"Handball kann sich an der NBA orientieren"

Von Interview: Florian Regelmann
Heiner Brand ist seit Juli 2011 als Manager des Deutschen-Handball-Bundes (DHB) tätig
© Getty

DHB-Manager Heiner Brand erklärt im SPOX-Interview, warum die NBA ein Vorbild sein kann, was er im Vergleich zu seiner Bundestrainer-Zeit am meisten vermisst, wie die Eliteförderung funktioniert und warum er sich mehr Mut à la Louis van Gaal wünscht.

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SPOX: Herr Brand, Sie sind in diesem Jahr 60 geworden. Eigentlich dachte man, dass nach dem Ende Ihrer Bundestrainer-Tätigkeit im neuen Job als DHB-Manager etwas mehr Ruhe einkehren sollte. Aber ist das denn überhaupt der Fall?

Heiner Brand: Ich hatte schon die Hoffnung damit verbunden, dass es weniger werden würde, aber tatsächlich bin ich mehr unterwegs als vorher. Dazu kommt viel Zeit, die ich am Schreibtisch verbringe. Aber es ist besser, als nichts zu tun zu haben. Ich will mich nicht beklagen.

SPOX: Sie vielleicht nicht, Ihre Frau aber vielleicht schon?

Brand: Meine Frau hat mir schon mal eröffnet, dass sie sich das ein bisschen anders vorgestellt hatte. Aber auf der anderen Seite kennt sie mich auch. Wenn ich eine Aufgabe übernehme, dann versuche ich auch, diese bestmöglich auszufüllen. Das weiß sie. Es passt schon. (lacht)

SPOX: Was ist der größte Unterschied zwischen Ihrer neuen Arbeit und dem Bundestrainer-Posten? Vermissen Sie etwas?

Brand: Was ein wenig fehlt, ist sicherlich die Zusammenarbeit mit jungen Leuten. Ich bekomme sie zwar bei Lehrgängen mal zu sehen, aber ich stehe nicht mehr mit ihnen in der Trainingshalle. Auch wenn es nur aus der Beobachter-Rolle heraus ist, hat man als Trainer immer großen Spaß daran, zuzuschauen, was die Jungs so veranstalten. Da sind ja auch manchmal ein paar verrückte Kerle dabei, da sind viele Emotionen dabei - das fehlt mir ein bisschen.

SPOX: Das klingt wehmütig. Gibt es eine Chance auf Rückkehr?

Brand: Ich habe mit dem Kapitel Trainer sehr gut abgeschlossen. Ich hatte es ja lange geplant und habe genug Abstand gewonnen, ich sehne mich nicht nach der Bank zurück. Man soll zwar niemals nie sagen, aber im Normalfall wird es auch keine Rückkehr mehr geben.

SPOX: Für Ihren Nachfolger Martin Heuberger steht mit dem DHB-Team im Januar die WM in Spanien auf dem Programm. Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis Deutschland wieder realistisch um eine Medaille mitspielt?

Brand: Das kann ganz schnell gehen, muss es aber nicht. Wir haben es bei der EM in Serbien wieder gesehen, wie leicht man in Richtung Medaillen kommen kann, wie es aber genauso schnell in die andere Richtung geht. Eine Schwächephase kann schon fürs Ausscheiden reichen, so eng ist alles zusammen. Hinter den Franzosen, bei denen wir im Übrigen auch abwarten müssen, wie es weitergeht, ist kein Gegner unschlagbar für uns. Ob das Dänemark, Kroatien oder Spanien ist. Wenn es uns mal gelingt, ein paar Fehler weniger zu machen, sind wir ganz schnell vorne dabei. Generell muss es unser Anspruch sein, kontinuierlich zu den Top 5, Top 6 der Welt zu gehören. Da gehören wir hin und das muss als großer Verband auch unsere Zielsetzung sein.

SPOX: Ein Punkt, der dabei helfen soll, ist die Eliteförderung. Erklären Sie bitte einmal die Idee, die dahinter steckt?

Brand: Wir haben uns immer beklagt, dass zu wenige junge deutsche Spieler in die Liga kommen und dadurch auch gar nicht oder zu spät in der Nationalmannschaft präsent sind. Jetzt versuchen wir alles, was von unserer Seite aus möglich ist, hinzuzufügen, um die Nachwuchsarbeit mit den Top-Talenten zu verbessern. Wir haben ja kein Nachwuchsproblem an sich, das muss man immer wieder festhalten. Wir haben ein Problem der Anschlussförderung. Wir vom DHB können das zwar nicht beheben, das können nur die Vereine, aber wir können versuchen, die Chancen der Talente zu erhöhen, indem wir noch besser mit ihnen arbeiten.

SPOX: Wie sieht die Arbeit mit dem Elitekader konkret aus?

Brand: Wir haben aktuell 17 Spieler der Jahrgänge 1992-1996, die dieser besonderen Förderung unterliegen. Das System ist aber offen. Wenn sich ein Spieler nicht dementsprechend entwickelt, kann er aus dem Kader genommen werden. Gleichzeitig gibt es auch die Möglichkeit für andere dort rein zu kommen. Wolfgang Sommerfeld, der frühere Assistent von Martin Heuberger bei den Junioren und selbst ehemaliger Lehrer, fungiert dabei als Mentor. Wir wollen es den jungen Spielern erleichtern, Spitzenleistungen zu bringen. Sie sollen optimales Training erhalten, sie sollen aber auch die Schule bzw. die Ausbildung schaffen. Wir setzen da voll auf die duale Karriere.

SPOX: Das geht aber nicht ohne Kooperationen.

Brand: Richtig. Wir besuchen zum Beispiel Schulen und sprechen mit den Klassenlehrern oder Direktoren. Wie können wir es gewährleisten, dass der Spieler zumindest zweimal wöchentlich vormittags trainieren kann? Sind Nachhilfestunden notwendig? Was ist mit Fehlzeiten bei Lehrgängen oder Quali-Spielen? Das sind Themen, die wir zu lösen versuchen. Häufig besteht bei talentierten Spielern die Gefahr, dass sie überfordert werden und dass das Training zu kurz kommt. Wir wollen dafür sorgen, dass das eben nicht passiert. Dass sie zudem nicht nur eine sportliche, sondern auch berufliche Ausbildung bekommen. Und dass ihnen Werte übermittelt werden, was in unserer heutigen Zeit auch oft zu kurz kommt.

Teil 2: Brand über deutsche Talente, Louis van Gaal als Vorbild sowie den Wettskandal

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