Das neue Gewissen des FC Bayern

Von Andreas Lehner
Die Bosse der FC Bayern AG: Jan-Christian Dreesen (r.) und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge
© Imago

Jan-Christian Dreesen ist als Nachfolger von Karl Hopfner der neue Finanzvorstand des FC Bayern und damit der Herr über die Zahlen des mit knapp 400 Millionen Euro Umsatz finanzkräftigsten Klubs in Deutschland. Wer ist dieser Mann?

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Am vergangenen Freitag verkündete der FC Bayern die Vertragsverlängerung von Holger Badstuber. Nun war das keine bahnbrechende Neuigkeit mehr, da sich beide Seiten schon in den Wochen zuvor sehr positiv in dieser Angelegenheit geäußert hatten.

Trotzdem stellte diese Personalie eine Art Zäsur dar in der Geschichte des Klubs, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Zum ersten Mal setzte der neue Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen seine Unterschrift unter den Vertrag und posierte anschließend mit Badstuber und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge für das offizielle Foto vor dem Bayern-Logo.

Weißwurstfrühstück statt Vorstellung

Seinen Dienstantritt hatte Dreesen am 1. Februar. Eine große Vorstellungsrunde unter großem Blitzlichtgewitter, wie das bei Spielertransfers üblich ist, gab es nicht.

Dafür wurde das neue Vorstandsmitglied und der vielleicht wichtigste Neuzugang im nicht-sportlichen Bereich der letzten Jahrzehnte mit einem Weißwurstfrühstück begrüßt.

In einer kurzen Ansprache vor den Vorständen, Direktoren und Abteilungsleitern des Klubs bezeichnete Dreesen seine neue Aufgabe als "etwas Außergewöhnliches und eine große Zäsur in meinem beruflichen Leben".

Hopfners Erbe um neue Aspekte erweitern

Es sind große Fußstapfen, die der neue Mann, der von der Bayern LB zum FC Bayern kommt, auszufüllen hat. Knapp 30 Jahre lang verantwortete Karl Hopfner diesen Bereich. Der 60-Jährige, der 1983 über eine Zeitungsannonce in den Verein kam, hat den Verein an der Seite von Uli Hoeneß zu einem florierenden Wirtschaftsunternehmen entwickelt. Aus neun Millionen D-Mark Umsatz haben Hopfner und Hoeneß in ihrer Zeit 375 Millionen Euro gemacht. Hoeneß erzählt diese Geschichte immer wieder gern.

Es ist eine beispiellose Erfolgsstory, die unter Dreesen weitergeschrieben werden soll. "Ich bin überzeugt, wenn die erfolgreiche Arbeit der letzten Jahre fortgesetzt wird und wir sportliche Erfolge haben, dann wird der FC Bayern München auch im Umsatz in Zukunft weiter wachsen", sagte Dreesen dem "Bayern-Magazin" vor dem Heimspiel gegen Schalke. Er wolle die erfolgreiche Arbeit Hopfners nicht nur fortführen, "sondern auch neue Aspekte in die Aufgabe einbringen."

Unlängst hatte Rummenigge in einem Interview neue finanzielle Rekorde in Aussicht gestellt. Bereits nach einem halben Geschäftsjahr sei das Unternehmen FC Bayern rentabel. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Bayern in diesem Geschäftsjahr die 400-Millionen-Euro-Schallmauer durchbrechen. Steigerungspotenzial sieht Dreesen im Merchandising, bei der internationalen Vermarktung und im Sponsoring.

Eine Nacht Bedenkzeit

Ende September 2012 gab der FC Bayern bekannt, dass Dreesen die Nachfolge Hopfners antreten werde. Hopfner wurde auf der Jahreshauptversammlung im November zum ersten Vizepräsidenten des Vereins gewählt.

Den ersten Kontakt zwischen Bayern und Dreesen gab es im späten Frühjahr 2012. "Nach einer Nacht Bedenkzeit habe ich meine Bereitschaft erklärt", sagt Dreesen. "Ich meine, man soll verpassten Chancen nicht hinterher trauern, sondern sie ergreifen, wenn man sie hat. Und für den FC Bayern zu arbeiten, ist eine ganz besondere Aufgabe." Bis es dann zu einer endgültigen Einigung kam, dauerte es aber noch ein paar Monate. "So eine Entscheidung fällt man ja nicht in vier Wochen", sagt Hoeneß.

Kennen und schätzen lernten sich beide Seiten, als Dreesen als Verhandlungsführer der Bayern LB bei den Gesprächen mit 1860 München über die Stadionfinanzierung teilnahm.

Schon immer sei er Fan des FC Bayern gewesen, verrät der gebürtige Ostfriese Dreesen, der vor seiner Zeit bei der Bayern LB nach einer Banklehre Betriebswirtschaft studiert und anschließend für die Bayerische Vereinsbank, die HVB und die UBS gearbeitet hatte.

Seit Beginn der Rückrunde verfolgt er jetzt das sportliche Geschehen des FC Bayern als vierter Mann an der Seite des Trios Hoeneß, Rummenigge, Hopfner auf der Tribüne.

Hoeneß: "Der richtige Mann"

Dass der Übergang fließend und im Hintergrund verläuft ist den Bayern wichtig. "Karl Hopfner steht mir mit Rat und Tat zur Seite", sagt Dreesen. "Er hat mir schon viele Einblicke in die wesentlichen Aufgaben gewährt und eine Menge Wissen weitergegeben." Das Organigramm des FC Bayern führt als Aufgaben für Dreesen die Bereiche Finanzen und Controlling, Recht und Personal.

Die personelle Neu-Ausrichtung der Klubführung sei "eine Königsaufgabe für mich und meine Kollegen im Aufsichtsrat", sagt Hoeneß. "Deswegen bin ich froh, dass wir jetzt, glaube ich, den richtigen Mann gefunden haben." Dreesens Vertrag läuft vorerst bis zum 30. Juni 2016. Dass daraus ein langfristiges Engagement werden soll, daraus macht Hoeneß kein Hehl: "Das sind Jobs für 15 oder 20 Jahre."

Wie Hopfner wird auch Dreesen vornehmlich im Verborgenen arbeiten. Seinen großen Auftritt hat der Finanzvorstand des Klubs auf der jährlichen Jahreshauptversammlung, wenn wieder einmal Rekordzahlen zu vermelden sind. Trotzdem gehört auch dieser Moment zu den eher trockenen Angelegenheiten der etwas folkloristisch angehauchten Veranstaltung.

Kein Einmischen in den sportlichen Bereich

Ein reiner Zahlenjongleur ist Dreesen aber nicht. Die "Leidenschaft für den Fußball" und "das Grundverständnis für das Spiel und das Umfeld" bringe er mit. "Ich würde es mir aber sicherlich nicht anmaßen, die sportlichen Leistungen eines Spielers im Spiel zu analysieren." Dafür haben die Bayern vor der Saison auch einen Vorstandsposten mit Matthias Sammer besetzt.

Dreesen soll die Rolle als "das gute Gewissen des FC Bayern", wie Rummenigge Hopfner einmal beschrieb, ausfüllen. In dieser Funktion erwarten sich die Bosse eine Arbeitsweise nach Jean-Jacques Rousseau: "Die Vernunft enttäuscht uns oft, das Gewissen nie."

Der FC Bayern München im Steckbrief