"Die Autobahn ist noch immer beliebt"

Deutschlands Autobahnen und Abfahrten kennt ein Spielerberater aus dem Effeff
© imago

Als Spieler stand er für Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen in der Bundesliga auf dem Platz, nach seinem Karriereende wurde Wolfgang Vöge zu einem der ersten echten Spielerberater im europäischen Fußball. Heutzutage leitet er vom schweizerischen Winterthur aus die "IFM International Football Management GmbH" und berät zahlreiche Spieler wie Jakub Blaszczykowski, Yann Sommer oder Gonzalo Castro. Im Interview spricht der 59-Jährige über seine Anfänge als Berater, den üblichen Ablauf von Vertragsverhandlungen, die Beziehung zu seinen Klienten sowie die Vorteile der viel diskutierten Ausstiegsklauseln.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Vöge, Sie waren selbst erfolgreicher Fußballer bei Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen und gehörten nach Ihrem Karriereende Ende der 1980er-Jahre zu den ersten professionellen Spielervermittlern in Europa. Wie ist es dazu gekommen?

Wolfgang Vöge: Dazu muss ich etwas ausholen: Ich habe im Anschluss an Leverkusen in Lugano gespielt und dort italienisch gelernt. Ich hatte nicht vor, länger im Ausland zu bleiben, habe dann aber doch noch in Winterthur und Zürich gespielt. Beim FCZ zog ich mir einen Kreuzbandriss mit Knorpelschaden zu. Als ich im Krankenhaus lag, haben mich viele Leute besucht - unter anderem ein Assistent der Direktionszentrale des AC Bellinzona. Der meinte zu mir, ich würde mich doch in Deutschland auskennen, er bräuchte nämlich noch einen zentralen Abwehrspieler. Nach meiner Genesung habe ich mit Wilfried Hannes gesprochen, der damals bei Schalke spielte. Er wollte in die Schweiz wechseln. Dann habe ich mal in Bellinzona angerufen (lacht). So fing das letztlich alles an, Hannes war mein erster Transfer. Ich bin also mit Zufall reingerutscht, hatte aber den Vorteil, die Sprache beherrscht zu haben.

SPOX: Wie sind Sie zu Ihrer Anfangszeit dazu gekommen, Ihr Portfolio an Spieler zu vergrößern?

Vöge: Das Wichtigste war, Präsenz zu zeigen. Ich kannte viele Spieler noch von früher und habe dann Stadion für Stadion abgeklappert. Ich hatte mit der Zeit auch eine konkrete Idee, wie ich vorgehen wollte. Zunächst habe ich meinen Trainerschein gemacht und Sprachkurse besucht. Ein Anwalt hat mir mit Vertragsdetails geholfen, die damals noch meine Kompetenzen überschritten haben. Es kam mir entgegen, dass zu dieser Zeit deutsche Nationalspieler häufig nach Italien wechselten. Aufgrund meiner Sprachkenntnisse war ich damals bei sehr vielen Transfers von Deutschland nach Italien oder umgekehrt involviert - und konnte mich so erstmals in diesem Geschäft etablieren.

SPOX: Von früher heißt es, dass man sich zu Transfer- oder Vertragsgesprächen mit den Klub-Verantwortlichen auch mal in Autobahnraststätten oder an anderen ungewöhnlichen Orten getroffen hat. Wie liefen damals grundsätzlich die Gespräche und Geschäfte ab?

Vöge: Da hat sich nicht viel verändert. Die Autobahn ist noch immer beliebt, meistens trifft man sich aber in Hotels. Mein Pluspunkt innerhalb der Gespräche war, dass ich selbst gespielt habe, den Trainerschein besitze und daher die Fähigkeiten eines Spielers gut einschätzen konnte. Ich bin aber auch überall hingefahren und habe Spieler selbst unter die Lupe genommen, so dass ich in Gesprächen mit interessierten Managern oder Trainern eine fundierte Meinung abgeben konnte. Die meisten Verantwortlichen wollten den Spieler dann natürlich auch selbst mal genauer beobachten. Doch wenn meine Einschätzung mit deren Einschätzung übereinstimmte, dann hat das Vertrauen geschafft und Türen geöffnet.

SPOX: Gab es damals eine Episode, an die Sie heute noch gerne zurückdenken?

