Ajax-Star Noussair Mazraoui: Ein Spiel gegen den FC Bayern wurde zum Wendepunkt

Von Stanislav Schupp
Vor wenigen jahren noch aussortiert und jetzt Shootingstar: Noussair Mazraoui könnte Ajax im Sommer ablösefrei zu einem Top-Klub verlassen.
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Bei Ajax erhielt Noussair Mazraoui vor wenigen Jahren keinen Vertrag mehr, durfte dank der schlechten Besetzung der Reserve aber noch bleiben - allerdings ohne Bezahlung. Das ist heute kaum vorstellbar, denn: Der Marokkaner ist bei den Ajax-Profis gesetzt - und könnte im Sommer ablösefrei zu haben sein. Zahlreiche Top-Klubs sollen bereits Interesse signalisiert haben. Über eine Karriere, die ausgerechnet in einem Spiel gegen die Bayern eine überraschende Wende nahm.

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"Ich hatte nie das Potenzial für die Ajax-Profis", gestand Noussair Mazraoui im November 2018, wenige Monate nach seinem Debüt, in der YouTube-Show Bij Andy in de auto mit Ex-Profi Andy van der Meyde.

Doch drei Jahre nach seinem "Geständnis" ist der 24-jährige Rechtsverteidiger, der sich selbst einst das Potenzial für die ganz große Karriere abgesprochen hatte, eigentlich nicht mehr aus der Elf des niederländischen Rekordmeisters wegzudenken. Und mehr noch: Mazraoui, dessen Vertrag bei Ajax im Sommer ausläuft, wird mittlerweile von zahlreichen Spitzenvereine beobachtet. Absehbar war das mit Blick auf seinen holprigen Karriereweg erstmal nicht.

2006 kam er von den Alphense Boys in den Ajax-Nachwuchs und durchlief dort sämtliche Jugendteams, eher er 2018 fester Teil des Kaders von Cheftrainer Erik ten Hag wurde. Doch das war strenggenommen schon der dritte Anlauf bei den Niederländern.

Seine erste Abfuhr erhielt Mazraoui bei einem Talentetag. "Damals war Ajax der Meinung, dass ich physisch noch nicht so weit sei, sie mich aber im Auge behalten würden", erzählte Mazraoui van der Meyde. Das tat der Hauptstadt-Klub und der Niederländer mit marokkanischen Wurzeln spielte fortan nicht nur bei einem der größten Klubs des Landes, sondern traf auch auf sein Idol - Hakim Ziyech.

"Ich habe zu ihm aufgeschaut, als er bei Twente war (2014-2016, Anm. d. Red.). Er hat dort unfassbare Tore geschossen", erinnerte sich Mazraoui. Es entwickelte sich schnell eine enge Freundschaft - und auch außerhalb des Platzes diente Ziyech als Vorbild.

Fanden bei Ajax zusammen und sind seither gute Freunde: Noussair Mazraoui und Hakim Ziyech.
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Fanden bei Ajax zusammen und sind seither gute Freunde: Noussair Mazraoui und Hakim Ziyech.

Mazraoui bei Ajax aussortiert: Kein Vertrag, kein Gehalt - keine Chance?

"Meine Klamotten waren inakzeptabel. Ich trug einen Anzug, aber anstelle von langen Socken hatte ich Sneakersocken an. Ich hatte zuvor noch nie einen Anzug getragen, woher sollte ich das also wissen? Hakim machte dann ein Snapchat- oder Instagram-Video und sagte: 'Nous, was machst du da?'", verriet Mazraoui einst De Telegraaf: "Ich konnte viel von ihm lernen."

Ziyech steht mittlerweile beim FC Chelsea unter Vertrag, Mazraoui ist modetechnisch also auf sich allein gestellt - und geht diesbezüglich meistens auf Nummer sicher. "Ich trage gerne Trainingsanzüge, wenn ich morgens zum Verein fahre", sagte der Rechtsfuß bei Bij Andy in de auto: "Da sind ja keine süßen Mädels oder so für die ich mich aufbrezeln müsste."

Mazraouis Fokus liegt aber ohnehin auf dem Spielfeld. Dort kommt der Abwehrmann mittlerweile bereits auf 123 Profispiele. Dass es einmal zu dieser Zahl kommen würde, hatte sich anfangs aber überhaupt nicht angedeutet, denn Mazraoui wurde bei Ajax zwischenzeitlich sogar aussortiert.

"Im Vergleich zu Spielern wie Donny van de Beek, Matthijs de Ligt, Abdelhak Nouri, Philippe Sandler oder Frenkie de Jong war Mazraoui nicht das größte Talent in der Jugend", sagt Chris Meijer vom niederländischen Portal Voetbalzone: "Er war körperlich noch nicht so weit. Mazraoui konnte zwar als Außenverteidiger, Flügelspieler und auch zentraler Mittelfeldspieler spielen, war aber auf keiner dieser Positionen unumstritten."

2016 folgte nach dem Talentetag im Kindesalter die zweite Abfuhrbe von Ajax: Mazraoui erhielt keinen neuen Vertrag, blieb aber dennoch im Verein - und zwar "nur, weil Ajax' zweite Mannschaft noch Spieler benötigte", erklärt Meijer: "Mazraoui war dort in der Saison 2016/17 der einzige Spieler, der keinen Vertrag und folglich auch kein Gehalt, keine Prämien und kein Auto bekam."

