Gonzalo Higuaín im Interview: "Ich will aufhören, diese Scheiße zu fressen"

Von Ryan Tolmich
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Gonzalo Higuaín wird seine Karriere nach der MLS-Saison beenden. Im Interview mit SPOX und GOAL schildert er, was ihm im Fußball mittlerweile mächtig stinkt.

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Nach 17 Jahren beendet Gonzalo Higuaín seine Karriere im Profifußball. Der argentinische Mittelstürmer von Inter Miami wird noch die laufende Saison der Major Soccer League beenden und sich anschließend endgültig von seiner großen Leidenschaft, die wie er selbst sagt, inzwischen keine mehr für ihn ist, verabschieden.

Mehr als 700 Einsätze für Top-Klubs wie Real Madrid, Napoli, Chelsea, Juventus und Milan, dazu 75 Länderspiele für Argentinien - Higuaín gilt als einer der besten Stürmer der vergangenen beiden Jahrzehnte. Aber auch als einer, der wegen Misserfolgen, Vereinswechseln und vergebenen Chancen häufig Kritik und Häme einstecken musste.

Bei SPOX und GOAL spricht der 34-Jährige über die Höhen und Tiefen seiner Laufbahn und benennt klar die Schattenseiten des Profifußballs.

Wie haben Sie sich einst in den Fußball verliebt?

Gonzalo Higuaín: Als Kind fing ich an, aus Liebe zum Spiel zu spielen. Ich habe es nicht gemacht, weil ich berühmt werden wollte oder so. Ich hatte Leidenschaft für diesen Sport und auch den Traum, Profi zu werden. Aber damals wusste ich natürlich nicht, was das bedeutet. Ein Kind denkt, ein Profi empfindet die selbe Leidenschaft und Liebe für das Spiel. Wenn man dann Profi ist, merkt man schnell, dass das nicht der Fall ist. Die Liebe zum Sport ist dabei aufgrund vieler anderer Dinge nicht mehr dieselbe: Geld und Finanzen, Sportdirektoren und Verträge, all diese Dinge.

Wie meinen Sie das?

Higuaín: Dein Leben ändert sich komplett. Ich habe viele wichtige Erfahrungen gemacht. Einige waren gut, einige waren ziemlich schlecht. Meine Botschaft an Nachwuchsspieler ist: Man muss mental stark sein, um an die Spitze zu kommen. Es gibt viele Spieler, die nicht mit viel Talent gesegnet sind. Aber dank ihrer mentalen Stärke haben sie ein hohes Level erreicht. Nur so kann man eine gute Karriere hinlegen.

Gonzalo Higuaín erzielte für Real Madrid 121 Tore in 264 Partien.
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Gonzalo Higuaín erzielte für Real Madrid 121 Tore in 264 Partien.

Higuaín: "Das sind Momente, die man nicht vergisst"

Sie spielten an der Seite von Lionel Messi und Cristiano Ronaldo.

Higuaín: Es sind Spieler, die Verantwortung übernehmen, wenn es mal nicht so läuft. Ich empfinde es einfach als Privileg, mit zwei der größten Spieler aller Zeiten gespielt zu haben, als sie auf ihrem Höhepunkt waren. Und jetzt habe ich nicht nur großartige ehemalige Mitspieler, sondern auch großartige Freunde.

Legendär waren auch die Gesänge der Napoli-Tifosi, die Sie damals ganz besonders gefeiert haben. Was empfinden Sie, wenn Sie heute daran zurückdenken?

Higuaín: Das sind Momente, die man nicht vergisst. Schönere Gefühle kannst du als Spieler kaum haben. Zu spüren und zu hören, wie ein ganzes Stadion voller Menschen deinen Namen brüllt. Dieser Überschwang, diese Energie - ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. Es sind mit die schönsten Momente, die ich im Fußball erlebt habe. Man fühlt sich wie ein Star. Es sind Momente, an die du dich immer erinnern wirst. Aber auch das Gegenteil kann passieren. Nicht alles ist schön im Fußball. An einem Tag schreien 60.000 Menschen deinen Namen. Fünfzehn Tage später beleidigen sie dich. Im Fußball ändern sich die Dinge schnell. Sehr schnell.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Higuaín: Ich habe mit der Zeit versucht zu lernen, dass mich Lob nicht abheben lässt, aber Kritik auch nicht aus der Bahn wirft. Man muss versuchen, ein Gleichgewicht zu finden.

Wie sind Sie mit der Kritik umgegangen, die Sie gerade erwähnt haben?

Higuaín: Als Stürmer stehst du nicht nur im Auge des Sturms, sondern auch ständig im Zentrum der Kritik. Ich habe über 350 Tore geschossen. Trotzdem wird gehetzt. Das Interessante dabei: Wenn ich auf der Straße oder auf dem Rasen stehe, merke ich wenig. Viel extremer ist es in den Sozialen Netzwerken. Da gibt es Kommentare, die einen schon leiden lassen. Wer weiß: Vielleicht hätte ich ohne diese schlechten Momente einen Teil des Erfolgs, den ich später hatte, nicht genossen.

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