"Ich sehe mich nicht als Streber"

Von Interview: Marco Kieferl
Frank Kramer führte die Kleeblätter in dieser Saison auf einen Aufstiegsplatz
© getty

Mit Greuther Fürth steckt Frank Kramer mittendrin im Aufstiegskampf, dabei übernahm er die SpVgg in fast aussichtsloser Position. Im Interview spricht der 41-Jährige über die DFB-Trainerausbildung, seine Zeit als Interims- und Nachwuchstrainer bei 1899 Hoffenheim und einen zweifelhaften Ruf.

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SPOX: Herr Kramer, Sie haben vor einem Jahr den Fußballlehrerlehrgang beim DFB als Jahrgangsbester absolviert und sind noch am Tag Ihrer mündlichen Prüfung zur Vorstellung nach Fürth gereist. Wie viel Streber steckt in Ihnen?

Frank Kramer: Ich sehe mich nicht als Streber. So will ja niemand genannt werden - gerade im Schulwesen, aus dem ich komme (lacht). Ich bin einfach neugierig, ehrgeizig und interessiert an dem, was ich tue. Natürlich freue ich mich und bin stolz, Jahrgangsbester gewesen zu sein, aber es gab dort viele richtig gute Trainer, dass ich mich aufgrund der Note niemals über die Kollegen stellen würde.

SPOX: Wollten Sie schon immer Trainer werden?

Kramer: Nein, das hat sich eigentlich alles so ergeben. Als ehemaliger Defensivspieler in der 3. Liga war mein Name ja nicht gerade die Eintrittskarte ins Bundesligageschäft. Ich denke, man tut gut daran, sich im Leben nicht immer total festgesetzte Ziele zu stecken. Ich versuche im Hier und Jetzt die bestmögliche Arbeit abzuliefern und mir selbst treu zu bleiben.

SPOX: Wie läuft dieser Lehrgang eigentlich von der Atmosphäre her ab?

Kramer: Es geht zu wie in der Schule, wenn auch im Umgang etwas lockerer. Aber es haben alle zu festgesetzten Stunden Unterricht. Bei den Inhalten und deren Umsetzung ist man selbst mehr gefordert. Es fällt aber auch leicht, sich selbst einzubringen. Jeder Trainer hat ja seinen eigenen Stil. Den gilt es, kritisch zu hinterfragen und durch neue Ansätze immer weiter zu bereichern. Es sind eine Vielzahl von klasse Ideen zu Tage gefördert worden, sowohl von den Teilnehmern als auch von den Ausbildern.

SPOX: Der Lehrgang fiel genau in Ihre Amtszeit als Trainer der Hoffenheimer U 23. Wie sind Sie mit dieser Doppelbelastung umgegangen?

Kramer: Das verlangt einem schon alles ab. Man steht in der Verantwortung, ständig die tägliche Trainingsarbeit und die Spielvor- und Nachbereitung auf dem Schirm zu haben. Da hat vor allem auch die Familie darunter leiden müssen, weil nur noch wenig Zeit übrig blieb.

SPOX: Inwiefern hat auch die U 23 darunter gelitten?

Kramer: Nicht sehr, weil es dank der perfekten Unterstützung des Vereins möglich war, alles zu organisieren. Es war essentiell, die Trainingsabläufe mit der Mannschaft und vor allem den Co-Trainern sehr fein abzustimmen. Wir waren am Ende trotzdem erfolgreich und hatten viele gute Jungs dabei. Ich freue mich gerade jetzt noch für Hoffenheim und meine ehemaligen Jungs, dass sie nun die Früchte ihrer Philosophie ernten können.

SPOX: Ende 2012 wurde Markus Babbel als Trainer der TSG entlassen. Sie sind daraufhin für zwei Spiele als Interimstrainer eingesprungen. Wie lange haben Sie überlegt, ehe Sie diesen Posten annahmen?

Kramer: Der Verein hat mir in einem kurzen Gespräch die Situation geschildert. Es war von Anfang an klar, dass sich meine Interimszeit auf die beiden Spiele vor der Winterpause beschränken würde, was absolut Sinn gemacht hat. Ich habe dann kurz für mich überlegt, wusste aber gleich, dass ich als Angestellter des Vereins diesen zu leben und zu unterstützen habe, wenn die Verantwortlichen der Meinung sind, dass ich in so einer Situation helfen kann. Ich dachte mir: Mach einfach das Beste daraus.

SPOX: Hoffenheim stand zu diesem Zeitpunkt auf dem Relegationsplatz. Wie kann man sich die Drucksituation bei einer Mannschaft im Abstiegskampf vorstellen?

