"Eine sehr belastende Zeit": Wie sich Paris Brunner beim BVB in eine Schublade manövrierte

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Paris Brunner gehört im Nachwuchs von Borussia Dortmund zu den herausragenden Spielern, auch im Trikot der deutschen U17-Nationalmannschaft hat der Mittelstürmer bereits Glanzleistungen vollbracht. Doch der 17-Jährige schrieb zuletzt mehrere außersportliche Schlagzeilen. DFB-Trainer Christian Wück ordnet Brunners Entwicklung ein.

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Youssoufa Moukoko konnte damals nichts dafür. Die irre Torquote war das Problem, ansonsten hatte er sich nichts zu Schulden kommen lassen. Als blutjunger Angreifer schoss Moukoko in der Jugend von Borussia Dortmund alles kurz und klein - 141 Tore erzielte er in 88 Pflichtspielen für U17 und U19.

Paris Brunner dagegen ist selbst Schuld. Seine Trefferquote kommt zwar nicht an die von Moukoko heran, doch 44 Buden in bislang 65 Pflichtspielen für dieselben Teams können sich mehr als sehen lassen. In der laufenden Saison der A-Junioren Bundesliga West steht der 17-Jährige bei zehn Toren nach neun Spielen.

Von diesen sportlichen Glanzleistungen redet aber längst niemand mehr, wenn es um Brunner geht. Der Mittelstürmer hat sich innerhalb kürzester Zeit durch zwei unprofessionelle - man kann auch sagen dämliche - Aktionen in eine Schublade hineinmanövriert, in der er nun erst einmal steckenbleiben wird.

Beim BVB hatte man sich am 18. Oktober bewusst dafür entschieden, eine aus wenigen Worten bestehende Mitteilung darüber zu veröffentlichen, dass man Brunner vorläufig suspendiert hatte. Eine solche Publikation ist bei einem Jugendspieler sehr ungewöhnlich. Profi-Trainer Edin Terzic hatte anschließend von einem "Vorfall" gesprochen, den die Ruhr Nachrichten als "schwerwiegend" bezeichneten. Angeblich soll Brunner eine Party in einem fremden Haus gefeiert haben, bei der mehrere Gegenstände zu Bruch gegangen seien.

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BVB suspendierte Paris Brunner: "Es war schon eine sehr belastende Zeit für ihn"

"Der BVB hat sich so entschieden und ich bin nicht derjenige, der zu beurteilen hat, ob das richtig oder falsch war. Dafür bin ich auch zu weit weg", sagt Christian Wück, Brunners Nationaltrainer in der deutschen U17, im Gespräch mit SPOX. "An sich konnte ich die Entscheidung des BVB genauso nachvollziehen wie die Tatsache, dass man sie als erzieherische Maßnahme öffentlich gemacht hat."

Brunner hatte unter Wück Anfang Dezember den WM-Titel gefeiert und wurde beim Turnier in Indonesien zum besten Spieler gekürt. Ein paar Monate davor war ihm die gleiche Ehre bei der Europameisterschaft zuteil geworden, die Deutschland mit Torschützenkönig Brunner (vier Tore) ebenfalls gewann.

Um ein Haar hätte Brunner die WM jedoch verpasst, wäre die Aufhebung der Suspendierung nicht rechtzeitig vor Turnierbeginn vom BVB ausgesprochen worden. "Es war schon eine sehr belastende Zeit für ihn. Er ist sich bewusst, dass die Suspendierung des BVB vollkommen berechtigt war und dass er sich nicht an geltende Regeln gehalten hat", sagt Wück. "Ich stand mit ihm währenddessen in Kontakt und habe ihm klipp und klar gesagt, dass die Entscheidung alleine beim BVB liegt und ich mich ihr auch beuge. Hätte man ihn also länger suspendiert, wäre er auch nicht mit zur Weltmeisterschaft gefahren."

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BVB: Reaktion von Paris Brunner nach Suspendierung schwer beeindruckend

Die Borussia wollte ihrem großen Nachwuchstalent, das sich nach diversen Gesprächen mit den Vereinsverantwortlichen im Beisein seiner Eltern aufrichtig entschuldigt hatte, aber die Chance nicht nehmen. Schließlich war Brunner absoluter Leistungsträger im DFB-Team. Der Verband und der BVB standen in dauerhaftem Kontakt, am Ende nominierte Wück den Spieler. "Wir hatten ein langes Gespräch unter vier Augen. Er war dankbar, dass er eingeladen wurde, weil er wusste, dass wir das nicht hätten machen müssen. Und er hat sich reumütig gezeigt und verstanden, dass er einen Fehler gemacht hat", sagt Wück.

Es war schwer beeindruckend, welche Reaktion Brunner in Südostasien zeigte. Er schüttelte den Vorfall ab und brachte überragende Leistungen, wie sie ihm seit geraumer Zeit auch im BVB-Nachwuchs gelingen.

Doch nur etwas mehr als einen Monat später leistete sich Brunner erneut einen Fehltritt. Der mag eine Petitesse gewesen sein, denn er kam ein paar Minuten zu spät zurück ins Teamhotel. Allerdings in jenes, in dem die Profis weilten, da Brunner mit der ersten Dortmunder Mannschaft ins Trainingslager nach Marbella fahren durfte.

