Überlebenskampf im Teufelskreis

Hat Handball in Hamburg noch eine Zukunft?
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Wer kann den HSV noch retten?

Der Verein steckt in einem Teufelskreis. Die Uhr tickt, um eine langfristige Lösung mit Substanz auszuarbeiten, fehlt die Zeit. Soll heißen: Das kurzfristige Überleben kann sehr wahrscheinlich nur einer sichern - nämlich Rudolph. Die Gespräche laufen, der Ex-Präsident soll mittlerweile wieder bereit sein, mit einer Finanzspritze zu helfen. Doch der HSV müsste einen gewaltigen Spagat wagen. Einerseits sind sich Liekefett & Co. der nahezu ausweglosen Situation bewusst und auf Rudolph angewiesen. Andererseits würde man die Zukunft gerne ohne den Big-Boss gestalten.

Das verbliebene Präsidium würde es anscheinend gerne sehen, wenn Andreas und Matthias Rudolph ihre nicht unerheblichen Anteile (alleine Matthias Rudolph besitzt 47,7 Prozent) an der GmbH & Co. KG zur kommenden Saison vollständig oder in Teilen überlassen oder verkaufen. Die Begründung: Behalten die Rudolphs ihren großen Einfluss, hält das einen anscheinend für die Zukunft interessierten Investorenkreis, mit dem sich der Verein womöglich auf breiteren Beinen aufstellen könnte, vom Einstieg ab.

Aber warum sollte Rudolph Geld geben und dann auf alle Ansprüche verzichten? "Ich lese, dass ich Geld geben soll, aber dann will der Verein nichts mehr mit mir zu tun haben. Wer würde das machen?", wurde Andreas Rudolph kürzlich von der "Bild" zitiert. Der HSV ist also gezwungen, Kompromisse einzugehen. Zumal Rudolph selbst angeblich Bedingungen stellt. Spieler und Trainer sollen demnach auf ein Monatsgehalt komplett verzichten, was voraussichtlich von der Mannschaft akzeptiert wird, die Gläubiger zumindest vorerst zurückstecken.

Kleine Hilfsaktionen, die allerdings nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein sind, laufen oder wurden angeboten. So haben die HSV-Fans rund 20.000 Euro gesammelt, Erzrivale Kiel will sich zu einem Benefizspiel bereitstellen. "Natürlich helfen wir gerne, wenn wir helfen können. Hier geht es nicht um die Rivalität zwischen zwei Klubs, hier geht es um das Wohl des gesamten deutschen Handballs", meinte THW-Geschäftsführer Klaus Elwardt in der "Sport Bild". In der Tat: Würde der amtierende Champions-League-Sieger pleite gehen, wäre der Imageschaden für den deutschen Handball nicht zu verachten.

Welche Auswirkungen hat das Chaos auf andere Vereine?

Ob im Rennen um die Champions-League-Plätze, die EHF-Cup-Ränge oder den Abstiegskampf: Sollte Hamburg die Lizenz endgültig verweigert werden, wirbelt das einiges durcheinander. Am leichtesten für klare Verhältnisse kann für sich die SG Flensburg-Handewitt mit einem Sieg am letzten Spieltag in Eisenach sorgen. Sollte dies aber misslingen und Hamburg noch an Flensburg vorbei auf Platz drei klettern, wird es kompliziert. Der Tabellendritte darf nämlich einen Antrag auf einen Startplatz in der Königsklasse stellen. Wird Flensburg nur Vierter, wüsste der Klub so lange nicht, was mit dem HSV geschehen wird, dass es zeitlich wahrscheinlich nicht mehr möglich wäre, den Antrag zu stellen.

Startet Hamburg als Vierter nicht im EHF-Cup, würde der Sechste nachrücken. Am schwierigsten ist die Lage aber für Balingen-Weilstetten. Die Süddeutschen steigen wohl sportlich ab, könnten aber drin bleiben, wenn Hamburg keine Lizenz erhält. Wer denkt, die Balinger wären froh über diesen Hoffnungsschimmer, täuscht sich. "Wir hängen von einem Verein ab, der völlig über seinen Verhältnissen lebt und sicher nicht vernünftig wirtschaftet, denn sonst gebe es solche Probleme nicht", meinte HBW-Geschäftsführer Bernd Karrer, der zweigleisig planen muss, gegenüber "Sport1".

Was passiert mit den Spielern und dem Trainer?

Wohl jeder Spieler des HSV sieht sich derzeit nach Alternativen um. Selbst gültige Verträge könnten schließlich bald relativ wertlos sein. In naher Zukunft gibt es in Hamburg wahrscheinlich kein großes Geld mehr zu verdienen. Besonders bitter ist die Situation für Joan Canellas. 2013 erst vom Pleite-Klub Atletico Madrid gekommen, ist der Spanier nun wieder in einer ähnlichen Situation. Immerhin: Veszprem bestätigte, dass Interesse an ihm und an seinem Teamkollegen Andreas Nilsson besteht.

Auch bei Trainer Martin Schwalb ist die Zukunft ungewiss - selbst wenn es in Hamburg weitergehen sollte. Behält nämlich Rudolph seinen Einfluss, dann könnte der Coach eventuell trotzdem gehen müssen. Er soll beim Ex-Präsidenten nämlich seit einiger Zeit unten durch sein.

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