Kramer: Wir mussten unter großem externem Druckfunktionieren und hatten für die Spielvorbereitung sehr wenig Zeit. Das war die größte Herausforderung. Taktische oder technische Dinge, die für die Spieler eigentlich selbstverständlich sind, werden in einer solchen Situation plötzlich angezweifelt. Man zweifelt an seinem eigenen Können.

SPOX: Wie schafft man es, dies in solch kurzer Zeit abzustellen?

Kramer: Man versucht, ganz konkrete und nicht verkomplizierte Aufgaben zu stellen. Es hilft auch, im Training kleinere Erfolgserlebnisse sozusagen nachzustellen. Die Spieler müssen spüren, dass es funktionieren kann. Die Mannschaft als Ganzes muss zudem versuchen, das Drumherum einfach auszublenden.Trotz dieser Bemühungen holten wir leider keinen Punkt.

SPOX: In Fürth übernahmen Sie im März 2013 das Erbe von Mike Büskens. Erneut steckte Ihr Verein tief im Schlamassel. Wie lange standen Sie damals bereits mit Ihrem Ex-Verein in Kontakt?

Kramer: Fürth war ein direkter Konkurrent im Abstiegskampf. Da ist es ja eine Selbstverständlichkeit, dass man vor so einem Spiel nicht verhandelt. Die Situation änderte sich nach der Partie zwischen Hoffenheim und Fürth: Die wurde von der TSG mit 3:0 gewonnen und es hatte den Anschein, dass Hoffenheim die Kurve kriegen könnte. Für Fürth sah es dagegen nicht sehr rosig aus. Da konnte ich dann schon einmal mit den dortigen Verantwortlichen über meine Person sprechen. Es haben sich in der Folge alle sehr fair verhalten und ich bin der TSG sehr dankbar, dass sie mir diese Chance in Fürth ermöglicht hat.

SPOX: Bei Ihrem Amtsbeginn hatte die Spielvereinigung sechs Punkte Rückstand zum rettenden Ufer. Welche Rolle spielte die Möglichkeit, gleich zu Beginn Ihrer Trainerkarriere einen Abstieg in der Vita stehen zu haben?

Kramer: Keine. Ich nehme mich nicht so wichtig und bin auf keinen Fall eitel. In Fürth kannte ich das Umfeld sehr gut und konnte die Perspektiven besser einschätzen, unabhängig von einem möglichen Abstieg. Ich funke mit den Verantwortlichen auf einer Wellenlänge. Darüber freue ich mich viel mehr, als dass ich mich über den Abstieg ärgere. Ich habe doch Glück: Ich stehe jeden Tag auf und darf einem hochinteressanten Job nachgehen.

SPOX: Trotz der aktuell aussichtsreichen Platzierung herrscht in Fürth kein akuter Aufstiegszwang. Wie wichtig sind in diesem Zusammenhang die Faktoren Vertrauen und Zeit für Sie als Trainer?

Kramer: Das ist ganz entscheidend. Es ist aber vor allem auch für die jungen Spieler sehr wichtig zu wissen, dass man ihnen das Vertrauen schenkt. Wenn bei ihnen etwas schief geht, stehen wir gemeinsam wieder auf. Als Trainer und Spieler brauche ich aber ein Höchstmaß an Ungeduld. Das treibt einen an, immer wieder an sich selbst zu arbeiten. Zu viel Gelassenheit hilft nicht. Fehler müssen einen auffressen, damit man sofort alles dafür tut, um sie das nächste Mal zu vermeiden.

SPOX: Der Novovirus ließ sich dagegen nicht vermeiden. Vor dem Spiel in Köln litten ein Großteil der Mannschaft und Sie darunter, das Spiel musste beinahe abgesagt werden. Dennoch gelang ein Remis. Ihre Erklärung?

Kramer: Ich bewerte diese Leistung sehr hoch, selbst wenn im Vorfeld andere Umstände geherrscht hätten. Ein Unentschieden in Köln ist immer ein Erfolg. Während des Spiels merkten wir eigentlich gar nichts davon. Bei unserer Laufleistung fühlt sich ein Spieler in der Endphase einer Partie wohl immer ein kleines bisschen krank (lacht). Wir haben an diesem Tag einen enormen Willen gezeigt.

SPOX: Wie haben Sie sich persönlich an der Seitenlinie gefühlt?

Kramer: Ich bin während der 90 Minuten so voller Adrenalin, dass ich keinen Millimeter rechts und links vom Spiel denke. Aber nach dem Spiel war ich - trotz des Punktgewinns - ehrlich gesagt dann doch ein bisschen platt.

Frank Kramer im Steckbrief

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