BVB, Erkenntnisse zum Sieg über Werder Bremen: Borussia Dortmund hat zwei große Mankos - für diesen DFB-Star wird es langsam eng

Von Tim Ursinus
suele-schlotte-can
© getty

Borussia Dortmund bleibt auch nach dem achten Spieltag ungeschlagen. Warum das so ist, spiegelt sich auf dem Platz allerdings nicht wirklich wider. Immerhin trumpfte ein Neuzugang erstmals auf, ein Nationalspieler musste derweil den nächsten Dämpfer hinnehmen. Erkenntnisse zum Sieg des BVB.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Durch den 1:0-Sieg gegen Werder Bremen hat Borussia Dortmund vorerst die Tabellenführung in der Bundesliga übernommen. Die Konkurrenz aus Leverkusen, Stuttgart und München kann den Platz an der Sonne am Samstag zurückerobern - und hätte diesen eigentlich auch mehr verdient als der BVB.

Das liegt an gleich mehreren Aspekten, die für Trainer Edin Terzic noch einiges an Arbeit bedeuten.

Borussia Dortmund, SV Werder Bremen, Bundesliga, BVB, Noten, Einzelkritiken, Bewertung, Mats Hummels, Marco Reus, Niclas Füllkrug, Felix Nmecha, Emre Can
© getty

BVB: Offensive zu uninspiriert und ausrechenbar

Der schnelle Blick auf die Tabelle löst in Dortmund derzeit sicher Glücksgefühle aus. 20 Punkte, sechs Siege, zwei Remis und keine Niederlage - so lautet die Bilanz des BVB nach den ersten acht Spieltagen. Bei einer solchen Ausbeute kann durchaus von einer verdienten Tabellenführung die Rede sein. Doch der Schein trügt, wenn man einen Blick hinter die Anzeigetafel wagt.

In keinem Pflichtspiel dieser gar nicht mehr so jungen Spielzeit schaffte es die Terzic-Truppe bisher, den Gegner so zu dominieren und diesen an seine Grenzen zu bringen, wie es ihr noch im Endspurt der Vorsaison gelungen war. Einer der Gründe dafür ist die teils uninspirierte Offensive.

Häufig fehlt es dem BVB an zündenden Ideen, den meist tiefstehenden Gegenüber vor Probleme zu stellen. Einer ausgeklügelten Kombination wird meist die Kopf-durch-die-Wand-Methode vorgezogen. Das Ergebnis: Bälle, die nicht dahingehen, wo sie hinsollen oder Zufallsprodukte, die dann nicht mehr ordentlich ausgespielt werden können. Meist folgt ein Abschluss, der nur mit viel Glück sein Ziel findet und nicht selten in einem Eckball endet. Hin und wieder auch ein Pass, auf den etwas besser positionierten Mitspieler, der jedoch schnell zugelaufen werden kann oder eine halbgare Flanke aus dem Halbfeld.

Das spiegelte sich auch in der Statistik gegen Bremen wider. Zwar fabrizierte der BVB gegen über weite Strecken tief stehende Grün-Weiße 23 Schüsse, von diesen landeten aber auch nur fünf auf dem Tor. Niclas Füllkrug wurde derweil überhaupt nicht gefunden (21 Ballaktionen). Nur selten gelang es, die dichte Werder-Abwehr auseinanderzuziehen. Eine dieser Ausnahmen führte zum entscheidenden Tor durch Julian Brandt, dem nach einer bezeichnend wilden Sequenz mit vielen hohen Bällen ein schönes Zuspiel von Emre Can durch die beiden Bremer Ketten vorausgegangen war.

"Das war das Muster, das wir uns ausgemalt haben, dass wir immer einen Innenverteidiger rausziehen aus der Dreierkette mit unseren Spielern zwischen den Linien und dann der dahinter durchstartet, dass wir da Gegenbewegungen haben", sagte Terzic in der Analyse nach dem Spiel über den Siegtreffer von Brandt und beschrieb genau das, was der BVB in nahezu jeder Offensivaktion vermissen ließ.

BVB: Brandt und Reus ein Lichtblick

Wenn es mal (gewollt) gefährlich wurde, hatten Brandt und Marco Reus ihre Finger im Spiel. Ihr Zusammenspiel war der einzige Lichtblick im tristen Dortmunder Offensivspiel. Sie waren es, die mit Tempoläufen, schnellen Passstafetten und Rochaden immerhin für den einen oder anderen Riss in Bremens Bollwerk sorgten. Am Ende der Kette fand einer der beiden hin und wieder Donyell Malen, der aber kein Glück im Abschluss hatte.

