Der Grenzgänger

Von Stefan Rommel
Luka Modric wechselte im Sommer 2012 von den Tottenham Hotspur zu Real Madrid
© getty

Er ist kein Sechser und kein Zehner - und doch die bestimmende Figur im Spiel von Real Madrid: Luka Modric hat sich vom vermeintlichen Flop zu einem der wichtigsten Protagonisten in Weiß gemausert.

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Wann bei Luka Modric dieser Entwicklungsschub eingesetzt hat, ist schwer zu bestimmen. Mit dem wichtigen Tor im Achtelfinale der Champions League damals gegen Manchester United? Mit den Verletzungen einiger seiner Kontrahenten? Mit dem Wechsel von Jose Mourinho zu Carlo Ancelotti?

Es gibt einige Ansätze, die Wahrheit dürfte aber vermutlich lauten: Luka Modric, kroatischer Nationalspieler und der beste Fußballer seines Landes, ist einfach einer der komplettesten Mittelfeldspieler unserer Zeit.

In der Primera Division und der Champions League kommt er in dieser Saison im Schnitt auf etwas mehr als 66 Pässe pro Partie, seine Passquote beträgt 90,3 Prozent. Noch nie in seiner Karriere konnte Modric bessere Werte aufweisen. Die Passquote von 93,4 Prozent in der Champions League wird nur noch übertroffen von Barcas Xavi (94,4) und Bayerns Philipp Lahm (94,6).

Gründe für den holprigen Start

Vor etwas mehr als einem Jahr bedeuteten seine Quoten wenig Verheißungsvolles. Die Leser von Reals Hauspostille "Marca" wählten Modric mit knapp einem Drittel aller Stimmen zum Transferflop des Jahres. Für kolportierte 33 Millionen Euro war Modric von den Tottenham Hotspur nach Madrid gewechselt, selbst für die großzügigen Einkäufer der Königlichen kein Pappenstiel.

Die Vorbereitung lief auf vollen Touren, der Kroate wurde erst kurz vor Schluss der Transferperiode transferiert. Als er das erste Mal überhaupt den Trainingskomplex Valdebebas betrat, hatten die neuen Kollegen schon den Schliff von Trainer Jose Mourinho aufgesogen und dessen Doktrin verinnerlicht. Modric hetzte diesem frühen Rückstand in seiner ersten Saison vergeblich hinterher.

Er blieb hinter den Erwartungen, seine Presse war schlecht. Und als Kroate, einem vergleichsweise kleinen Land ohne große Erfolge in der Geschichte des Fußballs, fehlte es ihm im Land der Welt- und Europameister auch an der nötigen Reputation.

"Die Leute mögen es eben, immer über andere zu urteilen. Ich habe mich darum aber nie geschert. Ich hatte meine Ziele und habe immer an mich geglaubt. Ich habe einige schwere Zeiten in meinem Leben durchgestanden, aber letztlich haben genau diese Dinge mich stärker und zu einem besseren Menschen gemacht", sagt Modric.

Suche nach System und Personal

"Das erste Jahr bei einem neuen Klub und eine neue Art Fußball zu spielen bringen immer Probleme mit sich. Erfahrungsgemäß ist das für keinen Spieler der Welt so einfach", sagt sein aktueller Trainer Carlo Ancelotti. Dem Italiener ist es gelungen, nicht nur die Balance zwischen Offensive und Defensive seiner Mannschaft zu verbessern, sondern auch eine der Kernfragen des Traineralltags listig zu beantworten: Richte ich ein Spielsystem nach den Spielern aus, die ich zur Verfügung habe oder presse ich bestimmte Spieler in ein System, das ich für richtig halte?

Luca Modrics OPTA-Champions-League-Statistiken 2013/2014

Luka Modric war einer der Härtefälle in Ancelottis Amtszeit in Madrid. Als Xabi Alonso zu Beginn der Saison noch verletzt war, stellte Ancelotti in einem 4-2-3-1 Modric an die Seite von Sami Khedira. Mit der Rückkehr von Alonso hieß die Reihe Khedira-Alonso-Modric, mit dem Kroaten auf der halblinken Achterposition in einem 4-3-3. Khediras Verletzung im Spätherbst trieb Ancelotti kurz zurück zum 4-2-3-1-System, um dann mit dem Rückzug von Angel di Maria auf die Halbposition die zurzeit perfekte Mischung zu finden.

Di Maria (links) und Modric (rechts) flankieren Alonso in der Zentrale. Di Maria kennt diese etwas zurückgezogene Position aus seiner Zeit bei Benfica und in der argentinischen Nationalmannschaft. Er geht dort die langen Wege, offensiv wie defensiv, kann seine Dribbelstärke und seine Geschwindigkeit zur Geltung bringen und findet oft eine aufgerissene Flanke vor, wenn Cristiano Ronaldo oder wahlweise Gareth Bale sich früh zur Mitte orientieren und so wie aus dem Lehrbuch abräumen.

In der Defensive ist er stark eingebunden, weil sich Ronaldo und Bale nur mühsam davon überzeugen lassen, hartnäckig gegen den Ball zu arbeiten. Auf die beiden Halbpositionen samt den Außenverteidigern kommt da jede Menge Arbeit zu. Nicht umsonst hat Modric in dieser Saison bisher häufiger gegrätscht als Alonso.

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