Liga der außergewöhnlichen Gentlemen

Thomas Gaber
22. Mai 201313:11
Unterschiedliche Typen mit Gemeinsamkeiten: Jürgen Klopp (l.) und Jupp Heynckesgetty
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Am 25. Mai wird zum dritten Mal eine deutsche Mannschaft die Champions League gewinnen. Die Endspielgegner von Wembley setzten sich bereits je einmal die Krone der Königsklasse auf. Borussia Dortmund holte 1997 den Titel, der FC Bayern München 2001. Beide Mal hieß der Trainer Ottmar Hitzfeld. Sein Nachfolger heißt entweder Jürgen Klopp oder Jupp Heynckes. Ein Vergleich der beiden Erfolgstrainer.

Werdegang und Erfolge

Ohne die ungewöhnliche Idee eines ehemaligen Gebrauchtwagenhändler wäre Jürgen Klopp vielleicht nie Trainer geworden. Im Januar 2001 rief Christian Heidel, damals und heute noch Manager von Mainz 05, den Mainzer Spieler Klopp an und offerierte ihm das Traineramt beim kriselnden Zweitligisten.

"Ich habe ihm gesagt: 'Jürgen, wir müssen Eckhard Krautzun leider beurlauben und wir machen das jetzt dann ohne Trainer. Ich brauche aber einen, der sich auf die Bank setzt und ein bisschen was erzählt. Was hältst du davon, wenn du das machst?'" Drei Sekunden, so Heidel, habe Klopp maximal überlegt, ehe er zusagte.

"Ich war leider kein sonderlich begabter Fußballer. Dafür habe ich mich schon früh mit Taktik beschäftigt und meine jeweiligen Trainer genervt mit meiner Wissbegierde", sagt Klopp.

An seinen ersten Vertrag als Trainer erinnert er sich noch genau: "Christian hat dafür gesorgt, dass ich mir die Autos, die er verkauft hat, nicht leisten konnte."

In der Saison 2000/2001 rettete Klopp die Mainzer vor dem Abstieg und scheiterte in den darauffolgenden zwei Jahren dramatisch am Aufstieg in die Bundesliga, der ihm aber wiederum ein Jahr später gelang. Nach zwei elften Plätzen stiegen die Mainzer 2007 wieder ab.

Nachdem der direkte Wiederaufstieg 2008 knapp verpasst wurde, verließ Klopp Mainz und wechselte zu Borussia Dortmund. Nach Platz sechs und fünf führte Klopp den BVB 2011 und 2012 zum deutschen Meistertitel und holte 2012 das erste Double der Vereinsgeschichte.

In der Bundesligasaison 2011/12 stellte Dortmund mehrere Rekorde auf, die allerdings vom FC Bayern in der gerade abgelaufenen Saison 2012/13 noch überboten wurden.

Heynckes: Titel, Rauswürfe und ein Spieleraufstand

Jupp Heynckes verfolgte den klassischen Karriereplan. Noch im letzten Jahr seiner Spielerlaufbahn absolvierte er die Ausbildung zum Fußballlehrer an der Sporthochschule Köln. 1979 wurde er mit gerade 34 Jahren Cheftrainer von Borussia Mönchengladbach.

"Mir war klar, dass ich nach meiner Spielerkarriere im Fußball bleiben will. Ich hatte von so hervorragenden Trainern wie Hennes Weisweiler oder Udo Lattek gelernt. Dieses Wissen wollte mit meiner Art an junge Spieler weitergeben", sagt Heynckes über seine Anfänge als Trainer.

Die großen Erfolge, die Heynckes als Spieler mit den Fohlen feiern konnte, blieben zunächst als Trainer aus. Bis zu seinem Wechsel zum FC Bayern 1987 holte er keinen Titel und erreichte zwei Finals (1980 UEFA-Cup, 1984 DFB-Pokal).

Nach einer "verlorenen Saison" 1987/88 (Bayern-Manager Uli Hoeneß) gewann Heynckes zwei Mal in Folge die deutsche Meisterschaft.

Nach unglücklichen Niederlagen (Halbfinal-Aus im Landesmeistercup 1991 gegen Roter Stern Belgrad) aber auch peinlichen (Erstrunden-Aus im DFB-Pokal 1990 gegen den FV Weinheim) und einer Negativserie zu Beginn der Saison 1991/92 wurde Heynckes im Oktober 1991 gefeuert.