"Ich interpretiere die Position natürlich ein bisschen anders, als es jetzt klassische Flügelspieler machen wie Jamie (Bynoe-Gittens), Karim (Adeyemi) oder Donny (Malen)", erklärte Brandt, der vorrangig auf der linken Seite stürmte: "Ich versuche schon, möglichst reinzuziehen. Ich glaube, dass das mit Marco immer ganz gut matcht, wir sind viel in Bewegung, tauschen auch die Positionen, es ist so ein bisschen eine Hybridposition."

Hinter vorgehaltener Hand ließ Brandt aber auch durchblicken, dass er auf Dauer lieber wieder in zentralerer Rolle zum Einsatz kommen wolle. "Ich will es nicht zu negativ klingen lassen, aber es ist Fluch und Segen zugleich, wenn du eine Vergangenheit auf dem Flügel hast", sagte er. Der Trainer stehe "vor der Qual der Wahl", aber "momentan ist alles gut, dementsprechend möchte ich diese Positionsdebatte nicht nochmal aufmachen."

Worte, die auch als Fingerzeig an den Trainer gedeutet werden können. Womöglich würde schon eine kleine Systemumstellung für mehr Esprit in der Offensive sorgen. Schließlich könnten Brandt und Reus, anders als im 4-2-3-1, auch hinter einer Doppelsitze in zentralerer Rolle agieren.

Borussia Dortmund, SV Werder Bremen, Bundesliga, BVB, Noten, Einzelkritiken, Bewertung, Mats Hummels, Marco Reus, Niclas Füllkrug, Felix Nmecha, Emre Can
© getty

BVB: Defensive Abstimmung bleibt ein Manko

Neben der Spielidee in der Offensive bleibt die Abstimmung zwischen Mittelfeld und Abwehr ein Manko. Sobald Werder auch nur ein wenig aufdrehte - wie vor allem in der Phase zwischen der 10. und 25. Minute -, war die Viererkette auf sich alleine gestellt. Häufig kam es zu Vier-gegen-Vier-Situationen, die stärkere Gegner sicher nicht immer derart harmlos zu Ende spielen würden.

Die Absprache und das Pressing von Can und Felix Nmecha ließ in diese Szenen zu wünschen übrig. Schoben sie heraus, waren die Abstände nach hinten zu groß. Positionierten sie sich weit in der eigenen Hälfte, war es meist zu statisch.

Ein Kritikpunkt, den sich auch oder insbesondere Terzic auf die Fahne schreiben muss. Nahezu jede Woche ändert der BVB-Coach seine Formation im Zentrum. Zuletzt hatte Salih Öczan meist den Vorzug vor Can bekommen, zu Saisonbeginn spielte Marcel Sabitzer an der Seite des Kapitäns. Zeit, um sich aufeinander abzustimmen, bekam im Mittelfeld also keiner so richtig.

Dennoch ist zu erwarten, dass gerade Can in seiner neuen Rolle als Kapitän das Defensivspiel mehr koordiniert. Es kann nicht der Anspruch sein, dass die gegnerische Mannschaft während eines Spiels merkt, wie verwundbar der BVB gegen den Ball ist und in der Folge ohne große Konsequenzen mutiger wird. Dass muss schleunigst besser werden.

In den nächsten Wochen erwarten den BVB andere Kaliber, die diese Schwäche womöglich auszunutzen wissen. Mit dem FC Bayern München, dem VfB Stuttgart, Bayer Leverkusen und RB Leipzig kommen die derzeit vier offensiv stärksten Teams alle noch. In der Champions League stehen außerdem zwei wegweisende Duelle mit Newcastle United an.

Borussia Dortmund - SV Werder Bremen: Die Daten zum Spiel

BVB vs. Werder Bremen: 1:0 (0:0)

Tore1:0 Brandt (67.)
Aufstellung DortmundKobel - M. Wolf (62. Reyna), Hummels, N. Schlotterbeck, Ryerson - F. Nmecha, Can, Brandt (90. Adeyemi), Reus (62. Bensebaini), Malen (77. Sabitzer) - Füllkrug (77. Haller)
Aufstellung BremenZetterer - Friedl, Veljkovic, A. Jung (87. Borre) - Weiser, Stage, Deman, Bittencourt (68. Lynen), Schmid (81. Woltemade) - Kownacki (68. Njinmah), Ducksch
Gelbe Karten
  • Dortmund: Nmecha (44.)
  • Bremen: Stage (75.), Veljkovic (83.)
Borussia Dortmund, SV Werder Bremen, Bundesliga, BVB, Noten, Einzelkritiken, Bewertung, Mats Hummels, Marco Reus, Niclas Füllkrug, Felix Nmecha, Emre Can
© getty

BVB: Felix Nmecha zeigt erstmals, warum er geholt wurde

Obwohl noch nicht alles stimmte (Stichwort Abstimmung mit Can und Abwehr), machte Nmecha sein mit Abstand bestes Spiel im BVB-Trikot (SPOX-Note: 2,5). Der Nationalspieler deutete erstmals an, warum Sportdirektor Sebastian Kehl für ihn im Sommer die kolportierten 30 Millionen Euro Ablöse an den VfL Wolfsburg überwiesen hatte.

