Und dann explodiert alles

Von Für SPOX in der Allianz Arena. Fatih Demireli
Das alles wegen mir? Pep Guardiola wurde am Montag als Trainer des FC Bayern vorgestellt
© getty

Josep Guardiolas Präsentation beim FC Bayern München hatte historische Ausmaße. Der erste Arbeitstag des neuen Klub-Trainers war geprägt vom Hype um seine Person, von Emotionen und einem Schuss Extravaganz. Nur einer machte den Wahnsinn nicht mit: Guardiola selbst.

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Sie sind alle da. Die rund 250 Journalisten aus aller Welt. Aus Deutschland, klar. Aus Spanien, aus Japan, selbst aus Katar, Brasilien und den USA. Die Gastgeber vom FC Bayern München. Präsident Uli Hoeneß, Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge, Sportvorstand Matthias Sammer, Mediendirektor Markus Hörwick und dessen Mitarbeiter.

Die Servicekräfte, die Serrano-Schinken und andere spanische Spezialitäten servieren. Audi-Chef Rupert Stadler ist auch da. Er hat die Ehre, dem Star des Tages sein neues Dienstfahrzeug zu überreichen. Und natürlich der Star höchstpersönlich: Josep Guardiola. Er ist samt Familie zugegen. Ehegattin Cristina sitzt mit einem der drei Kinder zwischen den Journalisten.

Reporter, Fußball-Trainer, Vorstände, Köche, Mütter, Kinder - alles schon mal dagewesen. Einem Abgesandten jedem dieser Personengruppen ist man bestimmt schon mal über den Weg gelaufen. Im Stadion, im Supermarkt, auf der Straße. Irgendwo bestimmt.

Einem Guardiologisten dagegen begegnet man nur selten. Aber es gibt ihn. Und er ist da. Er steht mitten im Getümmel des Pressesaals der Allianz Arena, das vorher noch nie so prall gefüllt war. Nicht nach dem WM-Halbfinale 2006 zwischen Portugal und Frankreich, nicht nach dem Champions-League-Finale 2012 zwischen dem FC Bayern und dem FC Chelsea.

Gestatten, transdisziplinärer Analyst

Er ist ein unscheinbarer Mann mit kurzen, graumelierten Haaren, Designer-Brille, beige Jacke auf blauem Hemd und beige Hose. Der Typ Lehrer. Aber er ist kein Lehrer, er ist, weil er sich selbst so nennt, ein Guardiologist. So steht es auch auf der Visitenkarte, die er wortlos unter Journalisten verteilt: Ein Guardiologist sei "ein transdisziplinärer Analyst, der Charakter und das Verhalten des ehemaligen Spielers und Trainers des FC Barcelona, Josep Guardiola i Sala, beschreibt".

Nun gibt es unzählige Bücher, die diesen Josep Guardiola und dessen Fußballidee erklären. Es gibt tolle Biografien, die gerade erst frisch auf dem Markt gekommen sind. Es gibt Filme über die Erfolgsgeschichte des Spaniers, Analysen ehemaliger Zeitgenossen und erwiesenen Experten, die Guardiola erklären. Und es gibt jetzt ihn, den Guardiologisten. Zu erreichen per Telefon oder Twitter.

Dass jemand tatsächlich die Dienste des Mannes aus Spanien in Anspruch nimmt, mag sein. Vielmehr ergibt es aber Sinn, dem Original zuzuhören, wenn man Charakter und Verhalten des neuen Trainers des Bayern München analysieren will. Vor vielen Monaten verkündete der FC Bayern, dass Guardiola zur neuen Saison nächster Trainer an der Säbener Straße sein werde - um dann den Namen totzuschweigen.

Monatelang waren Fragen nach Guardiola beim FC Bayern unerwünscht. Aus Respekt vor Jupp Heynckes und den anliegenden Aufgaben. In dieser Zeit hat sich Vieles aufgestaut. Und jetzt explodiert alles im diesem Saal.

Der Verein steigt in den Hype ein

Der Personenkult um eine Figur, die in München lange Zeit nur namentlich existent war, wuchs ins Unermessliche. Pep hier, Pep da. Jede Nuance eine Schlagzeile, um dem Hype um den weltbesten Fußball-Trainer gerecht zu werden.

