Super Woche, scheiß Tag

Von Stefan Rommel
Der Liebling und Messias der Schalker Fan-Massen: Trainer und Manager Felix Magath
© Imago

Schalke 04 ist auf dem besten Wege, sich selbst untreu zu werden. Neu-Trainer, Manager und Übervater Felix Magath räumt beim Chaos-Klub rigoros auf und verpasst Königsblau immer mehr einen seriösen Anstrich.

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Der VfB Stuttgart wollte vor einigen Jahren mal so sein wie Schalke 04. Präsident Erwin Staudt schielte neidisch auf die Mitgliederzahl in Gelsenkirchen und erblickte eine beeindruckende 40.000.

Also riefen findige Marketingstrategen flugs die Aktion "Wir packen Schalke" ins Leben, mit dem Ziel, die Königsblauen als zweitstärksten Klub Deutschlands hinter Bayern München abzulösen.

Staudt wählte dafür den perfekten Zeitpunkt, schließlich schwammen die Stuttgarter mit ihren Jungen Wilden auf einer beinahe deutschlandweiten Euphoriewelle. Der Baumeister der hoffnungsvollen Mannschaft: Felix Magath.

Probleme wie damals in Stuttgart

Sechs Jahre später ist Magath Trainer und Manager auf Schalke. Der 56-Jährige hat in Gelsenkirchen eine Situation vorgefunden, wie sie vergleichbar ist mit der in Stuttgart, als er dort im Frühjahr 2001 einspringen durfte.

Die finanzielle Situation des Vereins ist mit "klamm" noch freundlich umschrieben, die Mannschaft hatte keine Struktur, dafür aber umso mehr Grüppchen. Die Fans hatten den Bezug zum Team verloren und nicht viel Hoffnung, dass sich an der Konstellation so schnell etwas ändern würde.

Der erste legitime Nachfolger Stevens'

Neun Trainer haben Mannschaft, Umfeld und Fans seit Huub Stevens Abgang Juli 2002 quasi verspeist, einmal musste gar ein Triumvirat aus drei Interimstrainern der zügellosen Mannschaft Einhalt gebieten.

Neubarth, Heynckes, Rangnick, Slomka, Rutten und eine Handvoll Interimstrainer - sie alle versanken im Schalker Chaos.

Seit Stevens hatte kein Trainer mehr das Team im Griff. Bis jetzt, bis Magath.

Aus der Not eine Tugend gemacht

Der Notfall gebiert bisweilen die besten Ideen. So ist es derzeit auch auf Schalke. Bei seinen beiden vorigen Stationen konnte Magath bei den potenten Bayern und Wolfsburgern wenn gewünscht nur so mit Geld um sich werfen und sich den Kader zusammenkaufen, der ihm beliebte.

Auf Schalke aber ist kein Geld da. Im Gegenteil, der Verein ist hochverschuldet. Dem Prinzip Assauer folgte ein größtenteils orientierungsloser Andreas Müller. Millionen wanderten auf fremde Konten ab oder wärmten die Schalker Ersatzbank. Also macht Magath wie einst in Stuttgart aus der Not eine Tugend und zieht den Kader auf links.

Struktur im Team

Altlasten wie Mladen Krstajic oder Orlando Engelaar wurden abgegeben, dafür spielen jetzt die Zambranos, Moritz' und Schmitz' dieser Welt. Den bockigen Rafinha fasste er dagegen ganz sanft an und gewährte dem Brasilianer mitten in der Saison ein paar Tage Heimaturlaub.

Magath bringt Struktur ins Team, die Mannschaft folgt nach den Irrungen und Wirrungen unter Fred Rutten wieder einem klaren Konzept und hat dabei innerhalb von drei Monaten mehr taktische Variabilität einstudiert als der Niederländer in einer knappen Saison.

