Olympique-Lyon-Talent Houssem Aouar im Visier von Eintracht Frankfurt: Die letzte Chance auf den Turnaround

Von Christian Guinin
Houssem Aouar
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Houssem Aouar galt lange Zeit als riesiges Talent und eine der Zukunftshoffnungen des französischen Fußballs. In den vergangenen Jahren erlebte der 24-Jährige Mittelfeldspieler von Olympique Lyon allerdings einige persönliche Rückschläge. Eine Wende könnte ein Wechsel in die Bundesliga zu Eintracht Frankfurt bringen.

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Manchester United, Juventus Turin, der FC Arsenal, der FC Liverpool, Atlético Madrid oder die AS Roma - im europäischen Fußball gab es nur wenige Spitzenklubs, die in der jüngeren Vergangenheit nicht als mögliche Destinationen von Olympique Lyons Houssem Aouar gehandelt wurden. Immer wieder stand der 24-jährige Mittelfeldspieler unmittelbar vor einem Vereinswechsel, vollzogen wurde ein Transfer am Ende des Tages aber nie.

Überhaupt stand Aouar in seiner Profi-Karriere noch nie bei einem anderen Verein als Olympique Lyon unter Vertrag. Im Alter von elf Jahren schloss er sich der Jugendabteilung der Les Gones an, seitdem kickt er für den Klub aus seiner Heimatstadt. Über sämtliche Jugendabteilungen schaffte er 2017 den Sprung zu den Profis, wo er innerhalb kürzester Zeit einen rasanten Aufstieg hinlegte.

Bereits in seiner Debütsaison etablierte er sich unter dem damaligen OL-Coach Bruno Génésio als Stammspieler im zentralen Mittelfeld, nur zehn Pflichtspielen verpasste er aufgrund von Verletzungen oder Sperren. Auch in den folgenden Jahren konnte er diese Leistungen konstant abrufen, wodurch nach und nach ein Topklub nach dem anderen auf ihn aufmerksam wurde.

Allein im Sommer 2020 signalisierten mit Arsenal, Juve und Liverpool drei europäische Schwergewichte Interesse an einer Verpflichtung des damals 22-Jährigen. Aouar hatte seine Mannschaft da gerade ins Halbfinale der Champions League geführt, wo man erst gegen den späteren Sieger Bayern München die Segel streichen musste.

Doch die Bosse von Olympique Lyon um Präsident Jean-Michel Aulas verlangten damals nicht weniger als 80 Millionen Euro für die Dienste des technisch hochveranlagten Mittelfeldspielers - zu viel für die Interessenten aus der Premier League, die fortan von einer Verpflichtung Abstand nahmen.

Auch Juventus Turin war die ausgerufene Summe zu hoch, weshalb Aouar nichts anderes übrig blieb, als weiterhin seine Schuhe für Les Gones zu schnüren.

Houssem Aouar ist bei Eintracht Frankfurt im Gespräch.
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Houssem Aouar ist bei Eintracht Frankfurt im Gespräch.

Houssem Aouar: Nur 444 Pflichtspielminuten 2022/23

Ein Rückschlag, von dem er sich rückblickend bis heute nie mehr so richtig zu erholt zu haben scheint. Nach Lyons Transferblockade brach die Performance des ehemaligen Musterschülers kontinuierlich ein, von Saison zu Saison wurden seine Leistungen schwächer. Das gipfelte in der aktuellen Spielzeit, wo er gerade einmal 444 Pflichtspielminuten (11 Einsätze) auf dem Platz stand.

Neben seinem schwachen Auftreten auf dem Platz plagte sich Aouar vor allem mit wiederkehrenden, kleineren Verletzungen herum. Während er zu Beginn der neuen Saison an einer Verletzung des Fußgelenks laborierte und die ersten neun Spiele in der Ligue 1 verpasste, fiel er Anfang Januar aufgrund einer Muskelverletzung aus. Mitte Februar kam dann eine weitere Blessur hinzu, worauf er erneut zwei Spieltage zum Zuschauen verdammt war. Allein im Kalenderjahr 2023 verpasste Aouar acht von zwölf Begegnungen, nur 56 Minuten stand er auf dem Rasen.

Das schlug sich auch in der Nationalmannschaft nieder. Sein Debüt und gleichzeitig letzten Einsatz für die Equipe Tricolore absolvierte er im Oktober 2020. Seitdem wurde er für die französische Auswahl nicht mehr berücksichtigt, weshalb er erst kürzlich den drastischen Schritt eines Verbandswechsels wählte. Djahid Zefizef, Präsident des algerischen Fußballverbandes, bestätigte im TV bei Chaîne 3, dass Aouar in Zukunft das Dress der Nordafrikaner tragen werde: "Houssem Aouar hat uns sein Einverständnis gegeben, in die algerische Nationalmannschaft zu wechseln."

Nicht die besten Voraussetzungen, um sich für einen Transfer zu einem neuen Verein zu bewerben, möchte man also meinen. Das Interesse am 24-Jährigen ist jedoch nach wie vor ungebrochen. So soll sich nach Informationen von Sport1 unter anderem Eintracht Frankfurt in den Poker um den Mittelfeldspieler eingeschaltet haben. Ungeachtet der persönlichen sportlichen Krise wollen die SGE-Verantwortlichen Aouar im kommenden Sommer offenbar gerne unter Vertrag nehmen.

