FC Augsburg - Zeugwart Salvatore Belardo im Interview: "Nach der ersten Saison wollte ich wieder aufhören"

Mit 64 Jahren immer noch für den FCA tätig: Zeugwart Salvatore Belardo.
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Stimmt es, dass in dieser sportlichen schwierigen Phase während der Heimspiele im Rosenaustadion ein provisorisches Zelt aufgestellt wurde, in dem sich im Anschluss der Partien auch die Spieler und Funktionäre aufhielten und man mit ihnen ein Bier trinken und Pommes frites essen konnte?

Belardo: Ja. Jeder kannte im Grunde jeden. Wir waren wenige Leute im Verein, die Geschäftsstelle hatte nur zweimal die Woche ein paar Stunden geöffnet. Für mich war es allerdings oft schwierig, dort dabei zu sein. Ich musste nach den Spielen ja immer schauen, dass die Kabinen gesäubert werden und hatte die Wäsche zu machen. Danach hat's mir oft auch einfach gereicht, so dass ich direkt nach Hause fuhr.

Wenn Ihnen damals jemand gesagt hätte, dass Sie auch 2022 noch im Klub sein werden, was hätten Sie entgegnet?

Belardo: Bloß nicht! (lacht) Heute bin ich natürlich sehr stolz darauf, so lange dabei zu sein. Ich habe unheimlich viel mit dem Verein erlebt und bin den ganzen Weg aus den Niederungen des Fußballs ohne finanzielle Mittel bis in die Bundesliga mitgegangen. Anfangs sah es nicht danach aus, aber irgendwann hat dann ein Highlight das nächste gejagt. Wir haben ja sogar schon international gespielt.

Die erste Europapokalteilnahme 2015/16 war neben dem Aufstieg in die Bundesliga 2011 ein weiterer Meilenstein der Vereinsgeschichte, den Sie hautnah erlebt haben. Am 17. September 2015 bestritt der FCA bei Athletic Bilbao sein erstes internationales Spiel. Hatten Sie dort nur einen Haufen Arbeit oder konnten Sie das auch genießen?

Belardo: Ich konnte die Erfolge immer genießen, so ist es nicht. Natürlich war auch dort viel zu tun, vielleicht sogar noch einmal einen Tick mehr als im Bundesliga-Alltag. Die Unterschiede bei internationalen Spielen waren aber marginal. Da geht es vorab um solche Dinge wie die abgestimmte Trikotauswahl, um die man sich zu kümmern hat. Ansonsten ist vieles gleich und es bleibt auch Zeit, innezuhalten und wie in Bilbao den Moment aufzusaugen.

Frisches Eis für die Eistonne: Zeugwart Salvatore Belardo bei der Arbeit im Trainingslager.
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Frisches Eis für die Eistonne: Zeugwart Salvatore Belardo bei der Arbeit im Trainingslager.

Sie waren auch Zeuge des wohl dramatischsten Spiels der FCA-Historie: Am letzten Spieltag der Saison 2004/05 fehlte dem FCA zur Rückkehr in den Profifußball nach 22 Jahren Abstinenz nur noch ein Sieg gegen das von Mario Basler trainierte Jahn Regensburg. Die Partie ging vor 27.000 Zuschauern in der Rosenau nach Führung aber durch Gegentore in der 86. und 90. Minute mit 1:2 verloren. Wie erinnern Sie sich?

Belardo: Das war in all meiner Zeit die größte Enttäuschung, die wir zu verdauen hatten. Ähnlich schlimm war es nur in Wolfsburg, als wir im Mai 2019 mit 1:8 verloren haben. Mark Römer hat damals bei uns in der 81. Minute Gelb-Rot gesehen. Anschließend ging es dahin. Wir hatten schon alles für die Aufstiegsparty vorbereitet, die Stimmung im und rund um den Verein war über Monate super. Und dann passierte so etwas. Danach war erst einmal ein paar Tage vollkommene Leere, alle waren richtig kaputt.

