Das Rätsel van der Vaart

Von Stefan Rommel
Rafael van der Vaart wechselte im Sommer 2012 für 13 Millionen Euro zurück zum HSV
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Die Experten des Landes oder solche, die es sein wollen, sind sich uneins über van der Vaart. "Ich bin der Meinung, der HSV hat heute nach langer Zeit wieder mal mit elf Spielern gespielt, nicht mit zehn. Van der Vaart war eine Zumutung für die Mannschaft. Van der Vaart war ein guter Spieler, aber dass er der Mannschaft in den letzten Wochen nicht geholfen hat, haben wir alle gesehen", stänkerte Lothar Matthäus nach dem überraschenden 3:0-Sieg des HSV über Borussia Dortmund.

Es war die Premiere von Mirko Slomka als Coach und van der Vaart saß wegen eines Bänderrisses nur auf der Tribüne. "Ich glaube, dass Rafael van der Vaart für diese Mannschaft wahnsinnig wichtig ist, weil er ein Schlüsselspieler sein kann. Wir haben heute gesehen, es ging auch mal ohne ihn. Aber wir brauchen jeden Spieler. Rafa ist selbstverständlich jemand, der dieser Mannschaft weiterhelfen kann", sagte stattdessen Slomka über seinen Spieler.

"Was van der Vaart auf dem Platz abliefert, hat mit Fußball und Mannschaftssport nichts zu tun", folgte der Konter von HSV-Ikone Uli Stein prompt. Wie schwierig eine Einordnung offenbar ist, zeigen die Aussagen von Stefan Effenberg. Der ging van der Vaart im Februar hart an. "Er wird nicht derjenige sein, der - wenn der Wind von vorn kommt - vor der Mannschaft steht und sagt: ‚Ich nehme euch den Wind weg!' Er ist ein guter Fußballer, mehr aber auch nicht. Das sage ich knallhart."

Wenige Wochen später hörte sich das alles schon wieder gemäßigter an. "Nur van der Vaart kann ja nicht funktionieren, er braucht Spieler, die er einsetzen kann. Alles an van der Vaart festzumachen, ist zu einfach. Natürlich trägt er eine große Verantwortung, aber ich sehe ihn nicht so, dass er den Kopf in den Sand steckt oder aufgibt."

Kaum einer polarisiert wie VdV

Offenbar gibt es kaum einen Spieler in der Bundesliga, der in dieser Saison ähnlich polarisiert wie van der Vaart. Dabei bleibt der Verdacht, dass der 31-Jährige seinen Zenit überschritten habe und der Klub falsche Hoffnungen in seinen Kapitän setzt. Die Verantwortlichen stellen sich in dieser schwierigen Phase selbstverständlich hinter ihren Spieler.

Wenn Sportdirektor Oliver Kreuzer darauf hinweist, dass van der Vaart "nie ein Sprinter, sondern mit seinem Stil über Jahre erfolgreich" gewesen sei, um die Kritik am Spieltempo van der Vaarts zu rechtfertigen, hat er damit natürlich Recht. Aber er übersieht - oder will übersehen -, dass van der Vaart in seiner Handlungsschnelligkeit eingebüßt hat, die Ballan- und mitnahme dauert länger, der Ball liegt nicht wie früher immer nach dem ersten Kontakt so, dass er sauber und gezielt weiterverarbeitet werden kann.

Kreuzer geht auf die offensichtlichen Dinge ein, wenn er sagt, der Spieler sei nicht langsamer oder unbeweglicher geworden und macht es sich in der Bewertung damit einfach. Zwischen den Zeilen will er nicht lesen.

Der Druck auf den Spieler steigt

Hinter den Kulissen haben die Verantwortlichen aber den Druck auf den Spieler erhöht. Auch Kreuzer und Slomka ist nicht verborgen geblieben, dass van der Vaart bei Teilen der Fans jede Menge Kredit verspielt hat. Auf und neben dem Platz missfallen viele Dinge. Der Vorwurf steht schon länger im Raum, dass van der Vaarts Privatleben seiner Leistung auf dem Platz im Weg steht.

Jede neue Wendung der Van-der-Vaart-Meis-Boulahrouz-Saga wird mittlerweile mit jeder Menge Argwohn aufgenommen, die nächste Homestory in einem der schrillen Klatschmagazine mit einem Kopfschütteln.

Es gibt viele kleine Details seiner persönlichen Krise, und auch hier wird debattiert und gerätselt, welche Rückschlüsse diese auf die Krise der Mannschaft zulassen.

Wenn zum Beispiel reklamiert wird, dass van der Vaart in der Partie gegen Hertha BSC bei seinem schnellsten Sprint im Spiel noch langsamer war als sein Torhüter Rene Adler - ist das nun ein Indiz dafür, dass van der Vaart den Anforderungen des modernen Fußballs nicht mehr gewachsen ist? Oder übersehen die Kritiker einfach, dass natürlich auch Torhüter eine gewisse Grundschnelligkeit besitzen dürfen?

"Ich werde besser spielen"

Sechs Spiele sind in der Bundesliga noch zu absolvieren. Für den Hamburger Sport-Verein sind es sechs Endspiele. "Ein Spieler wie Rafa bekommt jetzt eine besondere Bedeutung. Ich hoffe, dass er die Klasse und Qualität, die er unbestritten hat, zum Einsatz bringt", sagt Slomka. "Ich bin davon überzeugt, dass Rafa entscheidende Momente haben wird, die Partie zu prägen." Denn: "Er ist ein außergewöhnlicher Fußballer. Rafael ist ein fantastischer Spieler."

Van der Vaart selbst hat vor einigen Wochen versprochen, dass "wir hundertprozentig nicht absteigen!" Jetzt legt der Niederländer in Bezug auf seine eigene Leistung nochmal nach und kündigt im Endspurt einen deutlich verbesserten van der Vaart an.

"Ich bin voller Hoffnung, dass wir da unten rauskommen - auch, weil ich jetzt wieder besser spielen werde. In den letzten Wochen hat man nicht den wahren Rafa gesehen."

Es wäre jetzt an der Zeit, das zu ändern.

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