BVB - Erkenntnisse zur CL-Niederlage bei PSG: Warum Edin Terzics Kritik an seinen Spielern überrascht

Von Stefan Petri
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Dass der BVB seinen Champions-League-Auftakt am Ende verdient mit 0:2 bei PSG verloren hat, lag nicht in erster Linie an der überraschenden Taktik von Trainer Edin Terzic. Dessen Kritik nach Abpfiff an seinem Team war allerdings nur zum Teil nachvollziehbar. In Paris scheint es derweil tatsächlich nicht mehr nur auf Superstars hinauszulaufen.

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Die Erkenntnisse zum BVB-Gastspiel bei Paris Saint-Germain.

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BVB vs. PSG: Edin Terzic überrascht mit pragmatischer Taktik

Steht denn nun Sébastien Haller oder Niclas Füllkrug in der Startelf? Das Rätselraten vor dem Spiel stellte sich als komplett überflüssig heraus - denn Edin Terzic verzichtete gleich auf beide Stoßstürmer. Stattdessen sollte es ein 5-3-2 in Paris richten, mit zwei "falschen Neunern" in Donyell Malen und Karim Adeyemi: Die "schnellen und flinken Jungs" (Zitat Terzic vor Anpfiff bei Prime Video) sollten die PSG-Defensive wenn möglich vor Probleme stellen.

Der Fokus lag aber ganz klar auf der Defensive: Der 40-Jährige bot seine drei etatmäßigen Innenverteidiger in einer Linie auf, dazu zwei "Schienenspieler" in Ryerson und Marius Wolf. Auf dem Platz stellte sich das aber fast durchgängig als Fünferkette dar, um die Flügelstürmer Kylian Mbappé und Ousmane Dembélé abzumelden. Wurde einer der beiden in der Offensive angespielt, sollte der jeweils zuständige Außenverteidiger voll drauf gehen, im Wissen um die Absicherung hinter ihm. Dazu ein Dreier-Mittelfeld auf einer Linie, um auch dort alles dicht zu machen.

Offensiv? Schnelles Umschaltspiel, Steilpässe auf Malen und Adeyemi, damit diese wenn möglich in ein Laufduell kommen - und danach das Prinzip Hoffnung. Um es mit Terzics Worten zu sagen: "Es gibt Zonen, die uns heute ein bisschen weniger interessieren, in denen sie gern den Ball haben können."

Ein überraschend pragmatischer Ansatz des BVB-Trainers, mit dem in dieser Form nicht unbedingt zu rechnen war. Gleichzeitig stellte er sich aber als nicht unpassend heraus: Zwar hatte PSG in Halbzeit eins 78 Prozent Ballbesitz und schlug deutlich mehr Ecken (10:4) und Flanken (16:6), aber von den elf Torschüssen waren nur wenige wirklich gefährlich. Mbappé kam zwar immer wieder am ersten Gegenspieler vorbei, am zweiten aber nicht mehr - und Randal Kolo Muani war ebenfalls abgemeldet, weil der BVB fast alle Kopfballduelle gewann. Gefährlich wurde es vor allem zentral vor dem Sechzehner, wo zugegeben mehrfach ein großes Loch klaffte - so kam auch Vitinha zu seinem Pfostenschuss.

Dennoch eine vielversprechende Taktik, um dem Pariser Starensemble - das ist es nämlich trotz der Abgänge von Lionel Messi und Neymar weiterhin - Herr zu werden. Hätte es den sehr großzügigen Handelfmeter nicht gegeben, wer weiß wie lange sich die Hausherren noch die Zähne ausgebissen hätten.

Mit PSG mitzuspielen, das hätte sich Terzic womöglich in der Form der vergangenen Rückrunde noch getraut. Von dieser ist die Borussia aber aktuell weit entfernt. Ein Spiel mit offenem Visier hätte gut und gern ein 0:4 oder dergleichen bedeuten können.

Umso überraschender waren dann Terzics Aussagen nach dem Spiel.

PSG vs. Borussia Dortmund - 2:0

Tore

1:0 Mbappé (49./HE), 2:0 Hakimi (58.)

Aufstellung Paris Saint-Germain

G. Donnarumma - Hakimi, Marquinhos, Skriniar, Hernandez (88. Danilo) - Ugarte, Zaire-Emery, Vitinha (80. Lee) - Dembelé, Kolo Muani, Mbappé

Aufstellung Borussia Dortmund

Kobel - Süle, Hummels, N. Schlotterbeck - Ryerson, M. Wolf (78. Bensebaini), Can (76. Bynoe-Gittens), Sabitzer (14. Nmecha), Adeyemi, Brandt (62. Reus) - Malen (62. Füllkrug)

Gelbe Karten

Schlotterbeck (66.), Can (67.), Ryerson (90.)

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BVB vs. PSG: Nicht der fehlende Mut war das Problem

Der Trainer hatte nach der 0:2-Niederlage bei seinem Team nämlich fehlenden Mut ausgemacht. "Wir können es nett formulieren und sagen: Der Respekt war zu groß. Oder wir sprechen es klar an und sagen: Wir waren nicht mutig genug", kritisierte er. "Es steckt in uns, aber wir haben es zu spät gezeigt."

