BVB vs. Besiktas - Tolgay Arslan im Interview: "Die Besiktas-Fans haben einen Dürüm-Song über mich gemacht"

Von Stanislav Schupp
Tolgay Arslan
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Tolgay Arslan wurde in der Jugend von Borussia Dortmund groß, sein Profidebüt gab der mittlerweile 31-Jährige aber beim HSV. Über Stationen bei Besiktas, wo er zweimal in Folge türkischer Meister wurde, und Rivale Fenerbahce landete Arslan im Sommer 2020 bei Udinese Calcio.

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Im Interview mit SPOX und GOAL spricht Arslan über einen unrühmlichen Abschied samt falscher Geschichten bei Besiktas, eine Kurzschlussreaktion und seinen Empfang im Vodafone Park nach seinem Wechsel zu Fenerbahce.

Außerdem erklärt der Deutsch-Türke, weshalb es türkische Spieler in der Türkei besonders schwer haben und verrät, was Jürgen Klopp und Cristiano Ronaldo vereint.

Herr Arslan, in der Champions League treffen mit Borussia Dortmund und Besiktas Istanbul zwei Ihrer ehemaligen Vereine aufeinander. Wem drücken Sie die Daumen?

Tolgay Arslan: Eher Besiktas. Dortmund ist auf dem Papier der Favorit und ich bin eigentlich für die Underdogs. Außerdem hatte ich eine unglaublich gute Zeit bei Besiktas, sowohl sportlich als auch menschlich. Auch wenn mein Abgang nicht schön war.

Erzählen Sie.

Arslan: Ich wurde suspendiert, nachdem ich mich über ausstehende Gehaltszahlungen beschwert hatte. Die türkischen Spieler haben fast ein halbes Jahr lang keine Gehälter bekommen, die ausländischen Spieler dagegen schon. Zunächst ist der Verein das auf die türkische Art umgangen, wir seien ja schließlich Teil der Familie. Das habe ich eine Zeit lang mitgemacht. Aber wieso soll ein Teil der Mannschaft bevorzugt werden? Ich war der Einzige, der sich dagegen gestellt hat, die anderen haben es einfach akzeptiert.

Wie sah die Begründung des Vereins aus?

Arslan: Die konnte mir Besiktas nicht liefern. Kurz nach meiner Suspendierung erzählte der Verein der Presse, ich hätte bei einem Spiel in der Halbzeitpause einen Dürüm gegessen und dass das der Grund dafür gewesen sei. Das entbehrt jeglicher Grundlage. Soll ich in der Halbzeit rausgegangen sein und mir am Dürüm-Stand etwas zu Essen geholt haben? Es kam dann zum Streit zwischen mir und dem Präsidenten, der sich zu einer Art Machtkampf entwickelte. Besiktas wollte mir zeigen, dass es das nächste Mal vielleicht besser sei, nichts zu sagen. Als türkischer Spieler hat man es in der Türkei ohnehin schwer.

Inwiefern?

Arslan: Man muss oft zurückstecken. Es ist schwierig, lange bei einem Top-Klub zu bleiben. Sobald der Kader aufgrund von Misserfolg umstrukturiert wird, sind die Türken immer ganz weit oben auf der Abschussliste. Der Verband tut jetzt etwas, um die Spieler zu schützen. Aktuell gibt es eine Regelung, die besagt, dass mindestens vier Türken in der Startelf stehen müssen. Das wird jährlich gesteigert. Türken werden zudem in Lira bezahlt, die ausländischen Profis dagegen in Euro. Das ist ein großer Unterschied, denn der Kurs sinkt stetig und man verdient weniger. Als ich 2015 zu Besiktas kam, wurden wir alle noch in Euro bezahlt. Das wurde vor drei Jahren von der Regierung umgestellt. Für die Ausländer ist das super, so geben sie weniger aus. Sie genießen bei den Fans ohnehin einen höheren Stellenwert, was ich bis heute nicht verstehe.

Haben Sie versucht, sich gerichtlich gegen die Suspendierung zu wehren?