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Paris Brunner mit nächstem Fehltritt beim BVB: "Wie blöd kann man sein?!"

"Er war ein paar Minuten zu spät im Hotel. Das sollte nicht passieren, aber wir haben auch kein riesiges Fass aufgemacht", blickte Sportdirektor Sebastian Kehl kürzlich bei Sky90 darauf zurück. Die Strafe diesmal: kein Kaderplatz beim zweiten Testspiel gegen Lüttich.

Angesichts der Vorgeschichte verwundert es aber dennoch, dass Brunner dieser Fauxpas unterlief. Er potenzierte letztlich seinen Ruf, der nun an ihm klebt: Vom "Problemkind" war vielerorts zu lesen, die Bild überschrieb einen Kommentar (!) gar mit der Frage: "Wie blöd kann man sein?!"

Schlagzeilen solcher Couleur sind für einen Spieler dieses Alters ein dickes Ding. Sie stellen Brunners Professionalität in Frage, wenngleich man einem Minderjährigen freilich Fehler gestatten sollte. Dann wiederum sollte jedoch auf den großen Patzer nicht wenig später schon der nächste eher kleinere folgen. Es heißt, dass mit Blick auf diese Entwicklungen der vergangenen Monate auch beim BVB eine gewisse Ratlosigkeit gegenüber Brunner herrscht.

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BVB bietet Paris Brunner wohl bald Profivertrag an

"Bei uns sind bisher keine disziplinarischen Maßnahmen nötig gewesen. Es gab keinerlei Vorfälle, er hat unser Vertrauen stets mit Leistung zurückgezahlt", sagt Wück. Brunners Reaktion auf den nächsten Vorfall wird in den kommenden Monaten nun entscheidend dafür sein, ob er seinen selbstverschuldeten Ruf zunächst beibehält.

Am 15. Februar feiert er die Volljährigkeit, sein bis 2025 datierter Fördervertrag wird dann vom BVB sehr wahrscheinlich durch einen Profikontrakt ersetzt. "Wir versuchen, diese Personalie mit einem gewissen Weitblick anzugehen und sind in Gesprächen mit den Eltern. Wir versuchen gerade, das rund um ihn zu managen. Es war nicht ganz einfach, es war eine Menge los im November und Dezember", sagte Kehl. "Dann kam diese tolle Weltmeisterschaft, er ist zum besten Spieler des Turniers gekrönt worden. Jeder weiß, was das mit einem jungen Menschen auch macht. Wir versuchen, ihm Halt und Orientierung zu geben, ihn zu führen."

Der Sportdirektor kündigte zudem eine Entscheidung an, "wohin Erwartungen wachsen - in alle Richtungen, sowohl sportlich als auch wirtschaftlich". Bis dahin und darüber hinaus muss Brunner bereits in diesen jungen Jahren verloren gegangenes Vertrauen bei zahlreichen Parteien, darunter Teilen der Fans, zurückgewinnen.

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Paris Brunner für Christian Wück "ein selbstbewusster Spieler und nicht arrogant"

Sieht man dem physisch bereits gut entwickelten Brunner beim Fußballspielen zu, fällt neben seiner Klasse im Torabschluss auch eine Art auf, bei der schwer zwischen Überheblichkeit und Selbstbewusstsein zu unterscheiden ist. Ein schmaler Grat, der umso schmäler wird, je häufiger er künftig weitere außersportliche Schlagzeilen schreibt.

Für Wück ist die Sache eindeutig: "Ich glaube nicht, dass ihm das letzte Feuer fehlt. Er ist bei der Europameisterschaft Torschützenkönig geworden und wurde bei EM und WM als bester Spieler ausgezeichnet. Er weiß, wohin er will. Für mich ist er ein selbstbewusster Spieler und nicht arrogant, denn er zeigt ja trotzdem seine Leistung in herausragender Art und Weise."

Es braucht aber natürlich noch einen gewaltigen Sprung, bevor man sich Brunner im Seniorenbereich vorstellen kann. Zieht man seinen Instinkt vor dem Kasten ab, fehlt Brunners Profil ein klares Charakteristikum, mit dem er sich von anderen deutlich abhebt. Die schrittweise Gewöhnung an die Schnelligkeit und Intensität auf Profiniveau wird die nächste auf der Karriereleiter zu erklimmende Stufe für ihn sein.

Einfacher, schneller und vor allem unmittelbarer zu meistern dürfte für Brunner da schon die Herausforderung im mentalen Bereich sein. "Die Titel bei der EM und WM dürfen ihn nicht dazu verleiten, sich darauf auszuruhen. Die werden ihn beim BVB nicht weiterbringen, wenn er nicht auch künftig seine Leistung zeigt und sich an Regeln hält. Daran muss er weiter arbeiten und dazulernen", sagt Wück und schließt mit dem in dieser Hinsicht wohl wichtigsten Satz: "Das weiß er aber auch."

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BVB: Paris Brunner und seine Leistungsdaten bei Borussia Dortmund

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