Vöge: Filmreife Verhandlungen kamen bei mir bislang eher seltener vor. Ich erinnere mich aber noch gut an den Wechsel von Thomas Doll zu Lazio Rom. Ich habe Thomas damals am Flughafen abgeholt. Er kam direkt aus dem Urlaub und stand dann in kurzer Hose und T-Shirt da (lacht). Wir haben ihm dann sofort Hemd und Hose besorgt, bevor wir zu Lazios Präsident gefahren sind.

SPOX: Kommen wir in die Gegenwart: Anfang des Monats schloss das Sommer-Transferfenster. Wie extrem geht es da für einen Berater zur Sache?

Vöge: Es ist eine Stressveranstaltung. Hierbei muss ich betonen, dass es ohne mein gut eingespieltes Team nicht funktionieren würde. Man ist eigentlich den gesamten Tag am telefonieren und extrem unter Druck. Das geht dann bis Mitternacht und oft auch weiter darüber hinaus. In den letzten Tagen herrscht schon Torschlusspanik bei manchen Parteien. So passieren dann eben auch solche Geschichten, dass das finale Fax zu spät abgeschickt oder eine Email nicht versendet wird. Viel wichtiger ist aber die Zeit vor den letzten August-Tagen.

SPOX: Können Sie das bitte konkretisieren?

Vöge: Grundsätzlich sollten sich die Vereine natürlich rechtzeitig auf die neue Saison vorbereiten. Wer in den letzten Tagen noch Transfers tätigt, hat zuvor vielleicht nicht immer alles richtig gemacht. Spieler, die erst nach der Vorbereitung zum neuen Team stoßen, brauchen in der Regel eine längere Anlaufzeit und stellen sich am Ende auch nicht in allen Fällen als die unbedingte Verstärkung heraus. Andererseits hängt für die Vereine auch viel an den Qualifikationsspielen zur Champions League. Wer sich qualifiziert, kann nochmal Geld in die Hand nehmen. Wer sich nicht qualifiziert, muss eventuell Spieler noch abgeben - und sehr viele Tage bleiben dann nicht mehr übrig.

SPOX: Wenn ein Verein Interesse an einem der von Ihnen betreuten Spieler hat, wie sieht dann der erste Schritt aus: Meldet er sich zunächst beim aktuellen Verein des Spielers, beim Spieler selbst oder bei Ihnen?

Vöge: Das lässt sich so pauschal nicht beantworten, weil das mit der Vertragslaufzeit zusammenhängt. Bei Spielern, deren Vertrag zum Saisonende ausläuft, sind wir natürlich schon zwölf bis 18 Monate früher dran und besprechen die Konstellation. Man spricht mit dem aktuellen Verein, hört sich den Spieler an und guckt sich bei einem Wechselwunsch entsprechend auf dem Markt um. Spieler, deren Vertrag dagegen erst im kommenden Jahr auslaufen wird und die sich verändern möchten, wissen schon sehr frühzeitig, wohin die Reise gehen wird. Darüber hinaus kommt es auch vor, dass Vereine in unserem Büro anrufen oder uns bei Spielen ansprechen, ihre Wünsche für eine spezielle Position äußern und wissen wollen, ob wir mit unserem Portfolio helfen können.

SPOX: Wie geht ein an einem Spieler interessierter Verein dann weiter vor?

Vöge: Der normale Ablauf ist folgender: Verein X informiert Verein Y, dass er an dessen Spieler interessiert ist und man ihn in den nächsten Tagen ansprechen möchte. Endet der Vertrag nicht schon zum Saisonende, kann das Verein Y verbieten - oder eben erlauben. Wird es erlaubt, nimmt Verein X mit dem Spieler oder einem Berater Kontakt auf, erklärt sein Interesse und die Absicht, ein Angebot abgeben zu wollen.

SPOX: Was passiert, wenn ein Spieler einen langfristig laufenden Vertrag besitzt und man ihn dort herauskaufen möchte?

Vöge: Dann wird man Kontakt mit dem Berater aufnehmen und bei diesem nachhören, ob es bei seinem Spieler eine Möglichkeit für einen Wechsel gibt. Diese Anfrage gibt man dann an den Verein weiter und setzt diesen davon in Kenntnis. Ab dann tauschen sich im Normalfall die Vereine untereinander aus. Ein offizielles Angebot kann nur dann verschickt werden, wenn der abgebende Verein informiert ist - es sei denn, der Vertrag läuft sechs Monate später aus.

Seite 1: Vöge über seine Anfänge, Dolls Outfit und den Ablauf von Verhandlungen

Seite 2: Vöge über die Beziehung zu seinen Klienten und Ausstiegsklauseln