Lehmann: "Was ist da passiert?"

Von Für SPOX in Stuttgart: Stefan Rommel
Jens Lehmann begab sich nach dem Pokaldebakel gleich auf Fehlersuche
© Imago

Mit einer 5:1-Gala in Stuttgart hat Titelverteidiger FC Bayern München den Einzug ins Viertelfinale des DFB-Pokals geschafft und die Konkurrenz wenige Tage vor dem Bundesliga-Rückrundenstart geschockt. Beim unterlegenen VfB begann gleich nach dem Abpfiff die Fehlersuche - und Jens Lehmann wurde ziemlich deutlich.

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Manchmal kann das Leben richtig ungerecht sein. Minus 1,5 Grad Celsius zeigte das Thermometer in der Mercedes-Benz Arena zu Stuttgart.

Michael Rensing musste sich wohl einige Male darüber ärgern, dass er sich nicht einen wärmenden Pulli und eine lange Trainingshose übergezogen hatte.

Der Bayern-Keeper hatte sich beim VfB Stuttgart eigentlich auf einen aufregenden Abend mit zahllosen Paraden und einer hitzigen Atmosphäre eingestellt - wie vor sechs Wochen, als sich der VfB und die Bayern in der Liga 2:2 trennten.

Nur daraus wurde nichts. Ein einziges Mal nur durfte Rensing das ihm zustehende Privileg nutzen und seine Hände an den Ball bringen. Ein Mal. In 90 Minuten.

Der arme Tropf muss beinahe erfroren sein vor Langeweile.

Neue Erfahrung für Jens Lehmann

Jens Lehmann kennt die Situation genau. Lehmann, 39, hat schließlich weit über 600 Profispiele auf dem Buckel. Was er aber bis Dienstagabend noch nicht kannte, waren fünf Gegentore im eigenen Stadion.

Das 1:5 im Achtelfinale des DFB-Pokals seines VfB Stuttgart gegen entfesselt aufspielende Bayern kam einer sportlichen Hinrichtung gleich und Lehmann dürfte auf dem Nach-Hause-Weg - weg vom Ort des Grauens - erhebliche Bedenken gehegt haben, ob er sich das in seinem Alter noch antun muss. Zum Spielbericht

Seinen Verbleib beim VfB koppelt er nämlich unter anderem an den sportlichen Erfolg der Mannschaft. Wie groß die Diskrepanz zwischen absolutem Topniveau und dem VfB Stuttgart sein kann, zeigte das 1:5 drastisch.

Gnadenlose Analyse

In der zweiten Halbzeit kam es besonders dick: Lehmann musste seinen Job als Schießbudenfigur in der Untertürkheimer Kurve verrichten, was den unangenehmen Nebeneffekt mit sich brachte, dass er nun in Hörweite der mitgereisten Bayern-Fans stand und die ihn mit allerlei Spottgesängen bedachten.

Da hieß es schon 0:3 und als auch noch Gegentreffer vier und fünf folgten, muss sich Lehmann wohl schon seine Rede vor den Kameras und Mikrophonen überlegt haben. Denn nach Spielschluss schoss es förmlich aus dem Ex-Nationalspieler nur so heraus.

Lehmann nannte keine Namen - und doch wussten am Ende alle, wer gemeint war. Er wurde nicht aufbrausend - und analysierte doch auf die ihm eigene subtile Art zielgenau und unerbittlich.

"Irgendwas muss anders gelaufen sein"

"Man muss sich die Frage stellen, warum Bayern so schnell, spritzig und präsenter war und wir mal so gar nicht", sagte er im Premiere-Interview und legte ein paar Minuten später in der Mixed Zone nach: "Vor ein paar Wochen waren wir auf Augenhöhe mit den Bayern. Und jetzt? Was ist da passiert?"

Die Antwort gab Lehmann selbst, schick verpackt in eine Anklage an Teile seiner Mannschaft und an den Trainer. "Was mich besorgt macht, ist, dass wir die gleichen Voraussetzungen hatten. Irgendwas muss in der Vorbereitung anders gelaufen sein. Die Winterpause ist nicht dazu da, krank zu werden oder kleine Verletzungen mit sich rumzuschleppen."

Vor ein paar Tagen musste der VfB ein Testspiel gegen 1860 München absagen, weil Teamchef Markus Babbel schlicht die Spieler ausgegangen waren. Zwölf Akteure hatten sich krank oder verletzt gemeldet. Von der Erkältung bis zu muskulären Problemen war alles dabei.

Ein Umstand, den Lehmann so nicht nachvollziehen kann: "Wenn ich ein junger Spieler bin und voll im Saft stehe, muss ich auf meinen Körper aufpassen."

Hitzlsperger widerspricht Lehmann

Unter den angeschlagenen Spielern war auch Kapitän Thomas Hitzlsperger. Mit dem hatte Lehmann schon im Herbst einen wortreichen Disput, jetzt bahnte sich eine Wiederholung an.

Hitzlsperger wollte nämlich die Meinung seines Torhüters partout nicht teilen. Im Gegenteil: "Das kann man so nicht sagen. Wir haben gut gearbeitet im Urlaub, das wurde uns von der medizinischen Abteilung auch bestätigt. Wir hatten ein Kopfproblem, sonst nichts. Wir waren behäbig, langsam und zweikampfschwach."

Man mochte Hitzlsperger beim zweiten Teil seiner Analyse nicht widersprechen.

Und doch spiegelte sie nur die halbe Wahrheit wider. Denn der VfB hatte weder Lauf-, noch Pass-, noch Kombinationsspiel anzubieten.

Beängstigender Qualitätssprung der Bayern

Die Bayern dagegen ein ganzes Konjunkturpaket an neuen, alten Errungenschaften, Stuttgart diente als Versuchslabor - und der Meister gab den eindeutigen Beweis dafür, wie schnell eine Mannschaft zulegen und eine andere abbauen kann.

Sie waren fitter, handlungsschneller und trotz der furchtbaren Bodenverhältnisse auch passsicherer als ihre schwäbischen Gastgeber.

16 Spiele waren die Bayern vorher ohne Niederlage. Von Spiel 1 bis Spiel 16 war ein steter, aber langsamer Formanstieg zu verspüren. Der Qualitätssprung zum 17. ungeschlagenen Spiel in Folge war verblüffend und für die Konkurrenz fast schon beängstigend.

Lehmann warnt vor Schlusslicht Gladbach

Leicht verängstigt blickte auch Jens Lehmann auf die kommende Aufgabe am Samstag zum Rückrundenauftakt gegen Borussia Mönchengladbach.

Bestätigt sich nämlich seine Theorie, wird der VfB auch gegen den Tabellenletzten schwer in Bedrängnis kommen:

"Das Problem ist, dass wir keine Zeit haben, innerhalb von drei Tagen großartig was zu ändern."

Das Achtelfinale des DFB-Pokals im Überblick