nicht derselbe Messi, nicht einmal ein "ähnlicher" Messi wie der vor zwei Jahren.

Sein Barcelona-Vermächtnis sollte rein bleiben, unbefleckt durch das gelegentliche Offenbaren von Menschlichkeit, die durch die Rückkehr eines alternden Fußball-Aliens entstehen könnte.

Was Xavis Team angeht, diese neue Version der Blaugrana, sollte Messis Rückkehr ein ein "Was wäre, wenn" bleiben, Tagträumen und Sentimentalitäten vorbehalten.

Barcelona kann sich die alten Fotoalben anschauen. Gemeinsam kann man die schönen Zeiten Revue passieren lassen. Aber es bringt nichts, Messi noch einmal anzurufen. Diese alte Liebe, so wunderbar sie auch war, sollte der Vergangenheit angehören.

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