FC Augsburg - Zeugwart Salvatore Belardo im Interview: "Nach der ersten Saison wollte ich wieder aufhören"

Mit 64 Jahren immer noch für den FCA tätig: Zeugwart Salvatore Belardo.
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Seit 1989 ist Salvatore Belardo Teil des FC Augsburg. Fünf Jahre später fing er an, nebenbei als Zeugwart des FCA zu arbeiten - und hat diesen Posten bis heute inne. Der 64-Jährige hat die gesamte Augsburger Entwicklung der Neuzeit mitgemacht, vom Lizenzentzug 2000 bis zum ersten Europacupspiel der Vereinsgeschichte.

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Im Interview mit SPOX und GOAL spricht Belardo über seinen Start als Zeugwart, die Tristesse beim FC Augsburg in den 1990er Jahren und den "Engel", der den FCA wiederbelebte.

Belardo erzählt zudem von der größten Enttäuschung und dem besten Spieler in seiner Zeit in Augsburg und erklärt, was passieren muss, um mit seinem Job aufzuhören.

Herr Belardo, zunächst einmal müssen wir etwas Persönliches klären: Auf der Homepage des FC Augsburg wird der 17. Januar 1958 als Ihr Geburtstag angegeben. Ihr Profil bei transfermarkt.de weist jedoch den 8. August 1958 aus. Was stimmt?

Salvatore Belardo: Der 17. Januar ist richtig. Es kam tatsächlich schon vor, dass man mir auch am 8. August gratuliert hat. Beim ersten Mal war ich ganz perplex, aber mittlerweile weiß ich, woher das kommt. Wenn das also jemand von transfermarkt.de liest - bitte ändern! (lacht)

Sie haben bereits als torgefährlicher Linksaußen für die zweite Mannschaft des FCA gespielt. Wie sind Sie einst zum Verein gekommen?

Belardo: Ich habe immer schon Fußball gespielt. Angefangen habe ich in der Kreisliga. Da ich recht schnell war, hatte ich regelmäßig Angebote anderer Klubs. 1989 sprach mich ein älterer Mann an. Er war für die zweite Mannschaft des FCA zuständig, die wieder angemeldet wurde und für den Neustart in der Kreisliga Spieler brauchte. Ich bin dann von der TSG Stadtbergen dorthin gewechselt.

Mit der Zweiten des FCA feierten Sie in der Folge einige Aufstiege, es ging hoch bis in die Bayernliga. Stimmt es, dass Sie noch mit über 40 Jahren gekickt haben?

Belardo: Ja. Mit 45 habe ich aufgehört.

Mit 64 Jahren immer noch für den FCA tätig: Zeugwart Salvatore Belardo.
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Mit 64 Jahren immer noch für den FCA tätig: Zeugwart Salvatore Belardo.

Da Sie seit 1994 auch Zeugwart des FCA sind, haben Sie diesen Job also bereits gemacht, obwohl Sie noch selbst gespielt haben?

Belardo: Das mit der Jahreszahl ist so eine Sache. Wirklich ausschließlich Zeugwart, so wie ich es heute bin, wurde ich erst nach meinem Karriereende 2003.

Wie kommt es dann, dass überall 1994 als Beginn Ihrer Tätigkeit geschrieben steht?

Belardo: Ich habe zu dieser Zeit noch als Spieler begonnen, dem damaligen Zeugwart zu helfen. Der Kollege, der das zuvor machte, hatte für den Job nämlich nur noch zweimal die Woche Zeit. Daher hat mich der damalige Fußball-Abteilungsleiter Giacomo Belardi, der früher mal mein Trainer in Stadtbergen war, um Hilfe gebeten. Ich sagte zu ihm: Okay, ich schaue mir das mal an. Nach der ersten Saison wollte ich wieder aufhören. Man ließ mich aber nicht, weil der andere Kollege immer seltener und irgendwann gar nicht mehr konnte. Sie haben mich regelrecht überredet - zum Glück!

Warum wollten Sie wieder aufhören, hat es Ihnen keinen Spaß gemacht?

Belardo: Ich war einfach nicht wirklich daran interessiert. Ich wollte mehr Freizeit haben. Viele meinen ja, Zeugwart zu sein ist keine wirkliche Arbeit, aber das ist natürlich Quatsch. Das Gegenteil ist der Fall, man ist fast rund um die Uhr beschäftigt. Ich habe dann dem Verein zu Liebe weitergemacht, im Grunde bis heute.

Wo haben Sie zu dieser Zeit hauptberuflich gearbeitet?

