Kaymer: "In Ruhe Erdbeeren pflücken"

Von Florian Regelmann
Martin Kaymer landete bei der US Open auf Rang 59
© getty

Vor dem Start der BMW International Open in München-Eichenried hat Martin Kaymer bei einem sehr persönlichen Pressegespräch seine Sehnsucht nach Europa erklärt und einen ungewohnt offenen Einblick in sein Seelenleben gegeben.

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"Abends nach Hause kommen und im eigenen Bett schlafen. Bastian Schweinsteiger, Mario Gomez, Thomas Müller, Manuel Neuer - sie können das. Ich nicht. Ich beneide sie." Martin Kaymer ist nun wirklich nicht unzufrieden mit seinem Leben als Golfprofi ("Ich liebe Golf!"), aber es war ihm ein Bedürfnis, mal einen Einblick zu geben und zu erklären, dass es auch Schattenseiten gibt.

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Besonders mit dem dauerhaften Leben in den USA hat Kaymer, der vier Monate nicht mehr in Deutschland war, so seine Probleme. Und er untermalte dies mit einem eindrücklichen Beispiel. Was er an diesem Tag noch vorhabe?

Weihnachten diesmal in Deutschland

"Einfach mal in Ruhe Erdbeeren pflücken." Später dann vielleicht noch 9 Loch mit seinem Bruder Philip, irgendwo um München. "Das mag sich komisch anhören, aber ich sehne mich nach den ganz normalen Dingen, die wir in Europa haben. Den Geruch gewaschener Wäsche. Gutes Brot. Ein guter Cappuccino. Es ist nicht immer so einfach, wenn du vier, fünf Monate nicht zuhause bist. Es sind die Kleinigkeiten, die man vermisst", erklärte Kaymer.

Eine erste Konsequenz hat der Deutsche gezogen. Nach vielen Jahren, in denen er Weihnachten alleine in Arizona verbrachte, will er diesmal die Feiertage bei der Familie sein. "Bei der Familie sein, eine Gans essen. Ich will die Sachen machen, die man als Deutscher eben so macht. Golf kann nicht alles sein."

Kaymer steht weiter zu seiner Entscheidung, die Karte für die US PGA Tour angenommen zu haben. Er freut sich, zum ersten Mal den FedEx Cup spielen zu dürfen. Aber er machte auch klar, dass die Kulturunterschiede es nicht immer leicht machen.

Körper und Herz folgen

Tiefgreifende Gespräche sind auf der US Tour auch eher selten möglich. "Wenn man bei einem Turnier ist und wäre eigentlich lieber zuhause, ist es nicht ganz einfach", so Kaymer, der in Zukunft "seinem Körper und seinem Herz folgen" will.

Seit er Ende Februar 2011 die Nummer eins der Welt wurde, hat der 28-Jährige mit dem entscheidenden Putt zum Ryder-Cup-Triumph ein unfassbares Hoch, aber auch so einige Tiefen erlebt.

In der Weltrangliste ist er so auf Platz 35 zurückgefallen. Zwar gewann er Ende 2012 die Nedbank Challenge in Südafrika und startete mit zwei Top-10-Resultaten in Abu Dhabi und Katar sehr ordentlich in die Saison, aber es folgten immer wieder Rückschläge.

"Es wird wieder funktionieren"

Kaymer weiß selbst am besten, dass er damit nicht zufrieden sein kann, auch wenn er sagt, dass "Krise ein hartes Wort" sei. Es ist aber zweifellos nicht sein eigener Anspruch, um Platz 60 zu spielen wie jetzt bei der US Open.

"Ich sehe es doch selbst genauso. Ich bin doch selbst am ungeduldigsten und setze mich am meisten unter Druck. Es wird wieder funktionieren. Es gibt keine andere Option. Ich war vor zwei Jahren der beste Spieler der Welt, es muss gehen", sagte Kaymer, dem aktuell die letzte Freiheit im Schwung fehlt.

Kaymer erzählte auch von Tiefpunkten, die er im letzten Jahr erlebte. Wie er "als schwaches Glied" zum Ryder Cup kam. Wie er in Portugal im Oktober nach der Hälfte seiner zweiten Runde so down war, dass er am liebsten sofort vom Platz gelaufen wäre.

"Ich kann niemanden umhauen"

"Es ist hart, wenn du tust und machst, und dann kommen keine Resultate dabei heraus. Einmal dachte ich mir: 'Wenn das so ist, kann ich auch gar nicht trainieren. Es macht ja eh keinen Unterschied.'"

Eine weitere schwierige Situation kam vor dem Masters in diesem Jahr. "Ich habe überhaupt nichts getroffen. Eine 85 wäre noch gut, so dachte ich. Aber dann habe ich richtig gutes Golf gespielt in Augusta, nur das Putten hat wie die Jahre zuvor auch überhaupt nicht funktioniert", meinte Kaymer.

Auch mit dem Frustabbau habe man es als Golfer nicht so leicht wie in anderen Sportarten, führte Kaymer aus. "Ich kann ja niemanden umhauen. Ich kann ja nicht meinen Caddie umhauen."

Es gibt für Deutschlands Nummer eins nur eine Devise: Seinen Weg mit seinem Inner Circle bestehend aus Coach Günter Kessler, Manager Johan Elliot und Bruder Philip weitergehen, und akzeptieren, dass ein gewisses Auf und Ab in einer Karriere völlig normal ist.

Kein Mental-Coach für Kaymer

Einen Mental-Coach lehnt Kaymer strikt ab: "Das brauche ich nicht, ich will mich nicht auf die Couch setzen. Wenn man sich selbst vertraut, dann braucht man keine Hilfe, auch wenn das vielleicht etwas länger dauert. Ich bin dabei, das zu durchleben. Ich habe Spieler gesehen, die mit Leuten gearbeitet haben. Einer stand auf der Range und konnte nicht mal den Schläger mehr zurücknehmen, weil er so viele Gedanken im Kopf hatte."

In der letzten Woche spielte Kaymer die Löcher 5-7 im Merion Golf Club an den letzten drei Tagen in 13 über Par. So wahnsinnig schlecht war seine Leistung abgesehen davon gar nicht, so weit weg ist er nicht, das darf man nicht vergessen.

So ist es auch trotz allem Krisengerede absolut denkbar, dass Kaymer am Sonntag als Sieger der BMW International Open dasteht und den Pokal in die Höhe reckt.

"Das ist das einzige Turnier in Deutschland. Ich freue mich riesig. Ich bin gut vorbereitet, mal schauen, wo ich lande. Es gibt keinen Grund, nicht gut zu spielen", machte Kaymer eine deutliche Ansage.

Der Stand in der Weltrangliste