Fußball-Kolumne: Warum Magath die letzte Hoffnung für Hertha und Bobic ist

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Nach fast acht Jahren ohne Trainerjob in einer Top-Liga gibt es große Zweifel, ob Felix Magath bei Hertha BSC vom Rentner zum Retter werden kann. Das liegt an den vielen Problemen der Berliner, aber auch an seinem höchst umstrittenen Ruf. Die Fußball-Kolumne.

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Als am Sonntagabend die "Breaking News" über die Verpflichtung von Felix Magath bei Hertha BSC vermeldet wurde, ging es vielen so wie Marcel Reif. Er habe an einen verfrühten Aprilscherz gedacht, sagte der Ex-Sportkommentator der Bild.

Bei langjährigen Beobachtern des Hauptstadtklubs sorgte die überraschende Entscheidung für den Trainer-Rentner dagegen für ein Deja Vu. Denn schon vor 15 Jahren war der Wechsel Magaths zur Hertha angeblich perfekt und wurde damals per Laufband in der ARD-Liveübertragung des Pokal-Halbfinales zwischen Nürnberg und Frankfurt (4:0) gesendet, was kurzzeitig mittelschwere Erschütterungen bei Medien und Fans zur Folge hatte.

"Dumm nur: Die Meldung ist eine Ente, die ein Spitzbube ins Bayerische Rundfunkhaus gesetzt hat", schrieb die Welt am Tag danach. Ein unbekannter Anrufer hatte sich beim für die Pokalübertragung zuständigen Sender gemeldet und als angeblicher Assistent von Herthas damaligem Pressesprecher Hans-Georg Felder die Einigung mit Magath zur neuen Saison verkündet.

Ex-Magath-Co-Trainer Seppo Eichkorn im Interview: "... da war die Atmosphäre dann frostig!"

Als Hertha BSC Felix Magath nicht gut genug war

Der BR, der die Information ungeprüft übernahm und per Eilmeldung an mehr als sechs Millionen TV-Zuschauer weitergab, musste sich später in aller Form für den Fauxpas entschuldigen. Erst eine Stunde vor Mitternacht dementierte Magath selbst eindeutig: "Ich habe keinen Kontakt zu Hertha und bin auch nicht interessiert."

Dem erst zwei Monate zuvor nach zwei Doubles in Folge beim FC Bayern entlassenen Coach war der damalige Tabellenachte nicht gut genug für seine ehrgeizigen Ziele. Heute wären Verein und Magath wohl froh, wenn die Berliner im Bundesliga-Mittelmaß statt auf dem vorletzten Tabellenplatz stehen würden.

Stattdessen unterschrieb der Ex-Nationalspieler rund einen Monat später beim VfL Wolfsburg als Sportdirektor. Und als ihn die Bosse fragten, wen er als neuen Trainer verpflichten würde, antwortete er: "Im Moment wüsste ich außer mir keinen."

Das Ende ist bekannt. Magath übernahm auch das Traineramt und führte den VW-Klub 2009 sensationell zur Meisterschaft.

Magath bei Hertha: Wer außer mir soll diese Aufgabe lösen?

Die Aussage zeigt zudem, dass es Magath an Selbstbewusstsein zumindest im öffentlichen Auftritt nie gefehlt hat. Entsprechend wenig verwunderlich ist es, dass er sich bei seiner Vorstellung in Berlin zur bestmöglichen Option erklärte.

"Diejenigen, die nicht glauben, dass ich die richtige Wahl bin, die müssen erstmal einen eigenen Vorschlag machen, wer denn jetzt in der Bundesliga in der Lage sein soll, diese schwierige Aufgabe zu lösen. Da bitte ich gerne um Wortmeldungen", sagte er ins Auditorium - und wertete das Schweigen der Journalisten offensichtlich als Zustimmung.

Hertha BSC: Das Bundesliga-Restprogramm in der aktuellen Saison

SpieltagGegnerheim/auswärts
271899 Hoffenheimheim
28Bayer Leverkusenauswärts
29Union Berlinheim
30FC Augsburgauswärts
31VfB Stuttgartheim
32Arminia Bielefeldauswärts
33FSV Mainz 05heim
34Borussia Dortmundauswärts

Felix Magath: Retter in Frankfurt, Stuttgart und Wolfsburg

"Ich habe in verschiedenen deutschen Vereinen die Aufgabe des Feuerwehrmanns übernommen. Das ist mir in der Bundesliga mit sechs, sieben Mannschaften gelungen", lobte sich Magath selbst. Tatsächlich waren es drei seiner acht Teams aus dem Oberhaus, die er in allergrößter Not vor dem Abstieg rettete: Frankfurt, Stuttgart und Wolfsburg.

Diese Leistungen kann man kaum hoch genug bewerten, sie liegen allerdings auch schon ein bis zwei Jahrzehnte zurück: Bei der Eintracht gelang ihm 2000 durch eine herausragende Rückrunde noch der nach der Hinserie praktisch unmöglich erscheinende Klassenerhalt, was Magath selbst lange Zeit als größte Leistung seiner Trainerkarriere bezeichnete.

Doch schon etwas mehr als ein halbes Jahr später, im Januar 2001, feuerten die Hessen ihren Chefcoach, der daraufhin nur 25 Tage später den Tabellen-17. Stuttgart übernahm. Auch hier gelang der Last-Minute-Klassenerhalt. Danach allerdings erklärte Magath das Ende seiner Rolle als Retter, weil der Abstiegskampf einfach zu viel Kraft koste und er darauf keine Lust mehr habe.

Und er ließ den Worten tatsächlich Taten folgen, stürmte mit den "Jungen Wilden" um Phlipp Lahm, Kevin Kuranyi, Timo Hildebrandt und Andreas Hinkel zwei Jahre später sogar in die Champions League, wo Manchester United nach einem mitreißenden Spiel besiegt wurde.

