BVB vs. Besiktas - Tolgay Arslan im Interview: "Die Besiktas-Fans haben einen Dürüm-Song über mich gemacht"

Von Stanislav Schupp
Tolgay Arslan
© imago images
Cookie-Einstellungen

 

 

Der BVB hat zwar zahlreiche Talente hervorgebracht, die Durchlässigkeit eigener Nachwuchsspieler war in den vergangenen Jahren überschaubar. War das auch Ihre Sorge?

Arslan: Ja. Ich hatte ein paar warnende Beispiele, die ein Jahr vor mir aus der Jugend gekommen sind. Marco Schneider, Marco Dej, Raphael Lorenz: Das waren alles hervorragende Spieler, bei denen ich davon überzeugt war, dass sie Profis werden. Am Ende haben sie es nicht gepackt. Das hat mich etwas abgeschreckt. Dennoch muss man sagen, dass der BVB eine überragende Arbeit in Sachen Talentförderung leistet. Die haben noch eine goldene Zukunft vor sich. Ich bin ihnen unendlich dankbar, denn dort hat alles angefangen und sie haben meinen Weg begleitet. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass es in Dortmund geklappt hätte, aber ich habe mich selbst für den Weg nach Hamburg entschieden.

Der endgültige Durchbruch erfolgte dann beim HSV, wo Sie 2009 mit 19 unter Bruno Labbadia Ihr Bundesliga-Debüt gaben. Wie erinnern Sie sich an diesen Moment?

Arslan: Ich war sehr nervös. Ich habe erst in der Besprechung vor dem Spiel erfahren, dass ich spiele - und dann noch direkt von Anfang an. Als wir in die Kabine kamen, stand auf einmal mein Name auf dem Zettel. Ich habe neben Marcus Berg im Sturm gespielt und dann mit Sami Hyypiä direkt einen gestandenen Profi als Gegenspieler gehabt. Leider musste ich nach 40 Minuten verletzt raus. Damals wurden nicht so viele junge Spieler bei den Profis berücksichtigt. Einige haben die Vorbereitung mitgemacht, aber sobald die Saison losging, waren sie nicht mehr da. Ich finde es erstaunlich, auf welchem Niveau beispielsweise 16- oder 17-Jährige heutzutage sind, auch körperlich. Die müssen richtig früh damit anfangen. Früher hieß es, dass man bis 14 bloß keinen Kraftraum betreten soll, weil es einen unbeweglich macht. Heute sind die wahrscheinlich bereits mit zehn Jahren dort. (lacht)

Heute spielt der HSV nach vielen chaotischen Jahren in der 2. Bundesliga. Wie bewerten Sie die Entwicklung des Klubs?

Arslan: Der HSV ist ein großartiger Verein. Die jüngste Entwicklung ist traurig, denn eigentlich gehört der Klub in die erste Liga. Es herrschte immer zu viel Unruhe. Es wurde von allen Seiten reingesprochen, der Trainer wurde ständig gewechselt. Es war absehbar, dass es irgendwann mal runtergeht. Ich habe damals schon gedacht, dass ein kompletter Neuanfang dem Verein gut tun würde. Die Mannschaft hat jedes Jahr immer schlechter abgeschnitten, die Angst in den Köpfen der Spieler war stets präsent. Die schlechten Erfahrungen haben wir immer wieder in die neue Spielzeit mitgenommen, das hat uns nicht losgelassen. Ich glaube, die Erwartungshaltung war zu groß. Irgendwann habe ich beim HSV keine Perspektive mehr gesehen.

Über Besiktas und Fener landeten Sie 2020 schließlich bei Udinese Calcio. Wie kam es zu diesem Wechsel?

Arslan: Nach meiner Vertragsauflösung bei Fenerbahce hatte ich auch Angebote aus der Türkei, Spanien und England. Bei Udinese dachte ich, dass es gut passen könnte. Für mich und meine Familie war es wichtig, nah an Deutschland zu sein. Zudem bekam ich viel Spielzeit und habe mich taktisch weiterentwickelt. Die Taktik und das Trainingsniveau in Italien sind noch einmal auf einem ganz anderen Niveau. Das ist unverschämt hart. (lacht) Ich hatte in den ersten drei Monaten Schwierigkeiten damit.

Tolgay Arslan in seiner Zeit beim HSV
© imago images
Tolgay Arslan in seiner Zeit beim HSV

Arslan: "Ronaldo ist einfach unglaublich"

Es stand auch eine Rückkehr nach Deutschland im Raum, Hannover 96 war interessiert. Weshalb platzte der Wechsel?

Arslan: Ich kenne Kenan Kocac, den damaligen Trainer, sehr gut. Eine kleine Überlegung war da, aber ich wollte noch einmal auf ganz hohem Niveau spielen. Ich wusste, dass ich noch Angebote von Erstligisten erhalten würde. Als Udinese anfragte, war innerhalb von zwei Stunden alles durch. Wenn ich von etwas überzeugt bin, will ich auch nicht mehr mit anderen Vereinen verhandeln. Udinese hat nach den schweren Jahren in der Türkei ein Stück weit meine Karriere gerettet.

Mit Udinese haben Sie auch gegen Cristiano Ronaldo gespielt, als dieser noch bei Juventus war. Wie erinnern Sie sich an dieses Duelle?

Arslan: Das, was Klopp hat, hat Ronaldo auch. Er hat einfach diese Aura, mit der er Menschen anzieht. Wenn er auf dem Platz steht, steckt er seine Mitspieler mit seinem Ehrgeiz und seinem Willen an. Ronaldo ist einfach unglaublich.

Ihr Vertrag bei Udinese läuft noch bis kommenden Sommer. Welche Pläne verfolgen Sie darüber hinaus?

Arslan: Ich lasse alles auf mich zukommen. Ich habe mich noch nie so fit gefühlt wie jetzt. Ich muss im Fußball nicht mehr alles mitnehmen. Sobald mir das Feuer ausgeht, höre ich auf. Zusätzlich habe ich noch ein Immobilienunternehmen, womit ich viel Zeit verbringe und was mir sehr viel Spaß macht. Ich wollte früher ohnehin immer mit Immobilien arbeiten, wie mein Vater. Ich musste irgendwann mein Geld anlegen und Immobilien sind der beste Weg dafür.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema