Der FC Bayern schlägt Benfica: Wieder alles im Griff auf dem sinkenden Schiff?

Niko Kovac (l.) und Franck Ribery fielen sich am Dienstagabend in die Arme.
© getty

Dank des 5:1-Sieges in der Champions League gegen Benfica Lissabon bleibt Niko Kovac zunächst Trainer des FC Bayern München. Im Anschluss ging es um Maulwürfe, Schiffe und die Frage: Funktioniert das noch zwischen dieser Mannschaft und diesem Trainer?

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Es war um kurz vor Mitternacht ein wildes Hin und Her in der Mixed Zone der Allianz Arena. Zunächst marschierte Präsident Uli Hoeneß herein und passierte exakt den Ort, an dem er am vergangenen Samstag verkündet hatte, alles zu hinterfragen. Diesmal sagte er lediglich, dass er für weiterführende Aussagen gleich zurückkommen würde. Das machte er dann auch tatsächlich - jedoch nur, um zu verkünden, dass stattdessen doch Sportdirektor Hasan Salihamidzic käme.

Als Salihamidzic dann wenig später ankam, säuselte er zunächst in seiner Rolle als Brazzo grinsend: "Servus!" Salihamidzic scherzte ein bisschen herum und half sogar, die Mikrofone der Radio- und TV-Journalisten entsprechend zu justieren. Wie es denn um Trainer Niko Kovac stünde, wurde Salihamidzic dann ganz ernsthaft gefragt, woraufhin er in seine Rolle als Sportdirektor switchte und in die perfekt justierten Mikrofone sagte: "Der Abend spricht für sich." Die Frage war: tut er das wirklich?

Ja, der FC Bayern hat mit 5:1 gegen Benfica gewonnen. Ja, der FC Bayern hat sich vorzeitig für das Achtelfinale der Champions League qualifiziert. Ja, sogar die sogenannten Oldies haben geglänzt: Arjen Robben (34) hat zwei Tore geschossen, und zwar genau so wie er es früher immer gemacht hat, und Franck Ribery (35) hat auch eines geschossen. Ja, die Defensive stand (gegen ein völlig harmloses Benfica) relativ sicher. Ja, Kovac hat sein vermeintliches Schicksalsspiel gewonnen und bleibt somit zunächst Trainer des FC Bayern.

Aber für wie lange noch? Was, wenn der FC Bayern am Samstag bei Werder Bremen nicht gewinnt? War dieser Sieg gegen Benfica tatsächlich der Wendepunkt, oder doch nur der letzte Aufschub einer unweigerlichen Trennung? Nach all den uninspirierten Offensivleistungen, den individuellen Fehlern in der Defensive, den Einbrüchen in den Schlussphasen und nicht zuletzt nach den Aussagen von Hoeneß erscheint die Vorstellung, dass es auf lange Sicht zwischen dieser Mannschaft und diesem Trainer funktioniert, aktuell irgendwie schwierig.

Die Spieler senden Signale an Niko Kovac

An diesem Dienstagabend sendeten die Spieler jedoch Signale, dass sie womöglich doch noch an ihren Trainer glauben. Nachdem Ribery seinen Treffer zum 5:1 exzessiv bejubelt hatte, wechselte ihn Kovac umgehend aus, woraufhin sich die beiden an der Seitenlinie sekundenlang innig umarmten. Für Kovac war diese Szene "eindeutig genug" ein Beweis für das intakte Verhältnis mit Ribery - und der Mannschaft im Allgemeinen.

Noch am Montag soll Ribery aber laut der Bild gemeinsam mit Kapitän Manuel Neuer, Thomas Müller und Robert Lewandowski bei Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge vorgeladen gewesen sein. Dabei soll das Quartett unter anderem Kritik an Kovac geäußert haben. Hier die Umarmung vor den Augen aller, dort die angebliche Kritik hinter verschlossenen Türen?