Das Schalker Puzzle

Magath ist zu Beginn seiner Amtszeit einmal böse durch die verkrusteten Schalker Reihen gefegt und fügt die herumliegenden Teile jetzt nach und nach wie ein Puzzle richtig zusammen.

Einer der wichtigsten Teile dabei ist die Fan-Basis. Die Schalke-Familie ist wieder enger zusammengerückt, man hört wieder aufeinander.

"Wir sind alle sehr glücklich und ich freue mich für unsere Fans, für die die Spiele gegen Dortmund immer die Partien des Jahres sind", sagte Torhüter Manuel Neuer nach dem Derby-Sieg in Dortmund.

Marcelo Bordon sieht das ähnlich. "Es zählt jetzt nur dieser Sieg. Den haben wir zusammen mit unseren Fans errungen, die wieder einmal der 12. Mann für uns waren."

Nähe zu den Fans hergestellt

Coach Magath scheint darin den Schlüssel für den derzeitigen Erfolg zu sehen. "Nach der schwierigen letzten Saison freuen sich alle, dass wir wieder eine Mannschaft haben, die kämpft und fightet. Und auch eine Mannschaft, die gewinnen kann."

Dass sich Schalke-Boss Clemens Tönnies beim Derby in den Fanblock verirrte, war aber wohl doch etwas zu viel der Volksnähe. Immerhin demonstriert er den guten Willen der neuen Schalker Führung.

Auf jeden Fall bleibt ein beeindruckender Schalker Saisonstart, den Magath im ihm eigenen Duktus ganz schnell wegzuwischen versucht, um das Ziel nicht frühzeitig wieder aus den Augen zu verlieren.

"Wir werden diesen Sieg abhaken und nach vorne schauen. Das Ziel ist noch in weiter Ferne. Ob wir an fünfter Stelle sind oder wo auch immer, spielt keine Rolle. Wir haben noch den großen Teil des Weges vor uns", mahnte Magath pflichtbewusst an.

Klopps Zauber verflogen

Den hatte Borussia Dortmund bereits hinter sich gewähnt. Ähnlich wie Magath auf Schalke krempelte Jürgen Klopp den BVB vorige Saison nach dem Doll-Desaster um. Jetzt ist der Zauber schon wieder verflogen. Klopp durchläuft seine erste schwere Durststrecke beim BVB.

Besonders die tolle Rückrunde machte Appetit auf mehr - legte die Messlatte aber auch hoch. Wie sich jetzt zeigt, zu hoch. "Es ist für uns nicht wichtig, die Situation zu benennen, sondern richtig mit ihr umzugehen", erwiderte Klopp auf die Frage nach einer Dortmunder Krise.

Die Fans schwankten nach dem Abpfiff zwischen Ernüchterung und Zorn, die Spieler trauten sich nicht in die Südkurve.

"Ich stecke mit Dortmund zum ersten Mal in dieser Situation", sagte Klopp. "Es hängen so viele an diesem Klub, dass ich davon ausgehe, dass nicht alle glücklich sein werden mit der Situation."

Perfekte Woche, scheiß Tag

Dortmund hat seinen Schwung verloren, indirekt proportional zum Aufschwung auf Schalke. Das Momentum im Pott liegt eindeutig bei Königsblau. "Pokalsieg in Bochum, Derbysieg in Dortmund - diese Woche war echt perfekt", sagte Manuel Neuer.

Dortmunds Patrick Owomoyela brachte die schwarz-gelbe Gefühlslage ebenfalls genau, nur inhaltlich völlig konträr, auf den Punkt: "Auf deutsch gesagt, war das heute ein echter scheiß Tag."

Schalkes Mitgliederzahl hat sich seit 2003 im Übrigen verdoppelt. Beim letzten Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg wurde das 80.000. Mitglied geehrt. Erwin Staudts gut gemeinte Aktion hat sich für Schalke 04 als schöner Kollateralschaden erwiesen.

Dortmund - Schalke: Daten zum Spiel