Barca-Ultras im Protest: Das Problem ist nicht Frankfurt

Beim FC Barcelona hat die Fan-Invasion von Eintracht Frankfurt in der Europa League viel Wut und Proteste ausgelöst.
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Beim FC Barcelona hat die Fan-Invasion von Eintracht Frankfurt in der Europa League viel Wut und Proteste ausgelöst. Doch die 30.000 Frankfurter sind nicht der Auslöser für die Rücktrittsforderungen an den Präsidenten Joan Laporta. Sie sind die Spitze einer langen Entwicklung zum Touristenklub.

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Böse Zungen würden sagen, dass man es am Montag dem Camp Nou nicht angemerkt hat, dass beim Heimspiel des FC Barcelona gegen den FC Cadiz die aktive Fanszene den Support eingestellt hat. Keine Stimmung kennt man halt nur zu gut aus Barcelona.

Wobei man beim 0:1 Barcas dann merkte, dass auch weniger als "keine Stimmung" möglich sein kann. Nicht nur, dass viele Ränge im kolossalen Barca-Stadion leerblieben und man einen optischen Eindruck hatte, es war tatsächlich auch gespenstischer als sonst. Man ist geneigt zu sagen, noch mehr als zu Corona-Zeiten, als die Stadien lange leerbleiben mussten.

Diverse Fangruppen hatten im Vorfeld angekündigt, der Veranstaltung gegen Cadiz fernzubleiben. Aus Protest gegen die Invasion der Anhänger von Eintracht Frankfurt beim Europa-League-Spiel am Donnerstag, das die Gäste mit 3:2 gewannen.

"Letzten Donnerstag haben wir einen Tag erlebt, der immer als die größte Schande bezeichnet werden wird, die in unserem Stadion passiert ist und uns zu steinernen Gästen auf der Party eines anderen gemacht hat", hieß es weiter. Das Geschehene sei eine "soziale Erniedrigung" gewesen, ließ die Ultra-Gruppe Grada d'Animació mitteilen.

FC Barcelona: Die Frankfurter Invasion war eine Demütigung

Als "Demütigung" bezeichnete die Gruppe Nostra Ensenya, was die komplett in weiß gekleideten Gästefans veranstalteten. Aus der Sicht einer Ultra-Gruppierung ist es tatsächlich eine der größten Demütigungen, die Kontrolle über das eigene Stadion zu verlieren. Die Enttäuschung war so groß, dass noch während der laufenden Partie viele Fans das Stadion aus Wut verließen.

Der Protest war zum einen der Beweis, dass es beim FC Barcelona durchaus noch so etwas wie eine Fankultur gibt und diese Kultur auch eine Stimme hat. Der FC Barcelona verortete seine Mitte in den letzten Jahren in die weite Welt hinaus. Man wollte den Fan in Südostasien, in den USA, in Indien erreichen. Und sie auch, insofern sie zahlungsfähig sind, gerne im Stadion willkommen heißen.

Das Camp Nou ist immer mehr zu einer Touristenattraktion verkommen. Es gibt eigens gegründete Agenturen weltweit, die Reisen zur Wirkungsstätte des FC Barcelona organisieren. Samt Führung und Spieltagtickets, versteht sich. Gerade in den wichtigen Spielen, wenn Barcelona im Clasico auf Real Madrid trifft oder in der Champions League antritt, klingelt die Kasse dank vieler internationaler Fans besonders laut.

Was jedoch nicht bedeutet, dass Barcelona keine lokale Anhängerschaft hat. Und genau ihr ist diese Entwicklung schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Das, was gegen Frankfurt nun geschah, war nur die Spitze des Eisbergs. Für viele gewöhnliche Anhänger wird es immer schwieriger, an normale Tickets heranzukommen, um ihre Mannschaft zu unterstützen.

Joan Laporta verbannte die Boixos Nois aus dem Stadion

Viel zu lukrativ ist das Geschäft, das Erlebnis Barca im Ausland zu verkaufen. Und das hat seinen Preis. Da braucht es keine Störfeuer wie wenig zahlende Heimfans oder gar aggressive Ultras. Lieber Euros als Pyros.

Eine Entwicklung, die auch Barca-Präsident Joan Laporta angetrieben hat. Und gerade der aktuelle Barca-Boss muss sich nun an Zeiten erinnern, die längst vergessen schienen, ihm aber nun sicherlich wieder einige Kopfschmerzen bereiten werden. Denn Laporta war es in seiner ersten Präsidentschaft, der wohl die bekannteste Ultra-Gruppierung des FC Barcelona, die Boixos Nois, aus dem Camp Nou verbannte.

Die verrückten Jungs, wie sie zu Deutsch heißen, wurden 1981 als linksorientierte Fangruppe gegründet. Mit der Zeit wurden sie aber von der rechten Szene unterwandert und wurden auch getrieben durch den einen oder anderen Barca-Präsidenten zu einer Macht. Eine Macht, in der auch Gewalt, Drogen und sogar Morde eine Rolle spielten.

Boixos Nois sangen Nazi-Lieder, trugen ihre kranke Gesinnung im Stadion recht offen zur Schau - durch Gesänge, Plakate oder Gestiken. Als Laporta 2003 gegen Lluis Bassat zum Wahlkampf antrat, wurde er von den Boixos Nois unterstützt. Nicht, weil sie Laporta so toll fanden, sondern weil Bassat ein Jude war. Sie wollten keinen Juden als Präsidenten und nahmen den Nicht-Juden. Bassat wurde wiederholt antisemitisch beleidigt, bei Wahlkampf-Terminen kam es zu Vorfällen.

Der FC Barcelona wurde zum Disneyland des Fußballs

Eine der ersten und richtigen Amtshandlungen Laportas war es, die Gruppe aus dem Stadion zu verbannen und sämtliche Zugeständnisse, die ihnen Laportas Vorgänger gewährten, zurückzunehmen. Die Boixos Nois waren so stark, dass sie im Camp Nou eine eigene Räumlichkeit hatten. Mit Laporta, der damals Morddrohungen nach der Verbannung bekam, war alles weg.

Dass er es dann war, der die Internationalisierung des Klubs vorantrieb und aus Barca eine weltweite Entertainment-Marke machte, machte Laporta zur unerwünschten Person unter den hartgesottenen Barca-Anhängern, die sich von Stars, Spotify und Superleague nicht beeinflussen lassen. Und das nicht nur von den Boixos Nois, sondern von allen, die Barca nicht nur in den Ferien im Herzen tragen, sondern schon immer.

Dass nun viele Ultra-Gruppen den Rücktritt von Laporta fordern, hat also nicht nur etwas mit dem Frankfurt-Spiel zu tun. Für sie ist dieses Spiel nur der Beweis, wohin diese Politik, zum Disneyland des Fußballs zu werden, geführt hat.

Es ist auch kein Geheimnis, dass viele Mitglieder der Boixos Nois andere Ultra-Gruppen unterwandert haben und dort gezielt für Stimmung sorgen. Einst war es auch einer aus ihrer Mitte, der dem zu Real Madrid gewechselten Luis Figo einen abgetrennten Schweinekopf vor die Füße warf. Nun erinnert sich Laporta an die Geister, die er rief.

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