Zu dieser Zeit war Rainer Hörgl Chefcoach, der ein Jahr später doch noch die Meisterschaft in der Regionalliga Süd und den Aufstieg in die 2. Bundesliga feiern konnte. Sie haben mittlerweile 26 Trainer erlebt - welcher war der Beste?

Belardo: Da möchte ich keinen herausheben. Ich bin menschlich wirklich durch die Bank mit allen gut ausgekommen. Eine besonders enge Beziehung hatte ich zu keinem, denn ich bin vom Typ her jemand, der sich lieber zurückzieht. Ich will auch nicht, dass mir von irgendjemandem eine zu große Nähe zum Cheftrainer vorgeworfen wird. Vielleicht war das auch der Grund dafür, dass nie einer in meinen Bereich eingegriffen und mir gesagt hat, wie ich meine Arbeit zu verrichten habe.

Welche Freundschaften zu Spielern oder Trainern haben sich bis heute gehalten?

Belardo: Ich habe sehr viele Kontakte zu früheren Spielern. Die rufen mich oft an, ich telefoniere regelmäßig mit ihnen. Einen guten Draht habe ich zu Alex Manninger, Raul Bobadilla, Paul Verhaegh oder Gibril Sankoh. Ich könnte aber noch dutzend andere nennen.

Und wer war fußballerisch der beste Kicker in all der Zeit für Sie?

Belardo: Eine schwierige Frage. Auch da könnte man viele aufzählen. Mourad Hdiouad hat mir aber besonders gut gefallen.

Hatten Sie selbst denn einmal Angebote für einen Vereinswechsel?

Belardo: Nein. Anfragen von außerhalb hatte ich nie. Es gab aber einige Trainer, die mich mitnehmen wollten, als sie den Verein verlassen hatten. Mit einer dreijährigen Unterbrechung lebe ich aber seit meinem vierten Lebensjahr in Augsburg. Das ist meine Heimat, die verlasse ich nicht.

Mourad Hdiouad spielte von 2006 bis 2009 für den FC Augsburg - und begeisterte Salvatore Belardo.
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Mourad Hdiouad spielte von 2006 bis 2009 für den FC Augsburg - und begeisterte Salvatore Belardo.

Wie sieht heute Ihr Alltag aus?

Belardo: Das hängt immer auch etwas vom Wochenplan ab, den der Trainer vorgibt. Heute haben wir drei, vier Container mehr an Material als früher. (lacht) Meistens läuft es so, dass ich direkt nach dem Frühstück loslege und alle Klamotten für das Training vorbereite: lange und kurze Hosen, Radlerhosen, Pullover, T-Shirts, Schuhe. Das ganze Zeug lege ich für die einzelnen Spieler nach Rückennummern sortiert in einen Raum und sie holen sich ihr Paket dort ab. Was sie nicht brauchen, lassen sie dort. Nach dem Training wird alles, was benutzt wurde, zurückgebracht. Dann kümmere ich mich zusammen mit einem Kollegen und meiner Frau um die Wäsche.

Wie lang sind Sie täglich im Einsatz?

Belardo: Das ist unterschiedlich. An Tagen mit einer Trainingseinheit sind die Tage kürzer. Stehen zwei Trainingseinheiten an, ist entsprechend mehr zu tun.

In ein paar Monaten werden Sie 65 Jahre alt. Wie lange soll es noch gehen?

Belardo: Irgendwann will ich meine Ruhe haben, das ist sicher. Solange es mir aber Spaß macht und es körperlich geht, mache ich weiter. Ich weiß, dass relativ viel passieren muss, bis es mir keinen Spaß mehr machen würde. Manchmal gibt es natürlich auch Tage, an denen man durchhängt und es kein Zuckerschlecken ist. Doch die Lust kam immer wieder wie automatisch zurück, sobald ich die Jungs gesehen habe.

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