Christian "Blacky" Schwarzer im Interview: "Kretzsche ist ein großes Sensibelchen"

Christian Schwarzer (l.) und Stefan Kretzschmar haben sich beim DHB-Team lange ein Zimmer geteilt
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SPOX: Lassen Sie uns über Ihre Zeit beim FC Barcelona sprechen. Sie gaben Ihr Bundesliga-Debüt beim VfL Fredenbeck, spielten anschließend acht Jahre beim TV Niederwürzbach, ehe es nach Spanien ging. Dabei hätten Sie Niederwürzbach eigentlich nie verlassen wollen.

Schwarzer: Ich hatte noch drei Jahre Vertrag in Niederwürzbach, wir hatten dort ein Haus gebaut und unser Sohn kam 1999 zur Welt. Plötzlich kam die Hiobsbotschaft, dass der an Land gezogene Sponsor nicht mehr zahlungsfähig sei. Dadurch ist das ganze Gebilde zusammengebrochen. Das kann sich heute keiner mehr vorstellen: Aber zu dieser Zeit spielte in Niederwürzbach das Who is Who des Welthandballs, beispielsweise Stefan Lövgren, Nedeljko Jovanovic oder Andrei Lavrov. Jedenfalls war kein Geld mehr da und der Klub am Ende. Aber wie es so ist, geht eine Tür zu, geht eine andere Tür auf. Ich erinnerte mich wieder an den Jugendtraum, mal in Spanien zu spielen. Deshalb hatte ich sogar in der Schule die Sprache gelernt. Und dann kam die Anfrage vom FC Barcelona.

SPOX: Aus dem beschaulichen Saarland in die Weltstadt Barcelona. Klingt nach einem Upgrade in Sachen Glamour.

Schwarzer: Das war sehr angenehm. Anstatt zwei Grad und Dauerregen hatten wir nun strahlend blauen Himmel und Sonnenschein. Und auch im Handball war es schon damals so in Barcelona, dass du quasi mit allem versorgt wurdest. Ich bin nicht mehr mit der Sporttasche ins Training gefahren, alles war schon da und wurde nach jeder Einheit für einen gewaschen. Das waren alles Annehmlichkeiten, die ich so nicht kannte. Es war für mich toll, Teil dieses großen Vereins zu sein, den Kontakt zu den Fußballern und den Basketballern zu haben. In Barcelona gibt es nicht Fußball, Basketball oder Handball - das ist einfach alles der FC Barcelona. Egal was gespielt wird, die Leute kommen und unterstützen ihren FC Barcelona.

SPOX: Wie dürfen wir uns den Kontakt zu den Fußballern vorstellen?

Schwarzer: Ab und zu sind wir sogar gemeinsam zu Auswärtsspielen geflogen, beispielsweise nach Gran Canaria. Luis Enrique habe ich öfters getroffen, weil dessen Sohn mit meinem Sohn in den gleichen Kinderhort ging. Ich traf den damals noch sehr jungen Carles Puyol, Xavi, Luis Figo und Pep Guardiola - das waren alles gute Typen. Ein etwas komisches Verhältnis gab es nur zu den Holländern, von denen damals acht oder neun Mann bei Barca spielten. Die bildeten ein wenig ein Grüppchen für sich.

SPOX: In Ihrem ersten Jahr in Barcelona spielten die Handballer die erfolgreichste Saison ihrer Geschichte und holten sieben Titel. Wie sah Ihre Rolle in dieser Startruppe aus?

Schwarzer: Ich hatte zwar bis dato noch nicht die ganz großen Titel gewonnen, war aber ein gestandener Nationalspieler. Ich wurde unfassbar gut in dieser Mannschaft aufgenommen. Spieler wie beispielsweise Tomas Svensson haben mir geholfen, auch was die Sprache anbelangt. Eingewöhnungsprobleme gab es nicht.

SPOX: Und die Fans haben Sie aufgrund Ihrer Spielweise schnell in ihr Herz geschlossen.

Schwarzer: Meine Art, mit höchstem körperlichen Einsatz zu spielen, kam gut an. Ich konnte mir recht schnell ein gutes Ansehen erarbeiten. Bei aller Bescheidenheit hatte ich schon den Eindruck, bei Fans und Mannschaft recht beliebt zu sein.

SPOX: Das zweite Jahr wurde allerdings mit drei Titeln zu einem "Misserfolg". Elf Spieler des FC Barcelona waren für die Nationalmannschaften im Einsatz, was sich aufgrund von Überbelastung und Verletzungen negativ auf den Verein auswirkte. Trainer Valero Rivera wollte Ihnen deshalb verbieten, für Deutschland zu spielen.

Schwarzer: Wir wurden Vizemeister hinter Ademar Leon und verloren das Champions-League-Endspiel gegen Portland San Antonio. Das hat dem Trainer überhaupt nicht gefallen und er wollte, dass die über 30-Jährigen - zu denen auch ich gehörte - sich zwischen den Olympischen Spielen und der Europameisterschaft entscheiden und nicht beide Turniere spielen. Das stand für mich überhaupt nicht zur Debatte, war aber nur ein Grund dafür, weshalb ich mich nach der zweiten Saison für einen Wechsel zum TBV Lemgo entschieden habe.

SPOX: Welche Gründe gab es außerdem?

Schwarzer: Das waren familiäre Gründe. Als wir nach Barcelona gingen, war unser Sohn vier Monate alt. Er und meine Eltern konnten in den ersten Jahren das typische Aufwachsen mit Oma und Opa gar nicht miterleben. Meine Eltern lebten in Hamburg und der Weg nach Barcelona war zu weit, da meine Mutter Flugangst hatte und mein Vater gesundheitlich angeschlagen war. Ich wollte, dass mein Sohn seine Großeltern und meine Eltern ihren Enkel regelmäßig sehen.

SPOX: Rivera ist ein äußerst ehrgeiziger Coach. Hatte er für Ihre Entscheidung Verständnis?

Schwarzer: Ich habe ihm erklärt, dass mir meine Familie und die Nationalmannschaft wichtiger als der FC Barcelona seien. Er hat das bedingt verstanden, würde ich mal sagen. Ich fand es einfach schade, dass er nicht in der Lage war zu differenzieren, nur weil mal in einer Saison nicht alles perfekt gelaufen ist. Man kann auch bei einem Klub wie dem FC Barcelona nicht davon ausgehen, in jedem Jahr alles zu gewinnen.

SPOX: Rivera ist der Mann, der seit 2013 als Trainer das umstrittene Handball-Projekt in Katar leitet. Wäre es für Sie jemals in Frage gekommen, für extrem viel Geld für eine andere Nationalmannschaft aufzulaufen?

Schwarzer: Ich bin mir zu 99,9 Prozent sicher, dass ich das niemals gemacht hätte. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, für eine Nationalmannschaft aufzulaufen, vor deren Spielen nicht die deutsche Hymne läuft. Dafür war ich zu stolz, für mein Land spielen zu dürfen. Für mich war das immer eine ganz besondere Ehre, im Nationaltrikot aufzulaufen. Da hätte es noch so viel Geld geben können.

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