Seine erste große Tat war sogar eine Defensivaktion, als er in Bremens Druckphase eine wichtige Rettungsgrätsche gegen Romano Schmid auspackte und somit einen möglichen Rückstand verhinderte. Die Folge war der wohl erste Szenenapplaus von der Gelben Wand für den umstrittenen Neuzugang. Darüber hinaus spielte er einige herausragende Pässe wie sein Diagonalball auf Brandt (33.) und zeigte das eine oder andere Kabinettstückchen, was für Raunen im Westfalenstadion sorgte.

Die wichtigste Aktion von Nmecha war aber eine, die erst bei genauerem Hinsehen auffiel. Vor Cans Steckpass auf Brandt kreuzte er mit diesem den Laufweg und schuf damit den nötigen Raum für den Torschützen.

Seine Leistung war ein erstes Ausrufezeichen an seine Kritiker und die ihm nicht gerade wohlgesonnen Fans, nachdem er in seinen ersten Wochen in Dortmund eher einem Fremdkörper geglichen hatte.

Klar ist aber auch, dass Nmecha noch einiges aufzuholen hat. Leistungen dieser Art sollten für einen Spieler seiner Preisklasse keine Einzelfälle, sondern an der Tagesordnung sein.

suele-bank
© getty

BVB: Für Niklas Süle wird es langsam eng

Während Brandt, Mats Hummels und Füllkrug trotz der anstrengenden Länderspielreise nur wenige Stunden nach dem Mexiko-Spiel der deutschen Nationalmannschaft in der Startelf standen, schmorte der vierte im Bunde mal wieder auf der Bank: Niklas Süle.

Den Vorzug bekam der nicht von Bundestrainer Julian Nagelsmann nominierte Nico Schlotterbeck. Das lag jedoch nicht in erster Linie daran, weil Schlotterbeck deutlich ausgeruhter war und Süle gegen Mexiko noch in der Startelf gestanden hatte, sondern weil dieser derzeit schlichtweg neben Hummels in der Innenverteidigung gesetzt ist.

Süle stand in der Bundesliga letztmals am 1. September beim mehr als enttäuschenden 2:2 gegen den 1. FC Heidenheim in der Startelf. Seither reichte es lediglich zu zwei Kurzeinsätzen von insgesamt 27 Minuten. In den restlichen drei Partien sah er über die volle Distanz zu. Nur beim 0:2 gegen PSG, als Terzic auf eine Fünferkette setzte, spielte Süle noch von Beginn an - und an dieser Situation könnte sich vorerst auch nichts ändern.

"Niklas kennt die Gründe und er weiß, woran er arbeiten muss. Ich bin mir aber sicher: Er wird ein sehr wichtiger Faktor für uns sein", erklärte Terzic vielsagend vor dem Bremen-Spiel.

Süle, der im vergangenen Jahr mit großen Ambitionen vom FC Bayern nach Dortmund gekommen war, sucht derzeit vergeblich nach seiner Form. Auch gegen Mexiko nutzte er seine Chance auf der rechten Abwehrseite nicht. Vielmehr enttäuschte er maßlos (SPOX-Note: 5). Verändert sich seine Situation nicht bald, wackelt womöglich auch sein Platz für die Heim-EM im kommenden Jahr. Das wäre nicht weniger als der Super-GAU für den Topverdiener des BVB.

Ein Hoffnungsschimmer für Süle: Den BVB erwarten nun drei englische Wochen in Folge. Gut möglich, dass Terzic dem 28-Jährigen dann eine neue Chance gibt - und diese sollte er tunlichst nutzen.

BVB: Die kommenden Gegner von Borussia Dortmund

DatumWettbewerbGegnerHeim/Auswärts
25.10., 21 UhrChampions LeagueNewcastle UnitedA
29.10., 15.30 UhrBundesligaEintracht FrankfurtA
01.11., 18 UhrDFB-PokalTSG HoffenheimH
04.11., 18.30 UhrBundesligaFC BayernH
07.11., 18.45 UhrChampions LeagueNewcastle UnitedH