Heynckes wechselte nach Spanien zu Athletic Bilbao und erzielte bis 1994 beachtliche Erfolge, ehe er in die Bundesliga zurückkehrte und Eintracht Frankfurt übernahm. Auf seiner Antritts-Pressekonferenz sagte Heynckes den folgenschweren Satz: "Wenn ich hier am 1. Juli anfange, gehen die Uhren anders."

Die Eintracht-"Diven" Okocha, Yeboah und Gaudinho machten Heynckes das Leben zur Hölle und meldeten sich für den 16. Spieltag 1994/95 krank. Im April 1995 hatte Heynckes genug von den Grabenkämpfen und löste seinen Vertrag auf.

Heynckes ging wieder ins Ausland und landete 1997 bei Real Madrid. Trotz des Gewinns der Champions League, dem ersten Landesmeistertitel für die Königlichen nach 32 Jahren, wurde er nach nur einer Saison entlassen. Nach einem Engagement bei Benfica Lissabon folgten erneut zwei wenig erfolgreiche Stationen in der Bundesliga bei Schalke 04 und seinem Stammverein Mönchengladbach.

Im Januar 2007 trat Heynckes in Gladbach zurück. Angeblich hatte er zuvor Morddrohungen erhalten. Heynckes wollte von da an eigentlich nie mehr als Trainer arbeiten. Im April 2009 sprang er nach einem Hilferuf seines Freundes Uli Hoeneß für fünf Spieltage bei den Bayern ein.

"Diese fünf Spiele damals haben das Feuer in mir neu entfacht", sagt Heynckes. Bayer Leverkusen verpflichtete Don Jupp und stattete ihn mit einem Zweijahresvertrag aus. Leverkusen hätte mit Heynckes 2011 gerne verlängert, doch abermals klopften die Bayern an und Heynckes ging ein drittes Mal nach München.

Nach drei zweiten Plätzen 2012 winkt in dieser Saison das historische Triple. Heynckes kokettiert mit seinem endgültigen Abschied als Trainer, entschieden hat er sich aber noch nicht - und angeblich hat Real Madrid ein zweites Mal angeklopft.

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Persönlichkeit und Auftreten

Als er noch Trainer in Mainz war, drehte Jürgen Klopp einmal nach einem Tor seiner Mannschaft eine halbe Stadionrunde im Sprint, um sich dann in einem Spielerknäuel zu suhlen. Dabei rutschte er auf einer schräg aufgestellten Werbebande aus und fiel unsanft auf den Steiß.

Klopp saugt am Spielfeldrand alles auf, was ein Fußballspiel beeinflusst. Er ist permanent in Bewegung, sucht gerne auch das hitzige Gespräch mit dem vierten Schiedsrichter und den kurzen Draht zu seinen Spielern.

"Mir hat mal ein Journalist vorgerechnet, dass ich während eines Spiels 14 Mal einen Spieler zur Seitenlinie geholt und auf ihn eingeredet habe. Scheinbar hören mir die Jungs in der Besprechung nicht zu", sagt Klopp.

Seine Emotionen auf dem Platz sind nicht gespielt, Klopp lebt Fußball mit Haut und Haaren. Manchmal in der Wahrnehmung übertrieben, aber nie aufgesetzt.

"Jürgen ist ein Typ voller positiver Energie und Leidenschaft. Er hat vom ersten Tag an diesem Verein neues Leben eingehaucht. Er passt perfekt zur Mentalität im Ruhrgebiet und ist der beste Trainer der Welt für Borussia Dortmund", stellte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in wiederkehrenden Statements klar.

Euphorie und ein lockerer Umgang sind die Antriebsfedern seiner Arbeit, aber auch der Kumpeltyp Klopp kommt nicht ohne Macht aus. Charakterliche Abweichungen sind Klopp ein Gräul, entsprechende Sanktionen die Folge. "Arschlöcher können wir hier nicht gebrauchen, da kann einer noch so überragend kicken", lautet sein Credo.