Mazraouis Wendepunkt: "Gegen die Bayern machte er sich einen Namen"

Doch Mazraoui ließ sich von den Umständen nicht unterkriegen und verdiente sich durch zahlreiche starke Einsätze im November 2016 ein neues Arbeitspapier. Als Marcel Keizer, Mazraouis einstiger Förderer in der Ajax-Reserve, im Sommer 2017 den Cheftrainerposten übernahm, nahm er den Abwehrmann gleich mit. Auch dessen Nachfolger ten Hag setzte fortan auf Mazraoui.

"Ten Hag war mit der Besetzung rechts hinten nicht gänzlich zufrieden, also versuchte er es mit Mazraoui", sagt Meijer: "Beim Champions-League-Spiel beim FC Bayern München (Oktober 2018, Mazraoui erzielte beim 1:1 einen Treffer, Anm. d. Red.) machte er sich endgültig einen Namen."

Die Eigenschaft, niemals aufzugeben, mache ihn "besonders". Auch nach kleinen aber zahlreichen Verletzungen kämpfte sich Mazraoui zurück, er achte nun verstärkt auf seine Ernährung und seinen Lebensstil. Die Professionalität abseits des Platzes wirkt sich auch auf dem Feld aus.

"Er ist ein moderner Außenverteidiger, unheimlich schnell und technisch versiert. Als gelernter Flügel- und Mittelfeldspieler bringt er offensiv enorm viel mit", sagt Meijer über Mazraoui, der zuletzt die BVB-Defensive in der Königsklasse schwindelig spielte: "Er hat sich in Sachen Torbeteiligungen enorm gesteigert, da war er früher wesentlich unauffälliger" In der laufenden Spielzeit kommt Mazraoui in 21 Partien auf vier Tore und drei Vorlagen. In seinen 102 Auftritten zuvor gelangen ihm gerade einmal zehn Scorerpunkte (fünf Tore, fünf Assists).

Gleichzeitig habe er sich auch in seinem Defensivverhalten gesteigert. "Das wurde aufgrund seines Offensivdrangs früher enorm kritisiert", betont Meijer, der Mazraoui bereits weiter als einen seiner Vorgänger sieht: "Meiner Meinung nach ist er defensiv besser als Sergino Dest." Der US-Amerikaner hatte Mazraoui in der Saison 2019/20 auf die Bank verdrängt.

Machte sich gegen den FC Bayern endgültig einen Namen: Noussair Mazraoui.
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Machte sich gegen den FC Bayern endgültig einen Namen: Noussair Mazraoui.

Barcelona, Real Madrid, Arsenal und Co.: Hat Mazraoui die Qual der Wahl?

Mazraoui könnte sich dafür in naher Zukunft womöglich revanchieren und Dest den Platz rechts hinten zumindest streitig machen. Der spanischen Sport zufolge steht der zwölffache marokkanische Nationalspieler nämlich beim FC Barcelona auf dem Zettel. Auch mit Real Madrid wurde Mazraoui in Verbindung gebracht, während ESPN den FC Arsenal und Leeds United als Interessenten nennt.

Laut Gazzetta dello Sport sind mit Juventus, Napoli, Roma und der AC Milan gleich vier italienische Spitzenklubs hinter Mazraoui her. Vergangenen Sommer soll auch der FC Bayern Interesse bekundet haben, am Ende allerdings nicht vollends überzeugt gewesen sein.

Die Tatsache, dass die Verhandlungen um eine Verlängerung seines 2022 auslaufenden Vertrages derzeit stocken, bringt zusätzlich Brisanz in die Personalie - und Ajax unter Zugzwang. Denn die Niederländer laufen Gefahr, Mazraoui ablösefrei zu verlieren, was auch an den Forderungen des Spielers liegen soll.

Der Außenverteidiger, der zuletzt von Ziyechs Berater betreut wurde, fordere laut De Telegraaf nämlich das gleiche Gehalt wie sein alter Weggefährte, der nun für Chelsea auf Torejagd geht. Umgekehrt sei Mazraoui Ajax hingegen "keine fünf, keine vier und keine drei Millionen Euro" wert gewesen.

Um Bewegung in die Verhandlungen zu bringen, engagierte Mazraoui nun einen gewissen Mino Raiola als neuen Berater, der sogleich den Unmut der Ajax-Anhänger auf sich zog. "Die Ajax-Fans machen Raiola dafür verantwortlich, dass Mazraoui noch nicht verlängert hat", sagt Meijer.

Mazraoui doch zum FC Bayern? "Vielleicht wäre er eine geeignete Ergänzung"

Eine Verlängerung schließe Mazraoui zwar zumindest nicht komplett aus, hieß es bei ESPN vor ein paar Monaten noch. Aber: "Es muss eine gewisse Wertschätzung vorhanden sein, ganz einfach. Finanzen, Spiele: Wertschätzung im Allgemeinen."

Sollte Mazraoui Ajax verlassen, sieht ihn Meijer bei einem offensiv denkenden Verein. Mazraoui passe eher zu einer Mannschaft, "die viel den Ball hat und schnell umschaltet als in eine, die sich auf Balleroberung fokussiert". Diesbezüglich hat Meijer sogar eine konkrete Vorstellung: "Vielleicht wäre er eine geeignete Ergänzung für die Bayern, um mit Benjamin Pavard zu konkurrieren."

Zwar spiele Mazraoui bei Ajax stets im 4-3-3 und hat noch nicht als Außenverteidiger in einer Fünferkette agiert, "aber er ist vielseitig und bringt sicherlich die nötige Qualität dafür mit".

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