Dass nun 250 Journalisten da sind, weltweit TV-Sender aus dem Norden Münchens live berichten und alles aufsaugen, was der FC Bayern an diesem Tag anbietet, verwundert nicht. Selbst der Klub mischt mit: Überall wird Guardiola willkommen geheißen. Auf TV-Monitoren, auf der Leinwand, später gibt's sogar ein Willkommensfilm der Münchner Bürger.

Nur einer macht diesen Wahnsinn nicht mit. Guardiola selbst. Er sitzt auf dem Podium, nachdem ihm das Blitzlichtgewitter fast die gesunde Bräune im Gesicht nochmals aufgefrischt hätte. Er lächelt. Fast verlegen.

Wer vorher noch nie den Namen Guardiola gehört hat, wer keine Ahnung davon hat, dass er die erfolgreichste, beste und außergewöhnlichste Fußballmannschaft der Welt formte, könnte glauben, dass dieser Mann im feinen, grauen Anzug mit weinroter Krawatte in München seine erste Trainerstelle annimmt. Er spricht voller Dankbarkeit von einem "Geschenk", das ihm der FC Bayern gemacht habe, weil er Trainer des Münchner Fußball-Klubs werden darf.

Der Blick ins Herz

Guardiola ist die Demut in Person. Ganz so wie man ihn aus Barcelona kennt, gibt er sich jetzt auch in München. Als ein Kurzfilm über ihn abgespielt wird, mag er kaum hinsehen. Als er in Jubelpose gezeigt wird, dreht er die Augen weg. Er blickt dafür in sein Notizbuch. Die Pep-Show wird ihm in diesem Augenblick auch etwas zu viel.

Es geht um Gefühle. Um das Gefühl, Bayern zu sein. Mediendirektor Hörwick, der die ersten 30 Minuten alle Frage stellt, will die Erlaubnis, "in Ihr Herz" zu blicken. Hörwick ist zu Beginn ein guter Helfer für Guardiola. Der Spanier schaut den Fragesteller aus dem eigenen Haus konzentriert an, als er seine Ausführungen in deutscher Sprache von sich gibt, holt sich hier und da noch Hilfe, auch von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, woraufhin Guardiola wieder artig dankt.

Dass er Deutsch spricht, war im Vorfeld ein verblüffend großes Thema, dabei zeigt die Tatsache, dass der 42-Jährige auf diesem Niveau schon die deutsche Sprache beherrscht, welches Kaliber er hat. Als Trainer und Mensch. Als Fragen auf Italienisch kommen, meistert der ehemalige Serie-A-Legionär auch diese mit Bravour. Insgesamt spricht er an diesem Tag fünf Sprachen: deutsch, spanische, katalanisch, italienisch und englisch.

Der Tag verkommt zur Erfolgsgeschichte für Guardiola. "Ich bin ein bisschen nervös", sagt er. Doch das lässt die als Messias gehandelte Fußball-Ikone sehr sympathisch erscheinen. Die Journalisten lachen mit, als er auf Deutsch den einen oder anderen Witz macht. Guardiola gefällt die Zustimmung, er wird mit der Zeit auch immer sicherer, auch wenn es anstrengend ist. Wenn er mal ausholen muss, gibt er unumwunden zu, dass sein Deutsch dafür noch nicht ausreicht.

Am liebsten sofort ins Getümmel

Am wohlsten fühlt er sich aber dann draußen. Als er die Allianz Arena zum Schaulaufen erstmals betritt, macht er ein glückliches Gesicht. Weil es in München mal wieder regnet, ist die Arena-Begehung zunächst in Gefahr. Aber wenig später gibt es die Entwarnung und Guardiola darf aufs Feld. Er spielt mit Kindern Fußball und im Anschluss sitzt er auf der Trainerbank. Ein gutes Foto. Dort, auf der Trainerbank, ist er endlich angekommen.

Er will den FC Bayern aus nächster Nähe kennenlernen, deswegen inspiziert er die Arena auch ganz genau. Schon am Mittwoch wird er hier das erste Training leiten, auch am Donnerstag. Danach geht es an die Säbener Straße, wo er "die nächsten sechs Monate" leben werde. Ob seine Cristina da mitmacht?

Die Guardiolas werden heimisch in München, dafür wird der FC Bayern sorgen. Und demnächst könnte es auch ein Gespräch mit Jupp Heynckes geben. Auch dieser sollte noch den einen anderen Tipp auf Lager haben, wo man guten Wein bekommt oder ungestört Essen gehen kann. Und wenn gar nichts geht, kann ja vielleicht der Guardiologist helfen.

Der Bundesliga-Spielplan 2013/14