Belardo: Ich war lange Zeit bei Siemens. Erst als dort Anfang der 2000er Jahre geschlossen wurde, ging ich zum Flugzeugbauer EADS, der heute Premium Aerotec heißt. Dort habe ich über 15 Jahre lang den Eurofighter zusammengebaut. Seit einem Jahr bin ich Rentner.

Waren Sie zwischenzeitlich festangestellt beim FCA?

Belardo: Nein, das war ich nie. Der Verein wollte das, aber ich nicht, denn ich war in meinem Hauptberuf sehr zufrieden. Wenn ich für den Klub im Einsatz war, bekam ich bei Aerotec unbezahlten Urlaub und vom FCA eine Pauschale. Vor vier Jahren bin ich zunächst in Altersteilzeit gegangen. Der FCA ist quasi mein Nebenjob. Ich bin zufrieden, die Arbeit macht mir weiterhin viel Spaß.

Wie sah die Arbeit als Zeugwart ganz zu Beginn genau aus?

Belardo: Das war noch richtig klassisch und natürlich deutlich weniger umfangreich als heute. Damals hatte ich zwei oder drei Koffer. Darin waren die Schuhe, die Trikots und die Kleidung für das Warmmachen. Verglichen mit heute ist das gar nichts. In den vergangenen Jahren ist alles, teils auch aufgrund der unterschiedlichen Wünsche der Trainer, immer mehr geworden.

Ihre Frau Marlene kümmert sich seit rund 25 Jahren um die Wäsche der Spieler. Wie kam es, dass auch sie mit dabei ist?

Belardo: Sie hat den Job von einer älteren Frau übernommen, die zuvor für die Wäsche zuständig war. Heutzutage ist sie auch so etwas wie ein Zeugwart. Sie macht weiterhin die Wäsche, arbeitet aber auch von der Geschäftsstelle aus und organisiert die Bestellungen der Waren, wenn wir etwas für unsere tägliche Arbeit brauchen.

Das Ehepaar Salvatore und Marlene Belardo im Jahr 2006 in der Wäschekammer.
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Das Ehepaar Salvatore und Marlene Belardo im Jahr 2006 in der Wäschekammer.

Sie haben in Augsburg die gesamte Entwicklung der Neuzeit mitgemacht. Von 1994 bis zum Lizenzentzug 2000 dümpelte der FCA im Niemandsland der Regionalliga. Wie trist war diese Zeit, die ja auch existenzbedrohend für den Klub war?

Belardo: Wir alle hatten damals zahlreiche Enttäuschungen zu verkraften. Oft stand frühzeitig fest, dass wir weder auf-, noch absteigen werden. Auch das Zuschauerinteresse ließ nach. Man spürte, dass das Geld immer knapper wurde. 2000 wurde im Lizenzierungsverfahren für die zweigleisige Regionalliga dann plötzlich eine Bankbürgschaft über drei Millionen Mark nicht fristgerecht erbracht. Deshalb mussten wir in die Bayernliga zwangsabsteigen, erstmals in der Vereinsgeschichte waren wir in der Viertklassigkeit angekommen. Zum Glück fiel dann unser Engel vom Himmel.

Nämlich Walther Seinsch, der Vorstandsvorsitzender und Mäzen wurde sowie eine Investorengruppe an Land zog, die das fehlende Geld ausglich. Seinsch führte den Verein innerhalb von nur elf Jahren in die Bundesliga. War es anfangs absehbar, dass seine Maßnahmen fruchten werden?

Belardo: Er war ein Geschäftsmann, bei dem alles, was er tat, Hand und Fuß hatte. Er hat sich ja auch frühzeitig hingestellt und zu den Fans gesagt: 'Ihr werdet sehen - ich baue euch ein Stadion und wir werden darin in der Bundesliga spielen.' Da haben wir uns alle noch gefragt: Was träumt der denn nachts? Doch elf Jahre später war das tatsächlich Realität - und ist es bis heute. Vor ihm habe ich den allergrößten Respekt.

Wie sicher war denn zu Zeiten des Lizenzentzugs Ihr Posten als Zeugwart?

Belardo: Es war schon so, dass ein paar Leute aufgehört haben, aber man ist diesbezüglich nie auf mich zugekommen. Ich habe auch nicht darüber nachgedacht, den Verein zu verlassen. Ich war jetzt nicht außerordentlich zuversichtlich, aber es konnte ja nur besser werden. Mir hat die Aufgabe an sich trotzdem Freude bereitet. Daher habe ich frühzeitig signalisiert, dass ich gerne weitermache - auf dann freiwilliger und unentgeltlicher Basis.

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