"Willkommen in der Hölle!" Wenn aus Fan-Liebe Hass wird

Von Christian Guinin
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In der Geschichte des Fußballs kommt es immer wieder vor, dass einstige Helden von Klubs und Fans durch Vereinswechsel in Ungnade fallen und plötzlich zum Hassobjekt einer ganzen Anhänger-Szene werden. Wir blicken auf einige dieser gefallenen Helden.

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Wenn Paris Saint-Germain am Dienstag beim AC Milan gastiert, dann könnte es für den Keeper des französischen Meisters ein ganz besonders ungemütlicher Abend werden - und das schon, bevor sich Olivier Giroud, Christian Pulisic & Co. anschicken, das Gästetor zu treffen. Auch zwei Jahre nach seinem Wechsel zu PSG haben Teile der Anhängerschaft der Rossoneri Gianluigi Donnarumma noch nicht verziehen.

In den vergangenen Tagen veröffentlichte die Curva Sud, eine Ultragruppierung Milans, auf den sozialen Kanälen Bilder mit einigen Kisten. Laut dem Corriere della Sera sollen sich darin Trikots mit der Nummer 71 befinden. Die 71 steht laut einer abergläubischen Zahlendeutung aus Neapel für einen Mann ohne Werte. Donnarummas Familie stammt aus der Region um Neapel.

Darüber hinaus soll auch geplant sein, gefälschte Geldscheine auf den Rasen zu werfen. Eine Geste, die an die "Dollarrumma"-Schmähungen erinnert, mit denen der Ausnahmetorhüter bereits vor seinem Wechsel bei einem Spiel der U21-Nationalmannschaft bedacht worden war.

Gianluigi Donnarumma, der als 14-Jähriger zur AC Milan kam und mit 16 Stammtorhüter bei den Profis wurde und mit 22 Jahren Richtung Paris weiterzog, ist nicht der erste Profi, dem bei einer Rückkehr an alte Wirkungsstätte blanker Hass entgegenschlägt. Er wird auch nicht der letzte sein. Wir blicken auf eine Reihe bekannter und weniger bekannter, neuer und weniger neuer Fälle ähnlicher Art zurück.

Bayern, Gladbach
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Lothar Matthäus

  • Wechsel von Borussia Mönchengladbach zum FC Bayern München 1984

Der heutige Sky-Experte ist in Deutschland wohl das erste Opfer eines überschwänglichen Fan-Hasses nach einem Vereinswechsel. Im Sommer 1984 verließ Matthäus Borussia Mönchengladbach und schloss sich dem damals größten Rivalen Bayern München an.

Als wäre das in Augen vieler Gladbacher nicht schon schlimm genug, trafen beide Teams kurz vor Saisonende 83/84 im Finale des DFB-Pokals aufeinander, wobei der Wechsel des Mittelfeldspielers zu diesem Zeitpunkt schon feststand. Im Elfmeterschießen trat Matthäus dann gegen seinen künftigen Arbeitgeber an und - wie sollte es auch anders sein - schoss die Kugel halbrechts über den Kasten von Jean-Marie Pfaff. Weil anschließend auf beiden Seiten noch Klaus Augenthaler und Norbert Ringels vergaben, siegten die Bayern mit 7:6 n.E.

Die späteren Anfeindungen der Gladbacher Fans musste Matthäus über sich ergehen lassen, betonte später aber, seinen Wechsel auch im Nachhinein nicht zu bereuen: "Die Borussen-Fans waren jahrelang gegen mich - doch meine Entscheidung für München war goldrichtig."

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Andreas Möller

  • Wechsel von Borussia Dortmund zum FC Schalke 04 2000

Im Jahr 2000 schockte der Wechsel von Andreas Möller zum FC Schalke 04 die gesamte Bundesliga. Denn dieser war um die Jahrtausendwende nicht nur irgendein Spieler, sondern nicht weniger als einer der besten deutschen Mittelfeldspieler seiner Zeit. Als Weltmeister, Europameister, Champions-League-Sieger und Weltpokalgewinner war er als Spielmacher zudem das Gesicht des BVB, was ihn rund 40 Kilometer westlich, in Gelsenkirchen, zur Reizfigur machte. Unter den Anhängern der Königsblauen war er nur als "Heulsuse", "Weichei" und "Heintje" bekannt.

Als der damalige Schalke-Boss Rudi Assauer den Wechsel schließlich verkündete, trat er eine Wut-Lawine los. Hunderte Protestanrufe gingen an der Gelsenkirchener Pressestelle ein, massenhaft Mitgliedschaften wurden gekündigt, Fans drohten mit Spieleboykott. "Assauer und Möller, verpisst euch!" oder "Zecke Möller, willkommen in der blau-weißen Hölle" war auf Plakaten zu lesen. Gleichzeitig wurde Möller selbstredend auch von Dortmunder Seite nach seinem Transfer angefeindet. Auch dort waren Banner mit der Aufschrift "Der Tag als Andi Möller starb" zu lesen.