Bei der Eintracht könnte er die Nachfolge von Daichi Kamada antreten, dessen Arbeitspapier ausläuft und der sich aller Voraussicht nach ablösefrei Ligarivale Borussia Dortmund anschließen wird. Eine Ablöse würde für Frankfurt nicht fällig werden, schließlich ist Aouars Vertag ebenfalls nur noch bis Ende Juni 2023 gültig. Lediglich in Sachen Gehalt und einer möglichen Handgeld-Summe müsste man sich mit dem 24-Jährigen einigen.

Dem Sport1-Bericht zufolge hat die Eintracht diesbezüglich schon einen ersten Vorstoß gewagt. 250.000 Euro monatliches Grundgehalt und eine Signing Fee in Höhe von fünf Millionen Euro stehen im Raum. In trockenen Tüchern ist aber ausdrücklich noch nichts. "Manche Leute wissen also schon vor mir, wo ich nächste Saison spielen werde - das ist stark", äußerte sich der Mittelfeldspieler selbst via Twitter zu den Gerüchten.

Houssem Aouar
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Houssem Aouar: "Ich liebe diese Art von Spielern"

Qualitativ könnte Aouar der Eintracht, wenn er an seine Leistungen aus der Vergangenheit anknüpfen kann und von Verletzungen weitestgehend verschont bleibt, ohne Frage weiterhelfen. Als agiler, technisch versierter Mittelfeldspieler, der notfalls auch etwas weiter vorne hinter der Sturmspitze agieren kann, passt er perfekt ins dynamische Spiel der SGE.

"Er ist wahnsinnig klug, allein wie er sich zwischen den Linien bewegt, er geht nie einen Meter zu viel oder zu wenig. Er riecht das Spiel, er kann richtig gut antizipieren. Bevor er überhaupt den ersten Ballkontakt hat, weiß er bereits, was er beim Zweiten tun wird", schwärmte sein aktueller Trainer bei Olympique Lyon, Laurent Blanc, jüngst von seinen Qualitäten: "Ich liebe diese Art von Spielern, weil sie auch extrem elegant am Ball sind und die Zuschauer wegen ihnen ins Stadion kommen."

Schwächen habe der 24-Jährige nach Einschätzung des ehemaligen französischen Nationaltrainers aber noch im Defensivverhalten. "Er muss noch an Konstanz gewinnen, das ist klar, und er muss sich auch im Spiel gegen den Ball verbessern. Das kann er noch deutlich besser und das weiß er", so Blanc weiter. Auch auf persönlicher Ebene herrscht noch Raum für Verbesserung. Diversen Medienberichten aus Frankreich zufolge ist Aouar mitunter nicht ganz leicht ins Teamgefüge einzubinden.

Houssem Aouar im Streckbrief

NameHoussem Aouar
Geburtstag30.06.1998
GeburtsortLyon
Alter24 Jahre
Größe1,75 Meter
NationalitätAlgerien/Frankreich
Positionenzentrales Mittelfeld, offensives Mittelfeld
Fußrechts
VereineOlympique Lyon
Laurent Blanc, Houssem Aouar
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Houssem Aouar: Eintracht Frankfurt als letzte Chance?

Inwiefern Aouar selbst für einen Wechsel nach Frankfurt offen ist, ist unklar. Erst im vergangenen Winter-Transferfenster standen ihm die Türen für einen Wechsel zur AS Roma in die Serie A offen, laut RMC Sport hatte er allerdings Vorbehalte gegenüber dem Projekt in der italienischen Hauptstadt und lehnte einen Wechsel aus eigenem Interesse ab.

Ein Verbleib bei seinem Heimatklub scheint indes jedoch so gut wie ausgeschlossen. "Houssem wollte schon lange weg", meinte Frankreichs ehemaliger Nationaltorhüter Grégory Coupet, der als Aktiver mit OL sieben Meistertitel gewann. "Bei Olympique hat er mittlerweile alles erlebt. Er muss sich weiterentwickeln. Dafür braucht er eine neue Herausforderung. Ihm wird ein Wechsel nur guttun."

Die Frankfurter Eintracht würde ihm in dieser Hinsicht das perfekte Zuhause bieten. Im vergleichsweise ruhigen SGE-Umfeld könnte sich Aouar Stück für Stück zurück an seine Topform heranarbeiten. Belege dafür, dass junge Spieler in Frankfurt gut aufgehoben sind, gab es in der jüngeren Vergangenheit zuhauf. Und schließlich hängt auch für den Mittelfeldspieler eine Menge am Verlauf der kommenden Monate.

Mit seinen 24 Jahren ist er noch jung genug, um den Tournaround zu packen und sein ohne Frage vorhandenes Potenzial in konstante Top-Leistungen umzumünzen. Eintracht Frankfurt ist da vielleicht seine letzte Chance. "In der Bundesliga könnte er durch seine technischen Qualitäten und seine Stärke bei Standards sicherlich eine Bereicherung werden", meint auch Coupet.