Als er von einem Journalisten nach dem bekanntgewordenen Götze-Transfer zum FC Bayern gebeten wurde, ohne die üblichen Floskeln zu erklären, wie denn die Mannschaft reagiert hätte, antwortete Klopp: "Ich sehe Sie hier zum ersten Mal und dann gleich Forderungen zu stellen - Hut ab. Sie sind vom Fernsehen, was machen Sie: Tierfilme? Vielleicht können Sie mir ja einen Tipp geben, wie ich das der Mannschaft am besten erkläre."

Seine hemdsärmelige Rhetorik hat Klopp viele Sympathien eingebracht. Ein Tor ist bei ihm eine "Kiste", der Gegner mitunter ein "brutales Brett".

Nicht immer kommt seine Art der Kommunikation gut an. Michael Thurk, der fünf Jahre unter Klopp bei Mainz spielte, sagte nach seinem Wechsel zu Eintracht Frankfurt 2006: "Dieses ständige Fröhlichsein, immer einen flotten Spruch draufhaben, das hat sich abgenutzt. Ich konnte vieles von dem, was er sagt, einfach nicht mehr hören."

Heynckes: Respekt, Anstand, Seriosität

Dem Irrwisch Klopp steht in Wembley der Stoiker Jupp Heynckes gegenüber. Seine ruhige, stets höfliche und auf Seriosität und Anstand bedachte Art, verdient großen Respekt. Heynckes war noch nie ein Lautsprecher, er überlässt das Poltern gerne anderen.

Seine Freizeit verbringt Heynckes am liebsten bei langen Spaziergängen mit seinem Hund, geborgen fühlt er sich am ehesten in seiner rheinischen Heimat.

Mitunter wirkt Heynckes etwas bieder und pedantisch, was ihm auch schon zum Verhängnis geworden ist. Mit Stars, vor allem den aufmüpfigen, gab es Schwierigkeiten. Clarence Seedorf merkte 1998 an, dass Real Madrid nicht wegen sondern trotz Jupp Heynckes die Champions League gewonnen habe.

Doch Heynckes ließ sich nie verbiegen, Konfrontationen geht er lieber aus dem Weg. Als es in Frankfurt und beim zweiten Versuch in Mönchengladbach nicht funktionierte, gab Heynckes sein Traineramt auf, mit Anstand. "Der Wagen ist gewaschen und vollgetankt", sagte Heynckes zum Abschied aus Mönchengladbach im Januar 2007.

Auch bei öffentlichen Auftritten wahrt Heynckes seinen Stil. Provokanten Fragen von Journalisten begegnet er mit Sachlichkeit, Ausfälle sind höchst selten, Sticheleien kommen aber auch bei Heynckes vor.

Als Klopp den FC Bayern mit dem Vorwurf konfrontierte, den Stil des BVB zu plagiieren, erklärte Heynckes, der FC Bayern bestehe ja schon etwas länger, als Klopp Trainer sei.

"Wenn Jürgen irgendwann mal in den Genuss kommt, Bayern oder Real zu trainieren, wird er merken, was das bedeutet, in eine andere Welt zu treten", urteilte Heynckes. Sein wichtigster Grundsatz als Sportler lautet: auch in der Niederlage Größe zeigen.

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Teamführung und Spielphilosophie

So unterschiedlich beide Trainer in ihrer Persönlichkeit sind, haben sie hinsichtlich der Teamführung einige Gemeinsamkeiten. Klopp und Heynckes sind Pädagogen, haben etwas Väterliches und auch Strenges im Umgang mit den Spielern. Heynckes wahrt dabei die Distanz, Klopp stellt sein Verhältnis zur Mannschaft als etwas Kumpelhaftes dar.

Seine Spieler sind seine "Jungs", die ihn mit dem Spitznamen "Kloppo" anreden. "Ich will kein Abhängigkeitsverhältnis auf dem Platz. Die Arbeit mit der Mannschaft muss von hundertprozentigem gegenseitigem Vertrauen geprägt sein. Wenn ich erkennen sollte, dass das nicht mehr gegeben ist, muss ich sofort aufhören", sagt Klopp.

Als er 2008 in Dortmund anfing, lag der Verein sportlich am Boden. Zwar durfte der BVB durch die DFB-Pokalfinal-Teilnahme im UEFA-Cup spielen, die abgelaufene Bundesligasaison war mit Platz 13 aber ein Horrorszenario.

