Kommentar zum Kleinkrieg von Thomas Tuchel mit Lothar Matthäus und Didi Hamann: Der Auslöser eines Effekts beim FC Bayern München?

Von Tim Ursinus
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Rund um die Gala des FC Bayern München gegen Borussia Dortmund ist Thomas Tuchel im Kleinkrieg mit den Experten Lothar Matthäus und Didi Hamann der Kragen geplatzt. Seine Reaktion auf die teils überzogene Kritik ist nur verständlich und schadet der Mannschaft offensichtlich nicht. Sie könnte sogar von größerer Bedeutung sein. Ein Kommentar.

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Es war durchaus überraschend, dass Tuchel nach seiner Spitze gegen Lothar Matthäus und Didi Hamann in der Pressekonferenz vor dem wegweisenden Spiel in Dortmund derart auf Krawall gebürstet war.

Erst ließ er Sky-Reporter Patrick Wasserziehr im Vorfeld der Partie ordentlich auflaufen, dann holte er am Experten-Tisch wenige Meter neben Matthäus zum Rundumschlag gegen den Rekordnationalspieler und den zweiten Chefkritiker vom Dienst aus. Der krönende Abschluss des Auftritts, der das Potenzial hat, in die Sport-TV-Geschichte einzugehen: Tuchel brach das Interview mit einer spitzzüngigen Forderung ("Heute haben wir 4:0 gewonnen, jetzt müsst Ihr [die Experten; Anm. d. Red.] eine 180-Grad-Wende machen.") schließlich selbst ab.

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Es wurden Erinnerungen an die legendäre PK von Giovanni Trapattoni wach. Auch ein Hauch von José Mourinho, der mit der Presse regelmäßig auf Kriegsfuß steht, lag in der Luft. Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel legte Tuchel sogar nochmal nach. Die Art und Weise von Tuchels Reaktion war vielleicht ein Stück weit drüber oder für manch einen schon ein bisschen weinerlich, trotzdem ist sie verständlich - und viel wichtiger für die Bayern: Der Mannschaft schadet sie offensichtlich nicht. Sogar ganz im Gegenteil.

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FC Bayern München: Bester Saisonstart seit Pep Guardiola

Das 4:0 gegen den Erzrivalen war die mit Abstand beste Leistung der Münchner in dieser Saison, vielleicht sogar die beste seit Tuchels Amtsantritt im März dieses Jahres. Denn: Der BVB hatte beinahe zu keinem Zeitpunkt auch nur die Möglichkeit, Einfluss auf den Ausgang der Partie zu nehmen. Über die kompletten 90 Minuten war der FC Bayern haushoch überlegen.

Rund um das blamable Pokal-Aus in Saarbrücken war unter anderem die Rede von "fehlender Weiterentwicklung" (mal wieder), zu wenig Kommunikation vonseiten Tuchels mit den Spielern und dass er diesen kein Vertrauen schenken würde. Belege gibt es dafür jedoch nicht wirklich.

Zumal die Ausbeute der Bayern in Bundesliga und Champions League eine komplett andere Sprache spricht. 26 Punkte aus zehn Spielen hat der deutsche Rekordmeister seit acht Jahren nicht mehr geholt - im Amt war damals noch ein gewisser Pep Guardiola. In der Königsklasse kann am Mittwoch gegen Galatasaray Istanbul mit dem vierten Sieg schon frühzeitig das Achtelfinal-Ticket gebucht werden.

FC Bayern, News und Gerüchte, Lothar Matthäus, David de Gea, Harry Kane, Sofyan Amrabat, Kyle Walker, Malik Tillman
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Thomas Tuchel muss sich Kritik gefallen lassen, aber ...

Dennoch ist es legitim, dass nach dem Debakel im DFB-Pokal auch Kritik an Tuchel aufkommt. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass seine Mannschaft in dieser Spielzeit weit hinter den Erwartungen zurückblieb und teils unterirdisch spielte. Das hatte auch Matthäus bei der Vorberichterstattung noch einmal aufgegriffen und dabei ging er auf die Partien in Istanbul, Kopenhagen oder Mainz ein, in denen der FCB mit einem blauen Auge davongekommen war. Und damit traf der Rekordnationalspieler augenscheinlich einen wunden Punkt.

Umso menschlicher ist es dann aber auch, sich und seine Spieler zu verteidigen. "Ich werde mittlerweile jede Woche nach Didi Hamann und Lothar Matthäus gefragt. Ich habe keine Lust, da in der Mitte zu stehen und Kommentare abzugeben", sagte Tuchel in den Katakomben des Westfalenstadions: "Heute war mal der Tag, das endgültig zu sagen. Ich werde darauf nicht mehr weiter eingehen."

Für Leon Goretzka "gehört das alles mit zu dem Zirkus" dazu, auch wenn mal Aussagen dabei wären, "die wehtun". Und dann ist es eben die Aufgabe des Trainers, sich vor die Mannschaft zu stellen und sie zu schützen. Das übertraf Tuchel sogar noch einmal.

Mit seinem Wutausbruch hat er den Druck von den Spielern voll auf sich gezogen und womöglich eine Art Schutzmauer um sie gebaut. Ein - ungeplanter - Effekt, der zusammenschweißen und eine gewisse "Wir gegen den Rest der Welt"-Mentalität mit sich bringen würde - und dieser hält die FCB-Profis offensichtlich nicht von irgendetwas ab. Vielmehr scheint Tuchel einen Nerv getroffen zu haben und seine Herangehensweise zu gefallen.

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BVB vs. FC Bayern München: Die letzten Duelle

DatumWettbewerbHeimGastErgebnis
4. November 2023BundesligaBVBFC Bayern München0:4
1. April 2023BundesligaFC Bayern MünchenBVB4:2
8. Oktober 2022BundesligaBVBFC Bayern München2:2
23. April 2022BundesligaFC Bayern MünchenBVB3:1
4. Dezember 2021BundesligaBVBFC Bayern München2:3
17. August 2021SupercupBVBFC Bayern München1:3
6. März 2021BundesligaFC Bayern MünchenBVB4:2
7. November 2020BundesligaBVBFC Bayern München2:3
30. September 2020SupercupFC Bayern MünchenBVB3:2
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