Arslan: Das Ganze hat mich emotional extrem getroffen, ich war erst einmal benommen. Dann kam auch schon Fenerbahce und wir wurden uns schnell einig. Besiktas wollte mich dann wieder ins Mannschaftstraining zurückholen, aber meine Entscheidung war gefallen. Ich wurde für drei Monate suspendiert, durfte nicht einmal mit der zweiten Mannschaft trainieren und habe mich alleine auf Kunstrasen fit gehalten. Der Platz war anderthalb Stunden von meinem Haus entfernt. Besiktas wollte mich richtig fertig machen. Der Wechsel zu Fener hat sich schließlich bis zum letzten Tag der Wintertransferperiode 2018/19 gezogen. Je länger das dauerte, desto größer wurde meine Wut. Ich muss sagen, dass ich rückblickend bereue, wie der Wechsel abgelaufen ist.

Tolgay Arslan jetzt bei Udine
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Tolgay Arslan jetzt bei Udine

Arslan: Fener? "Habe aus Emotion und Wut heraus direkt zugesagt"

Weshalb?

Arslan: Bereits eine Woche nach meiner Ausmusterung rief Fenerbahce an. Ich habe dann aus der Emotion und Wut heraus direkt zugesagt. Ich wollte eigentlich gar nicht weg. Ich hatte ein sehr gutes Standing bei den Fans. Der Druck dort ist aber enorm, vor allem in internationalen Spielen und Derbys. Ein Fehler kann dich die gesamte Karriere kosten, denn die Fans werden sich immer daran erinnern, noch eher als an ein Tor. Ich habe glücklicherweise im Europa-League-Sechzehntelfinale 2015 das entscheidende Tor gegen Liverpool geschossen und hatte somit einen gewissen Kredit.

Hat Ihr Kredit die Reaktionen der Besiktas-Fans auf Ihren Wechsel etwas besänftigen können?

Arslan: Ganz und gar nicht. Der Empfang bei der ersten Rückkehr war ganz schlimm. Das war das krasseste Erlebnis, das ich je hatte. Die Fans haben einen Dürüm-Song über mich gemacht. Der ging übersetzt: "Tolgay Arslan, wo sind die Dürüms?" Beim Warmmachen ist alles Mögliche auf den Platz geflogen. Zur Halbzeit lagen wir 0:3 hinten, das war natürlich eine Genugtuung für die Besiktas-Fans. Am Ende haben wir ein 3:3 geschafft. Ich kann ihre Wut natürlich verstehen. Ich habe mich bei Fans und Kollegen nicht ausreichend bedankt. Wenige Wochen vor dem Spiel habe ich mich zu der ganzen Thematik rund um die Suspendierung geäußert. Ich wollte, dass die Sache ruht. Beim ersten Spiel für Fener habe ich zudem das Wappen geküsst, weil mich die Fans dazu aufgefordert hatten. Ich war ihnen einfach sehr dankbar, dass sie mich mit offenen Armen empfangen hatten. Das kam bei Besiktas natürlich auch nicht so gut an. Ich hätte mich anders verhalten müssen. Es gab dennoch weiterhin Fans, die in der Stadt noch Fotos mit mir machen wollten und nett zu mir waren.

Bei Fenerbahce blieben Sie allerdings nur anderthalb Jahre. Wie haben Sie die Zeit dort in Erinnerung?

Arslan: Die ersten Spiele liefen gut, dann hatte ich ein wenig Verletzungspech - genau als ich kurz davor war, mich zu etablieren. Ich war bei meinem Wechsel einfach nicht fit. In der zweiten Saison habe ich nicht viel gespielt. Wir wurden nur Siebter, daraufhin wurde der Kader umstrukturiert. Bei Fener musst du Meister werden. Man hat mir zu verstehen gegeben, dass man nicht mehr mit mir plant. Fener hat dann 21 neue Spieler verpflichtet, darunter zahlreiche für meine Position. Wenn es bei Fener nicht läuft, gibt es schnell Gegenwind von den Fans. Die waren die Jahre zuvor etwas verwöhnt. Bei Besiktas wird applaudiert, wenn du alles gibst, auch wenn es am Ende nicht reicht. Als ich den Vertrag vorzeitig einvernehmlich aufgelöst habe, hat sich gefühlt die ganze Liga bei mir gemeldet. Für mich war aber klar, dass ich mal raus musste. Es wurde einfach zu viel.

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