Ein überraschendes Fazit, hatte er doch mit seiner Aufstellung ein gegenteiliges Zeichen gesetzt - wer mutig spielen will, läuft selten ohne wirklichen Stürmer auf. Das Dortmunder Spiel war von Beginn an auf Laufbereitschaft, Konter ausgerichtet, auf den angestrebten Punkt. Ähnlich hatte es auch BVB-Geschäftsführer vor Anpfiff bei Prime Video formuliert: "Heute ein Unentschieden, da würde ich gut mit leben können."

Das Problem war vielmehr, dass die Dortmunder den Matchplan nicht gut umsetzten. Teils, weil das konsequente Anlaufen nicht über die komplette Spielzeit durchgezogen wurde. Hauptsächlich aber, weil der Ball im angestrebten Umschaltspiel viel zu oft fast sofort wieder verloren wurde. PSG verzeichnete in der ersten Halbzeit stolze neun Ballgewinne im gegnerischen Angriffsdrittel, weil der Ball aus der Fünferkette nicht sauber nach vorn wanderte.

Aber auch die Offensiven taten sich in dieser Hinsicht allzu oft negativ hervor. "Wir hatten spannende Balleroberungen, wo wir Räume hatten, aber haben es viel zu schlecht ausgespielt", bemängelte Terzic. "Wir haben die Situationen teilweise auch nicht gut gesehen, in den Fuß statt in den Raum gespielt." Oder eben zum Gegner. Julian Brandt, eigentlich der perfekte Mann, um die Spitzen steil zu schicken, spielte schwach und kam auf 16 Ballverluste. Adeyemi, der häufig auf den rechten Flügel auswich, verzeichnete 13. So kam bei Malen fast gar nichts mehr an.

Resultat: "Wir hatten eine Passquote von gefühlt 60 Prozent", schimpfte Terzic über die erste Hälfte. "Das bedeutet, jeder zweite Ball war weg - und dann fängst du wieder von vorn an." Ein weniger schlampiger Auftritt in dieser Hinsicht hätte zwar nicht für sehr viel mehr Ballbesitz gesorgt, aber für etwas längere Entlastungsphasen für die eigene Defensive. Und etwas mehr Gefahr vor dem gegnerischen Tor. Dazu kam es erst, als Terzic nach dem 0:2 offensiv wechselte.

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BVB vs. PSG: Das neue Pariser Mittelfeld überzeugt

"Ich glaube nicht, dass viele Mannschaften unbedingt Spaß daran haben, gegen uns zu spielen", hatte Terzic vor dem Spiel noch betont. Damit lag er nicht unbedingt falsch, schließlich war es für die Hausherren ein ziemliches Geduldsspiel, bis Schiedsrichter Jesús Gil Manzano auf den Punkt zeigte und damit Entsetzen bei den Schwarz-Gelben auslöste.Spaß machte es aber trotzdem, was gerade das PSG-Mittelfeld ablieferte.

Im Vergleich zum Prunkstück in der Offensive mit Mbappé, Dembélé, Kolo Muani, Gonçalo Ramos und Marco Asensio und der ebenfalls stark besetzten Defensive kommt das Trio in der Zentrale fast schon etwas blass daher. Manuel Ugarte, Vitinha und Warren Zaïre-Emery - das schreit auf dem Papier nicht unbedingt nach Weltklasse. Viel Erfahrung ist auch nicht im Spiel: Ugarte (für 60 Mio. in diesem Sommer von Sporting gekommen) ist 22, Vitinha (2022 für 41,5 Mio. vom FC Porto) gerade mal ein Jahr älter. Zaïre-Emery ist im März 17 Jahre alt geworden.

Wenn man das Dreigespann gegen Dortmund wirbeln sah (einmal die SPOX-Note 2, zweimal die 3), drängte sich allerdings der Eindruck auf, dass da durchaus etwas zusammenwachsen kann. Ugarte als klassischer Abräumer, Vitinha als Xavi/Iniesta-Verschnitt - und Zaïre-Emery in bester, unbekümmerter Musiala-Manier, der es mit jedem Gegenspieler aufnehmen kann und will.

Auf die erste Wahl von PSG-Coach Luis Enrique kommen im Laufe der Champions-League-Saison wohlgemerkt noch ganz andere Kaliber zu, der extrem defensiv eingestellte und Fehlpass-anfällige BVB spielte ihm hierbei in die Hände. Das Großreinemachen im Sommer - Marco Verratti, Georginio Wijnaldum, Leandro Paredes und Renato Sanches wurden allesamt abgegeben - könnte sich noch rächen, vor allem wenn die Mbappés und Dembélés dieser Welt mal wieder auf Defensivarbeit pfeifen.

Aktuell allerdings scheint in Paris zur Abwechslung tatsächlich mal etwas aufgebaut zu werden.

Champions League: Die Gruppe F im Überblick

RangMannschaftSp.SUNToreDiff.Pkt.
1Paris Saint-Germain11002:023
2AC Mailand10100:001
2Newcastle United10100:001
4Borussia Dortmund10010:2-20
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