Felix Magath: Plötzlich der erfolgreichste deutsche Trainer

Der kicker kürte den passionierten Teetrinker daraufhin 2003 zum Mann des Jahres.

"Felix Magath (50) hat mit dem VfB Stuttgart 2003 Sensationelles geleistet und mit schönem, erfrischendem Fußball unerwartete Erfolge in der Bundesliga und der Champions League gefeiert. Gleichzeitig vollzog der einstige 'Feuerwehrmann' die Wandlung zu einem der renommiertesten deutschen Trainer'", schrieb das Fachblatt in seiner Laudatio.

Plötzlich war Magath kurz vor der WM im eigenen Land der wichtigste und erfolgreichste deutsche Chefcoach, gewann in den nächsten Jahren mit Bayern und Wolfsburg dreimal die Meisterschaft und führte Schalke 04 nach seinem spektakulären Wechsel mit viel Geld und Macht 2010 immerhin zur Vize-Meisterschaft.

Trotzdem kam es im folgenden Frühjahr zur krachenden Trennung, obwohl die Königsblauen das später gewonnene Pokalfinale erreicht hatten. Weil Magath damals offenbar die Allmacht zu Kopf gestiegen war, es kein Korrektiv mehr in seinem engeren Umfeld gab und er am Ende zu viel verbrannte Erde hinterließ.

Magath: S04 auf "menschenverachtende Weise" gespalten

"Wenn ein Riss in der Familie ist, muss man an die Ursachen ran, unabhängig von den Leistungen", erklärte der damalige S04-Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies den Rauswurf und warf Magath vor, er habe den Verein auf "menschenverachtende Weise" gespalten. Was dessen Schaden aber nicht sein sollte, denn nur zwei Tage nach dem Aus kehrte er als sportlicher Geschäftsführer und Trainer nach Wolfsburg zurück.

Die damalige Situation der Wölfe ist noch am ehesten mit der aktuellen von Hertha BSC vergleichbar: Genau wie jetzt waren vor elf Jahren 26 Spieltage absolviert, der VfL lag wie die Berliner auf Platz 17 und der Abstand auf Platz 15 betrug ebenfalls zwei Punkte. Zehn Zähler in den letzten acht Begegnungen reichten am Ende, um durch ein 3:1 in Hoffenheim noch gerade Rang 15 zu erreichen. "Für mich ist der Nichtabstieg bedeutungsvoller als eine Meisterschaft", sagte Magath dazu später dem Sportbuzzer.

Magath: In Wolfsburg, Fulham und Würzburg gescheitert

Allerdings bedeutete dieser Tag den Anfang vom Ende von Magaths Erfolgsjahren. Trotz Investitionen von mehr als 30 Millionen Euro konnte er Wolfsburg nicht mehr ins internationale Geschäft führen und wurde Ende Oktober 2021 schon nach acht Spieltagen als Tabellenletzter entlassen.

Ähnlich kläglich war die Situation rund drei Jahre später bei seinem Rauswurf in Fulham als Schlusslicht der englischen zweiten Liga. Einige Monate zuvor war Magath bereits bei den Londonern in der Premier League als Retter gescheitert und erstmals in seiner Laufbahn abgestiegen.

Seitdem ist der einstige HSV-Profi nur noch kurzzeitig in China auf der Bank sowie erfolglos bis 2021 als Head of Global Soccer von Sponsor Flyeralarm tätig gewesen, wo er den Zweitliga-Abstieg der Würzburger Kickers trotz Trennung von gleich drei Übungsleitern nicht verhindern konnte. "Magath lässt die Trainer rotieren", schrieb die FAZ seinerzeit.

Felix Magath auf dem Sprint-Hügel der Hertha.
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Felix Magath auf dem Sprint-Hügel der Hertha.

Magath: Vergleiche mit Rehhagel und Gross drängen sich auf

Entsprechend seltsam mutet es für manche Beobachter an, dass Hertha-Sportvorstand Fredi Bobic nun ausgerechnet den 68-Jährigen aus dem Ruhestand zurück auf die Kommandobrücke geholt hat. Zumal vergleichbare Rückholaktionen bei den Berlinern 2012 mit dem damals 73-jährigen Otto Rehhagel oder auf Schalke im Vorjahr mit dem 66-jährigen Christian Gross komplett daneben gingen. Beide waren nach längeren Pausen nicht mehr auf der Höhe der Zeit, beide Teams stiegen am Ende aus der Bundesliga ab.

Für Magath spricht zumindest nach Ansicht von Bobic ("Wir brauchen jemanden, der für Disziplin sorgt") das Image als harter Hund, dessen grenzwertige Trainingsmethoden allen Dementis zum Trotz fast schon legendär sind. "Um die Stärke einer Gruppe zu erkennen, muss ich doch wissen, wer ihr schwächstes Glied ist", hat er das mal begründet.

Im Rückblick ist vieles im Laufe der Jahre zwar zur Folklore geworden, viele Anekdoten wurden daher in diesen Tagen wieder hervorgekramt. Etwa der Spruch seines Ex-Spielers Jan Age Fjörtoft: "Ich weiß nicht, ob Magath die Titanic gerettet hätte. Die Überlebenden wären aber auf jeden Fall topfit gewesen."

Die Kehrseite dieser Medaille sind jedoch zahlreiche Berichte über offensichtlich fehlende Empathie. Bei verbalen Entgleisungen, schikanösem Behandeln von angeschlagenen und verletzten Spielern, 90-minütigem Stillstehen als Strafeinheiten, Brüllattacken einerseits oder bewusster Nicht-Kommunikation mit dem Team andererseits.

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