"Warum soll Fußball unbefleckt sein?"

Von Daniel Reimann
Doping in der Bundesliga? Laut zahlreichen Protagonisten völlig undenkbar
© getty

Doping im Fußball - uneffektiv und sinnlos? Jonas Salameh und Maximilian Klemp widersprechen den Thesen von Scholl und Dutt energisch. Das Duo leitet Scipio Sports, einen Sportdienstleister, der sich auf Athletiktraining im Fußball spezialisiert hat. Im Interview mit SPOX erklären Sie, wie Dopingmittel wirken und erläutern Chancen, Grenzen und Horrorszenarien.

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SPOX: Herr Salameh, Ihr Unternehmen ist auf Leistungssteigerung im Bereich der Fußballer-Athletik spezialisiert. Robin Dutt sagte kürzlich, Doping im Fußball sei ineffektiv und sinnlos. Würden Sie ihm Recht geben?

Jonas Salameh: Die Aussage, Doping würde im Fußball nichts bringen, ist stark vereinfacht. Man muss sich nur das Anforderungsprofil eines Fußballers vor Augen halten. Da lässt sich klar erkennen, dass Doping im Fußball durchaus effektiv ist.

SPOX: Wie sieht dieses Anforderungsprofil aus?

Salameh: Das athletische Anforderungsprofil eines Fußballers wird unterschieden in die Bereiche Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Beweglichkeit. Noch vor ein paar Jahren wurde Fußball in erster Linie als Ausdauersport betrachtet, was allerdings weit an der Realität vorbeizielt. Es braucht zwar eine Grundlagenausdauer, aber diese ist spezifisch und hat Intervallcharakter. Wenn man Laufwege, Sprints, Tempo und die dazugehörige Stoffwechsellage analysiert, wird klar, dass es im Fußball kaum Dauerläufe gibt.

Maximilian Klemp: Der Fußball lebt vielmehr von maximal explosiven Aktionen oder Aktionen über ein bis zwei Minuten, die eher im laktaziden Bereich liegen. Die Zeit dazwischen wird zur Regeneration genutzt. Der Fußball baut also vielmehr auf Kraft und Schnellkraft statt auf Ausdauer auf.

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SPOX: Welche Dopingmittel sind in diesem Zusammenhang beispielsweise vielversprechend?

Klemp: Im Fußball sind zum Beispiel Steroide sehr interessant. Es wird zwar oft argumentiert, dass die durch Steroide entstandene Muskelmasse negativen Einfluss auf Schnelligkeit und Koordination eines Fußballers hätte, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn Steroide beeinflussen nicht nur die reine Muskelmasse, sondern viel mehr.

SPOX: Das heißt?

Klemp: Die Testosteronwerte werden dadurch erhöht. Das bedeutet einerseits einen Muskelauf- und Fettabbau, wie es im Bodybuilding genutzt wird. Aber gleichzeitig verbessern sich dadurch Kraft- und Schnellkraft. Auch die Regeneration wird erleichtert, sie verkürzt sich sogar um die Hälfte. Das ermöglicht intensiveres und umfangreicheres Training. Ein Bodybuilder kann so beispielsweise sieben Mal pro Woche trainieren.

SPOX: Mehmet Scholl und Co. bestehen jedoch darauf, dass unter solchen Dopingformen zum Beispiel die Beweglichkeit leide. Sie hatten also nicht Recht?

Salameh: Klares Nein! Es gibt keinen signifikanten negativen Zusammenhang zwischen Muskelzuwachs und Beweglichkeit. Stattdessen gibt es zahlreiche Studien, die besagen, dass Krafttraining sogar beweglichkeitsfördernd ist. Schauen Sie sich die professionellen Gewichtheber an: Die wiegen 150 Kilo, sind aber beweglicher als die meisten Fußballer.

SPOX: Und in Bezug auf die Koordination?

Salameh: Natürlich ist es eine höhere Anforderung, den Körper mit der neu hinzugewonnenen Muskelmasse gleichermaßen zu koordinieren. Allerdings wird die Koordination über das zentrale Nervensystem gesteuert. Es ist quasi eine Reizleitung zwischen Rückenmark, Gehirn und Periphermuskulatur. Darauf hätten Steroide quasi keine Auswirkungen. Gerade, wenn man den Muskelaufbau mit Kraft- und Schnellkrafttraining kombiniert.

SPOX: Oft ist davon die Rede, dass die physische Komponente im heutigen technisch-taktisch-betonten Fußball nicht mehr so wichtig sei wie früher. Teilen Sie diese Einschätzung?

Salameh: Es gibt tatsächlich haufenweise Studien zu dieser Frage: Eine sehr bekannte stammt von einer norwegischen Forschergruppe um die Professoren Jan Hoff und Jan Helgerud, die auch mit Real Madrid oder dem FC Barcelona zusammenarbeiten. Diese Studie beweist, dass physisch fittere Spieler mehr Aktionen mit dem Ball haben. Da gibt es einen signifikanten Zusammenhang.

SPOX: Wie genau sah diese Studie aus?

Klemp: Spieler wurden auf unterschiedliche Art und Weise trainiert. Die einen erhielten ein spezielles Aufbauprogramm, ein 4x4-Minuten-Intervallprogramm in verschiedenen Ausführungen. Im Anschluss wurden zahlreiche Spiele durchgeführt, die zeigten, dass die eine Mannschaft deutlich fitter war, da deren Spieler eine erhöhte maximale Sauerstoffaufnahme hatten. Diese so genannte VO2max steht im direkten Zusammenhang zur gesamten Laufstrecke eines Spielers pro Spiel. Die Erhöhung der VO2max führte schließlich dazu, dass die entsprechenden Spieler mehr Sprints absolvierten und 20 bis 40 Prozent mehr Aktionen mit dem Ball hatten.

Salameh: Eine andere Studie beispielsweise zeigte, dass Kniebeugen als reine Kraftübung die Laufökonomie verbessern. Das bedeutet, dass ein Spieler bei gleicher Geschwindigkeit weniger Sauerstoff verbraucht und somit pro Spiel mehr laufen kann. Die Gesamtlaufstrecke, die alle Spieler dieser Mannschaft dadurch zusätzlich absolvieren konnten, entspricht in etwa der Laufstrecke eines zusätzlichen Spielers über 90 Minuten. Das zeigt eindeutig, wie wichtig die physische Komponente im Fußball sein kann. Und damit wird klar: Die Aussage, dass Doping im Fußball nichts bringt, ist nicht nachvollziehbar.

Seite 1: Scholls Irrtum, Vorteile von Steroiden und eine wegweisende Studie

Seite 2: Doping bei Fußballern - Chancen, Grenzen, Horrorszenarien

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