Hintergründe zur Zunahme an ablösefreien Transfers: Alle Macht den Stars!

Kylian Mbappe
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Zahlen und Beispiele zu der Entwicklung

Bis zum Beginn der Corona-Pandemie im Frühling 2020 gab es kaum ablösefreie Transfers von Stars im besten Fußball-Alter. Ausnahmen stellten Michael Ballacks Wechsel vom FC Bayern zum FC Chelsea 2006 sowie Robert Lewandowskis von Dortmund nach München 2014 dar. Nennenswert sind vielleicht noch drei ablösefreie Neuzugänge von Juventus Turin: Aaron Ramsey und Adrien Rabiot 2019 sowie Emre Can 2018, Top-Stars sind das aber allesamt keine.

Geht man von den Marktwerten der Branchenplattform transfermarkt.de aus, fanden 16 der 25 wertvollsten ablösefreien Transfers innerhalb der vergangenen zwei Jahre statt. Im Sommer 2021 sicherte sich auf diesem Wege beispielsweise Paris Saint-Germain Lionel Messi (FC Barcelona), Gianluigi Donnarumma (AC Milan) und Georginio Wijnaldum (FC Liverpool). Der FC Barcelona holte seit Corona-Beginn Memphis Depay (Olympique Lyon), Andreas Christensen (FC Chelsea) und Franck Kessie (AC Milan) ablösefrei, Real Madrid David Alaba (FC Bayern) und Antonio Rüdiger (FC Chelsea).

Mit Paul Pogba (Manchester United), Paulo Dybala (Juventus Turin) und Ousmane Dembele (FC Barcelona) sind aktuell drei gefragte Spieler vereinslos und somit in einer für sie blendenden Situation: Potenzielle Interessenten müssen nur sie zufriedenstellen, nicht auch noch etwaige abgebende Klubs.

Blickt man auf die Ausgaben der Bundesligisten der vergangenen Jahre, fällt auf: Während die Zahlungen für Ablösesummen im Zuge der Corona-Pandemie arg zurückgingen, blieben die an Spielerberater, die bei Handgeldern selbstverständlich mitkassieren, konstant (siehe Tabelle).

Bundesliga: Ausgaben für Transfers und Spielberater

Saison

Ausgaben für Transfer

Transfer-Bilanz

Ausgaben für Spielerberater

2018/19

562,81 Mio. Euro

+10,83 Mio. Euro

198,44 Mio. Euro

2019/20

955,84 Mio. Euro

-282,74 Mio. Euro

215,11 Mio. Euro

2020/21

388,25 Mio. Euro

-48,13 Mio. Euro

194,07 Mio. Euro

2021/22

487,15 Mio. Euro

+21,73 Mio. Euro

197,4 Mio. Euro

FC Bayern München und die Situation bei Serge Gnabry

Ein Ende dieser Entwicklung ist aktuell nicht in Sicht: Etliche bis 2023 gebundene Stars scheinen sich in eine solche vorteilhafte Situation manövrieren zu wollen. Serge Gnabry etwa ignorierte bisher die angeblich hervorragend dotierten Angebote des FC Bayern zur vorzeitigen Verlängerung seines 2023 auslaufenden Vertrages. Um ablösefreie Abgänge wie bei David Alaba oder Niklas Süle zu verhindern, will sein Arbeitgeber bis Ende dieser Transferperiode jedoch unbedingt verlängern oder verkaufen.

Nur: So einfach wie früher ist das nicht mehr. Durch die Corona-Pandemie ist die finanzielle Situation vieler Klubs weiterhin angespannt. Potenzielle Interessenten warten lieber ein Jahr, um den Spieler dann ablösefrei zu verpflichten, statt sich davor mit ärgerlichen Verhandlungen über Ablösesummen rumschlagen zu müssen. Das Handgeld-Wettbieten ist Stand jetzt billiger als das Ablösesummen-Wettbieten, langfristig könnte es aber allen Klubs schaden.

Kurzfristig bringt es den jeweils abgebenden Klub in eine äußerst unangenehme Situation, in Gnabrys Fall den FC Bayern. Was tun, wenn der Spieler partout nicht verlängern will, sich aber gleichzeitig kein Interessent bemüßigt fühlt, eine marktgerechte Ablösesumme für einen vorzeitigen Transfer zu bieten? Angeblich droht der FC Bayern Gnabry in diesem Fall mit einem Tribünenplatz, was bei Weiterzahlung des bisherigen Gehalts aber einem großen finanziellen Verlust ohne Leistung für den FC Bayern gleichkäme.

Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn mussten seit vergangenen Sommer David Alaba, Javi Martinez, Niklas Süle und Corentin Tolisso ablösefrei verabschieden.
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Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn mussten seit vergangenen Sommer David Alaba, Javi Martinez, Niklas Süle und Corentin Tolisso ablösefrei verabschieden.

Die wahren Verlierer dieser Entwicklung

Öffentlich geben sich die Verantwortungsträger des FC Bayern bei dieser Thematik betont gelassen, besorgte Stimmen wie etwa von Dortmunds Watzke sind aus München bisher keine zu vernehmen. "Auch wir müssen damit umgehen, dass uns der eine oder andere ablösefrei verlässt", sagte der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn im Januar. "Auf der anderen Seite gibt es da ja auch wieder Chancen, an Spieler ranzukommen, die ablösefrei sind. Für uns ergeben sich mehr Chancen als Risiken."

Bisher geht der FC Bayern aber eher als Verlierer dieser Entwicklung durch. Nach Alaba und Javi Martinez im vergangenen und Süle und Corentin Tolisso in diesem könnten im kommenden Sommer auch Gnabry und Robert Lewandowski umsonst gehen. Ablösefrei verpflichtet wurden in diesem Zeitraum dagegen lediglich Omar Richards, Sven Ulreich und Noussair Mazraoui. Folgen könnte nächstes Jahr Wunschspieler Konrad Laimer von RB Leipzig - sofern die Gier des FC Bayern nach ihm nicht schon für eine vorzeitige Verpflichtung in diesem Sommer sorgt.

Die wahren Verlierer dieser Entwicklung aber stehen gar nicht im öffentlichen Fokus: Während der Vertragsverlängerungs-Stopp der Klubs zu Beginn der Corona-Pandemie die Stellung von Top-Stars weiter verbesserte, verhält es sich bei Durschnittsprofis genau umgekehrt. "Viele Klubs verkleinern ihre Kader seit Pandemie-Beginn kontinuierlich", erklärt Reschke. "Es gibt keine Gesetzmäßigkeit mehr, dass du als Stammspieler eines durchschnittlichen Zweitligisten ein neues Angebot bekommst. Viele dieser Spieler sind erstmal arbeitslos."

Und bleiben das womöglich auch - anders als Stars wie Pogba, Dybala oder Dembele, die derzeit ebenfalls vereinslos sind. Sie brauchen nur abwarten, welcher Klub ihnen das lukrativste Angebot macht.