Ribery äußerte sich nicht, dafür die restlichen drei Vertreter dieses Quartetts. Ob die Mannschaft denn für Kovac gespielt habe, wurde Lewandowski gefragt und er antwortete: "Ja, klar. Wir stehen hinter dem Trainer." Neuer sagte: "Natürlich spielt die Mannschaft für den Trainer." Nur Müller äußerte sich etwas zurückhaltender: "Wir als Mannschaft wollen natürlich zeigen, dass wir hinter dem Trainer stehen, aber es war kein Spiel für den Trainer. Wir spielen für den Verein und für den Erfolg."

Und dann sagte er noch einen interessanten Satz: "Obwohl es stürmische Zeiten sind, versuchen wir, uns nicht ganz splitten zu lassen." Nicht ganz splitten zu lassen. Das Splitten hat demnach also bereits begonnen. Es klingt wie der Versuch eines letzten Zusammenraufens zwischen diesem auf höchstem Niveau unerfahrenen Trainer und dieser auf höchstem Niveau erfahrenen, vielleicht sogar zu erfahrenen Mannschaft.

Niko Kovac, liebe Jungs, Diven und Maulwürfe

Einer, der diese Mannschaft - als sie womöglich genau richtig erfahren war - erfolgreich trainierte und dann nochmal - als sie vielleicht wenigstens noch nicht zu erfahren war - ist Jupp Heynckes. Vor dem Spiel gegen Benfica hatte sich der selbst schon sehr erfahrene 73-jährige Rentner aus seinem Bauernhof am anderen Ende Deutschlands zu Wort gemeldet. "Niko Kovac hat's nicht einfach in München", sagte Heynckes der Westdeutschen Zeitung: "Es gibt liebe Jungs dort und Diven."

Mindestens einer davon gibt aktuell in beachtlicher Regelmäßigkeit Interna unter anderem an die Bild weiter und schadet damit seinem Trainer. Es ist wohl eher eine der Diven als einer der lieben Jungs, in der Fachsprache nennt man ihn auch Maulwurf. "Das werden wir erledigen", sagte Salihamidzic und meinte damit das Aufspüren dieses Maulwurfs. "Sie können es sich ausmalen, wenn ich den erwischen würde, was das bedeuten würde."

Der Stimmung in der Kabine würde ein Schließen des Maulwurfhügels wohl zuträglich sein. Über die Gemütslage der Mannschaft herrscht jedoch aktuell offenbar ohnehin Uneinigkeit. "Natürlich ist die Stimmung in solchen Krisenzeiten weniger gut", sagte Müller, kurz nachdem Robben verkündet hatte: "Die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft ist gut."

Der FC Bayern und das sinkende Schiff

Robben war übrigens der einzige Spieler, der sich an diesem Dienstagabend ungefragt mit Kovac solidarisierte. "Ich habe mich heute ganz besonders für unseren Trainer gefreut. Als Mensch hat er sich das verdient. Er gehört zu uns", sagte er. Vielleicht war Robben aber auch einfach noch ein bisschen euphorisiert von einem seiner besten Spiele seit langem.

Mit seinen beiden frühen Toren hatte er seine Mannschaft auf Kurs gebracht - und damit auch seinen Trainer. Neuer sagte danach nicht umsonst: "Wir sitzen alle in einem Boot." Als dieses Boot namens FC Bayern, das ja eigentlich ein Tanker ist, in der zweiten Halbzeit einem sicheren Sieg entgegensegelte, begannen die Fans der Südkurve Jürgen Drews zu singen: "Wieder alles im Griff! Ohohoho! Auf dem sinkenden Schiff! Ohohoho! Keine Panik, auf der Titanic! Land in Sicht, wie sterben nicht!"

Als Letzter muss ein sinkendes Schiff bekanntlich der Hauptverantwortliche verlassen - ob sich das vor dem Ertrinken ausgeht, hängt davon ab, wie schnell, gut und fehlerlos seine Matrosen zuvor die Evakuierung oder gar Rettung des Schiffs vorantreiben.

Artikel und Videos zum Thema