EM-Nominierung für Daniel Stephan riskant: "Kann für Prokop zum Bumerang werden"

SID
Daniel Stephan auf einer Veranstaltung eines TV-Senders
© getty

Der frühere Welthandballer Daniel Stephan (44) schätzt die Kader-Nominierung von Bundestrainer Christian Prokop für die bevorstehende EM in Kroatien (12. bis 28. Januar) als riskant ein. Vor allem die Nicht-Berücksichtigung der beiden Europameister Finn Lemke und Fabian Wiede sieht er problematisch.

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"Wenn diese Entscheidungen nicht zum erhofften Erfolg führen, kann das natürlich für ihn zum Bumerang werden", sagte Stephan: "Viele verstehen diese Kaderplanung nicht so ganz."

Er sei "sehr überrascht von einigen Nichtnominierungen". Lemke sei schließlich "wesentlicher Bestandteil und der Motor der alles überragenden Abwehr des deutschen Teams", Rückraumspieler Wiede könne "auch mal von neuneinhalb Metern Tore erzielen", sagte Stephan. Vor allem das Fehlen von Abwehrchef Lemke würde einige Spieler im EM-Kader "wahrscheinlich schocken, andere verunsichern".

Mitspieler von Lemkes Nicht-Berücksichtigung geschockt

Die Nicht-Berücksichtigung von Finn Lemke, Abwehrchef und gewissermaßen Ober-Bad-Boy beim Titelgewinn vor zwei Jahren in Polen, sorgte bei weiten Teilen des Teams nach SID-Informationen für Fassungslosigkeit. Kaum einer hatte mit der Aussortierung Lemkes gerechnet, in der Kabine herrschte zum Abschluss der Vorbereitung trotz der überzeugenden Siege gegen Island minutenlang Totenstille.

Auch der frühere Weltmeister-Coach Heiner Brand war verblüfft. "Das ist eine sehr mutige Entscheidung", sagte der Gummersbacher, "aber er ist der Bundestrainer. Er hat das Recht, so zu entscheiden."

Prokop holt zwei Ex-Schützlinge statt Lemke und Wiede

Statt Lemke und Wiede nimmt Prokop den Rückraumspieler Maximilian Janke und Bastian Roscheck (beide SC DHfK Leipzig) als vierten Kreisläufer mit. Beide feierten erst am Wochenende ihr Länderspiel-Debüt.

"Es sieht schon irgendwie ein wenig komisch aus, dass Roscheck und Janke von seinem ehemaligen Verein Leipzig den Vorzug bekommen haben", sagte Stephan, "aber Prokop ist der Bundestrainer und er trägt die Verantwortung dafür. Wenn er der Meinung ist, mit diesem Team die besten Chancen zu haben, bei der EM eine Medaille zu holen, dann haben wir das zu akzeptieren."

Der Druck auf Prokop steigt

Prokop habe "seine eigene Philosophie und muss diese auch verfolgen, aber er geht mit diesen Entscheidungen natürlich ein ziemliches Risiko ein", sagte Stephan: "Der Druck wird damit nicht weniger, im Gegenteil. Aber wir sollten nun alle erstmal abwarten, wie die Leistungen und das Ergebnis bei der EM in Kroatien sind."

Der frühere Weltklasse-Spielmacher Stephan holte 2004 mit dem deutschen Team EM-Gold und gewann im selben Jahr Olympia-Silber. Er war dreimal Deutschlands Handballer des Jahres und Vize-Europameister 2002. 1998 erreichte er mit der Auswahl des Deutschen Handballbundes bei der EM den dritten Platz und wurde als Welthandballer ausgezeichnet.

Hanning verteidigt Prokop

Verbandsvize Bob Hanning verteidigte das Vorgehen Prokops. "Er hat sich für sein Spielsystem entschieden, was er mit der Mannschaft spielen will, und hat sich danach den Kader ausgesucht", sagte Hanning. Auf Expertenmeinungen lege er in dieser Frage "wirklich gar keinen Wert".

Hanning verwies auf die bis zu sechs Wechseloptionen im Laufe des Turniers: "Wer weiß, ob Finn Lemke im Traum-Halbfinale gegen eine der Top-Mannschaften wieder mit dabei ist. Ich finde, wir sollten jetzt erstmal abwarten, was passiert. Wir tun gut daran, dem Bundestrainer zu vertrauen und uns auf eine erfolgreiche Europameisterschaft zu freuen."

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