Möller selbst erklärte den Wechsel damit, sein Image in Deutschland als viel zu weichgespülter Profi aufzupolieren versucht zu haben: "Schalke war die Möglichkeit, endlich mein Weichei-Image abzustreifen."

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Jens Lehmann

  • Wechsel vom FC Schalke 04 zu Borussia Dortmund 1999

Der ehemalige Nationaltorhüter ist ein weiterer Spieler, der die extreme Rivalität zwischen den beiden Revierklubs zu spüren bekam. Kurz vor der Jahrtausendwende kehrt Lehmann nach einem kurzen Intermezzo bei der AC Milan als Ex-Schalker in die Bundesliga zurück - ausgerechnet zum BVB.

Im direkten Duell der beiden Teams wird er von den S04-Anhängern alles andere als freundlich begrüßt. Im Schalker Block baumelt eine Puppe mit Lehmann-Trikot im Gelsenkirchener Parkstadion an einem Galgen. Auf der Position des Namens ist zudem "Judas" zu lesen, darunter "Doofmund".

"Nochmal würde ich das nicht in meinem Leben machen", sagt Lehmann später über seinen brisanten Wechsel: "Bei den Schalkern war ich als Judas verschrien."

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Sebastian Deisler

  • Wechsel von Hertha BSC zum FC Bayern München 2002

Als einer der talentiertesten Spieler Deutschlands entschloss sich der Mittelfeldakteur im Sommer 2002 zu einem Wechsel von Hertha BSC zum FC Bayern München. Nach dem Tag der Bekanntgabe des Transfers liefen die Berliner Fans aber Sturm gegen Deisler, beschimpften ihn, pfiffen ihn aus und verfolgten ihn vereinzelt, sodass er aus Sicherheitsgründen sogar auf die Tribüne gesetzt werden musste.

Später erklärte er in einem Interview, dass das Wechsel-Theater und die heftige Reaktion der Hertha-Fans einer der Auslöser für seine Depressionen gewesen seien.

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Luis Figo

  • Wechsel vom FC Barcelona zu Real Madrid 2000

Abseits der Bundesliga sind die Anfeindungen von Fan-Gruppierungen gegen den Weltklassespieler rund um dessen Wechsel vom FC Barcelona zu Real Madrid wohl die bekanntesten in der jüngeren Geschichte des Fußballs.

Der Portugiese war Kult bei den Katalanen, pokerte im Sommer 2000 um einen höher dotierten Vertrag und gab Barcelona wohl seine mündliche Zusage, das Arbeitspapier zu verlängern. Einige Wochen später wurde er dann aber bei den Königlichen als Neuzugang für die Saison 00/01 präsentiert.

Seine Rückkehr ins Camp Nou geriet schließlich zu einem Tribunal. Höhepunkt der Hexenjagd waren fliegende Glasflaschen, Telefone und Münzen, wann immer Figo zur Ausführung eines Eckballs schritt. Als dann plötzlich ein Schweinekopf einige Meter neben ihm auf den Rasen krachte, stand das Spiel sogar kurz vor dem Abbruch.

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Mario Götze

  • Wechsel von Borussia Dortmund zum FC Bayern 2013

Als junger Spieler feierte der WM-Finaltorschütze von 2014 seinen Durchbruch bei der Borussia aus Dortmund. Zwölf Jahre verbrachte er beim BVB und führte den Klub als absoluter Leistungsträger unter anderem zu den Bundesliga-Meisterschaften 2011 und 2012.

Der anschließende Wechsel zum FC Bayern reißt deswegen noch heute bei vielen BVB-Fans Wunden auf. Bei seiner Rückkehr in den Signal Iduna Park wurde Götze von den Dortmunder Anhängern als Judas beschimpft. Zu seinem persönlichen Schutz musste er sich vor den Partien sogar im Spielertunnel warm machen, da es vor der Südtribüne zu gefährlich geworden war.

Erst nach der Rückkehr 2016 fand er Vergebung. Zwar sollte der Mittelfeldspieler nie mehr das Niveau aus früheren Tagen erreichen, die extreme Welle des Hasses ebbte aber ab.

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Hakan Calhanoglu

  • Wechsel vom Hamburger SV zu Bayer Leverkusen 2014

Zur Saison 2014/15 wechselte Calhanoglu vom HSV zu Ligakonkurrent Bayer 04 Leverkusen. Dem Transfer vorausgegangen war der öffentliche Wunsch des Deutsch-Türken, den Hamburger SV - trotz Vertragsverlängerung im Februar bis 2018 - zu verlassen. Insbesondere die plötzliche und in weiten Teilen der Öffentlichkeit als anlasslos wahrgenommene völlige Abkehr von allen zuvor abgegebenen "Treueschwüren" gegenüber Verein und Umfeld löste einen Shitstorm der Hamburger Fans aus.

Als Calhanoglu schließlich nicht zum Trainingsauftakt des HSV erschien und dies mit einer Krankschreibung infolge der Reaktionen der Fans begründete, fielen die Anfeindungen noch heftiger aus. Beim ersten Aufeinandertreffen der beiden Teams wurde der Mittelfeldspieler vor seiner Einwechslung ausgepfiffen und mit Bier-Bechern beworfen.