Klopp krempelte die Mannschaft um und schreckte auch nicht vor unpopulären Entscheidungen zurück. Für Publikumsliebling Alex Frei war Anfang der Saison 2008/09 kein Platz mehr. Nach und nach baute Klopp Talente wie Mario Götze in die Mannschaft ein, vermittelte ihr einen erfrischenden Offensivstil und beherrschte zwei Jahre lang die Bundesliga.

Die Grundidee war recht einfach: Alle zehn Feldspieler müssen verteidigen und angreifen. Dortmund perfektionierte die Jagd nach dem Ball in der gegnerischen Hälfte, gepaart mit schnellem Umschaltspiel. Die Art, wie Borussia Dortmund zwischen 2010 und 2012 Fußball spielte, war keineswegs revolutionär, aber in Deutschland bis dato gänzlich unbekannt.

Eine weitere wichtige Komponente im Klopp-Fußball ist das Vermeiden von Fouls. Wer Fouls machen muss, hat vorher schlecht gearbeitet. Dortmund gehörte in den letzten Jahren auch immer zu den fairsten Mannschaften. In dieser Saison gelang es dem BVB, als erste Mannschaft der Bundesliga Gelbsperren zu vermeiden.

Für die kommende Saison kündigte Klopp eine veränderte Spielweise an. "Es wird wieder mehr Richtung Spiel gegen den Ball gehen. Weniger Dominanzfußball. Und ein ganz wichtiger Aspekt: Wir wollen wieder dramatisch weniger Gegentore bekommen. Wir wollen dafür sorgen, dass Stabilität im nächsten Jahr einen noch höheren Stellenwert erhält", sagte er im "kicker".

Auslaufmodell Heynckes? Von wegen

Heynckes war als Trainer lange pragmatisch eingestellt. Das Spektakel durfte den Erfolg nicht verhindern. In seiner Zeit bei Real Madrid ein Trugschluss. Obwohl er die Champions League gewann, musste er gehen. Die Königlichen spielten nach Meinung der Bosse mit zu wenig Glanz, zu wenig Verve.

Heynckes lässt kaum eine Gelegenheit aus, bei öffentlichen Auftritten auf seine fast 50-jährige Erfahrung im Fußball und seine Zeit im Ausland hinzuweisen. Vor allem in Spanien habe er sich gegen Widerstände durchgesetzt, dabei aber immer einen guten Draht zu seinen Spielern gepflegt.

Der ehemalige Schalke-Manager Rudi Assauer bezeichnete Heynckes während dessen Zeit bei den Knappen als Auslaufmodell. "Jupp ist ein Fußballer der alten Schule aber wir haben 2004."

Dass er mit 68 Jahren nochmal in die Riege der ganz großen Trainer aufsteigt, hat Heynckes seiner "exzellenten Menschenführung" (Bayern-Kapitän Lahm), aber auch seiner Bereitschaft zur Veränderung zu verdanken. "Jupp ist nicht mehr der Dickkopf von früher. Er nimmt Ratschläge mittlerweile an", sagte Heynckes' langjähriger Weggefährte Franz Beckenbauer. SPOX

Nach dem 3:0 im letzten Heimspiel gegen Augsburg sagte Philipp Lahm, man könne den Trainer Heynckes nicht nur auf dessen menschliche Fähigkeiten reduzieren. "Unser Trainer ist auch in taktischer Hinsicht ein hervorragender Trainer", sagte Lahm zu SPOX.

Nach der Drama-Saison 2011/12 hat Heynckes aus dem FC Bayern die dominierende Mannschaft Europas gemacht. Erhöhte Aggressivität bei der Balleroberung, eine deutliche verbesserte Balance und mehr Tempo bei eigenem Ballbesitz sind die Merkmale des FC Bayern 2012/13.

Heynckes ist es in dieser Spielzeit auch gelungen, 16, 18 potentielle Stammspieler bei Laune zu halten. "Was unser Trainer ist dieser Saison geleistet hat, ist einfach fantastisch. Ihm gebührt das höchste Maß an Respekt", sagte Sportvorstand Matthias Sammer. Fehlt nur noch das krönende Ende einer sehr erfolgreichen Karriere als Spieler und Trainer.

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Borussia Dortmund - FC Bayern München: die Bilanz gegeneinander