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Andreas Ivanschitz

  • Wechsel von Rapid Wien zu Red Bull Salzburg 2006

Der Transfer zum verhassten Rivalen und Liga-Dominator aus Salzburg im Jahr 2006 hatte für den langjährigen Kapitän der österreichischen Nationalmannschaft fatale Folgen. Bei der Rückkehr ins Hanappi-Stadion von Rapid wurde er als "Judasschitz" betitelt, darüber hinaus wünschten ihm die Wiener Fans wortwörtlich Hals- und Beinbrüche.

"Es gibt jene, die den Schritt verstehen, und die, die meinten, ich hätte direkt ins Ausland gehen sollen. Ich war damals 22 und habe mich zu diesem Schritt entschlossen, weil ich aus der Komfortzone raus wollte", sagte Ivanschitz später in einem Interview. "Im Nachhinein betrachtet war das Kapitel Salzburg ein kurzes, das mich sportlich nicht weitergebracht hat. Ganz ehrlich, ich habe die Situation unterschätzt und nicht mit so viel Ärger gerechnet. Extrem nahe gegangen ist mir, dass sie meine Mutter beschimpft haben."

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Steven Defour

  • Wechsel zu RSC Anderlecht 2014

Deutlich heftiger und geschmackloser als bloße Beleidigungen fielen die Reaktionen der Lüttich-Fans aus, nachdem sich Defour 2014 nach drei Jahren beim FC Porto dem Rivalen aus Anderlecht anschloss.

Als dieser zu seinem alten Verein zurückkehrte, war auf einem überdimensionalen Plakat zu lesen: "Red or Dead" (deutsch: rot oder tot). Dazu konnte man den abgetrennten Kopf des belgischen Nationalspielers sehen.

FC Chelsea, Ashley Cole, Jose Mourinho
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Ashley Cole

  • Wechsel vom FC Arsenal zum FC Chelsea 2006

Freien Lauf ließen die Anhänger des FC Arsenal im Sommer 2006 ihrem Hass auf den neureichen Stadtrivalen Chelsea, nachdem Cole innerhalb Londons seine Vereinsfarben von Rot zu Blau gewechselt hatte.

Der Linksverteidiger wurde von den Gunners-Fans fortan als "Cashley" Cole beschimpft. Das ging so weit, dass beim direkten Aufeinandertreffen im Emirates Stadium Pfund-Scheine mit dem Konterfei des Engländers zu sehen waren.

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Romelu Lukaku

  • Wechsel von Inter Mailand zur AS Roma 2023

Mit den Fans von Inter Mailand verscherzte es sich Lukaku im Laufe seiner Karriere gleich mehrere Male. Zunächst, als er im Sommer 2021 nach einer starken Saison bei den Nerazzurri zum FC Chelsea wechselte und dort einen langjährigen Vertrag unterschrieb.

In London sollte das Glück jedoch ausbleiben, weshalb der belgische Stürmer öffentlich mit einer Rückkehr nach Italien liebäugelte. "Ich habe immer gesagt, dass ich Inter liebe und dass ich wieder für sie spielen werde. Das hoffe ich wirklich. Ich habe mich in Italien verliebt. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass ich zu Inter zurückkehre, aber nicht am Ende meiner Karriere, sondern wenn ich noch gut genug bin, um weitere Titel zu gewinnen", sagte er noch während seiner Chelsea-Zeit in einem Interview.

Es folgte tatsächlich die leihweise Rückkehr zu Inter, wo ihm die Fans verziehen und den "verlorenen Sohn" willkommen hießen. Ein Jahr später gab es dann aber wieder ein Wechsel-Drama. Anstatt einer erneuten Leihe zu den Mailändern soll Lukaku Medienberichten zufolge wohl einen Transfer zu Juventus Turin präferiert haben, - ein absolutes NoGo für die Inter-Anhänger. Letztlich landete der Stürmer bei der AS Roma, was erneut für Aufruhr sorgte: "Lukaku hat uns verraten. Wir sind sehr enttäuscht", sagte Inter-Vizepräsident Javier Zanetti.

Kleine Fußballer, International
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Mathieu Valbuena

  • Wechsel zu Olympique Lyon 2015

Was in Deutschland Schalke und Dortmund sind, sind in Frankreich Olympique Marseille und Olympique Lyon. Die beiden Traditionsklubs verbindet eine tiefe Feindschaft. Zu spüren bekam das Valbuena im Sommer 2015, als er nach acht Jahren bei Marseille und einem kurzen Abstecher nach Russland plötzlich im Trikot von Lyon nach Frankreich zurückkehrte.

Der Empfang der OM-Fans war dann alles andere als herzlich. Neben Spruchbändern und fliegenden Flaschen fiel dabei eine Puppe auf, die Valbuena ähnlich sah und die OM-Fans an einem Papp-Galgen baumeln ließen.

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