Formel 1 - Mercedes-Chefmechaniker Matt Dean im Interview: "Die Leute nehmen das einfach als selbstverständlich hin"

Von Christian Guinin
Die Mercedes-Crew beim Boxenstopp am vergangenen Wochenende in Bahrain.
© getty
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Wie genau sieht eine Winterpause aus, vor allem nach so großen Änderungen im Reglement?

Dean: Kurz. Letztes Jahr sind wir bis in den Dezember hinein gefahren. Wir kamen um den 16. Dezember zurück, weil wir noch einen Test in Abu Dhabi hatten. Dann kommt man zurück, macht ein paar Weihnachtseinkäufe, hat ein paar Wochen frei, und dann geht es im Januar wieder los. Die meisten Jungs schaffen es, sich vor Weihnachten zwei Wochen frei zu nehmen und vielleicht drei Wochen danach, Dann geht es wieder richtig los. Es gibt aktuell eine Menge Leute, die noch Urlaub nehmen können. Und ich denke, dass sie am Ende dieses Jahres die Gelegenheit dazu haben werden, denn die Saison endet im November. Es sollte eine größere Pause geben. Aber es war eine sehr kurze Pause von 2021 bis 2022. Es gab viel mehr Arbeit mit dem neuen Auto und den neuen Regeln. Es gab keine große Auszeit. Das fühlt sich nicht wirklich wie eine Pause an.

Wie herausfordernd war es für das gesamte Team, das Auto für dieses Jahr zu bauen?

Dean: Wir als Mechaniker sind am Ende der Entwicklung. Zunächst müssen die Designer das Auto nach dem Feedback der Windkanal-Jungs entwerfen. Aber jedes Jahr wird das Auto enger. Wenn man das Auto jetzt mit den Seitenkästen sieht, sind sie ziemlich klein, also mussten verschiedene Komponenten woanders hin, denn man hat immer noch die ganzen elektrischen Kästen im Auto. Das ist eine kleine Herausforderung für die Jungs, denn die Autos werden immer komplexer. Der Zugang zu den Kabeln und Hydraulikleitungen ist schwierig. Man muss sehr vorsichtig sein. Die Prozeduren, die wir den Jungs beibringen, müssen sie einhalten, um sicherzustellen, dass sie wirklich auf jeden einzelnen Punkt achten. Also ja, es wird viel schwieriger, sie zu bauen. Von Jahr zu Jahr. Als ich angefangen habe, hat man zum Beispiel ein Auto viel schneller gebaut als heute. Von 2020 bis 2021 hat sich nicht viel geändert, so dass die Jungs eine gewisse Routine entwickeln konnten und das Auto sehr schnell gebaut haben. Vor allem, wenn es einen Unfall gab, war es recht einfach zu reparieren. Jetzt haben wir Probleme beim Bau der Autos. Und wenn wir irgendwelche Schwierigkeiten haben, wird es sehr lange dauern, sie zu beheben.

Wie sieht eine Vorbereitung auf ein Formel-1-Wochenende aus?

Dean: Mein Wochenende beginnt schon am Montag, bevor wir das Werk verlassen. Ich plane mit den Renningenieuren und den Zuverlässigkeitsingenieuren, welches Teil wo am Auto angebracht werden soll. Normalerweise fliegen wir am Dienstag und kommen am Dienstagabend an. Dann setze ich mich mit den Ingenieuren zusammen, und wir erstellen gemeinsam die Arbeitsliste für die Mechaniker. Auf dieser Liste steht, wie wir das Auto bauen werden, welche Komponenten wir verwenden werden. Es kann zum Beispiel sein, dass wir von Rennen zu Rennen verschiedene Aufhängungen an den Autos anbringen. Welche Hydraulikaggregate wir verwenden werden, Getriebenummern, Motornummern, usw. Es können auch neue Teile dabei sein. Sie werden in die Auftragsliste aufgenommen, so dass es eine Referenz gibt, was diese neuen Teile sein werden. Wir werden den Jungs diese Liste am Mittwoch gegen 11 Uhr vormittags aushändigen. Die Mechaniker werden dann im Laufe des Tages diese Liste abarbeiten. Und auch am Donnerstag arbeiten sie weiter, bis die Autos fertig sind.

Was ist dann Ihre spezielle Aufgabe als Chefmechaniker?

Dean: Ich stehe in Kontakt mit den Ingenieuren, um sicherzustellen, dass alle Fragen, die die Mechaniker haben, auch beantwortet werden, wenn es um Setup-Arbeiten oder Probleme an den Autos geht. Ich gebe den Zuverlässigkeitsingenieuren eine Rückmeldung. So wird jeder einzelne Fehler am Auto festgehalten. Wenn wir also am darauffolgenden Wochenende etwas ausbessern müssen, etwas klapprig ist oder eine Schraube nicht richtig passt, dann sorgen wir dafür, dass die Mechaniker mir das melden und alles dokumentiert wird. So haben wir beim nächsten Rennen keine Probleme. Am Donnerstag sorge ich dafür, dass die Dokumentation fertig ist, um sie an die FIA weiterzuleiten. Wir müssen ein Formular ausfüllen, das bestätigt, dass mit dem Auto alles in Ordnung ist. Dass es nichts gibt, was wir übersehen haben. Wir stellen damit sicher, dass die Autos legal sind. Dann bringen wir die Karosserie an und scannen die Autos. Ich treibe mich in der Garage herum und höre mir das Briefing an, bei dem die Ingenieure und Fahrer darüber sprechen, was morgen im ersten Freien Training passieren wird. Dort wird alles Wichtige erklärt. Auf was wir uns vorbereiten müssen, beispielsweise eine Qualifying-Simulation. Dort müssten wir dann sicherstellen, dass alle Kühlerlüfter und die gesamte Ausrüstung bereit sind.

Dort werden dann auch Boxenstopps trainiert. Wie genau läuft das ab?

Dean: Genau, am Donnerstag findet auch immer ein Boxenstopp-Training statt. Wir bereiten die Jungs darauf vor und stellen sicher, dass jeder weiß, wo seine Position ist. Wir unterhalten uns mit ihrem Performance Coach, denn es könnte bei früheren Trainings Probleme gegeben haben, die wir in den Griff bekommen müssen. Vielleicht stehen einige der Jungs etwas anders als an vergangenen Wochenenden. Wir hatten in der Vergangenheit einige dieser Probleme, also stellen wir sicher, dass alle Jungs in einer guten Position sind. Sie müssen wissen, was von ihnen erwartet wird und welche Zeit wir anstreben. Dieses Jahr haben wir 18-Zoll-Räder. Die wiegen vorne drei und hinten dreieinhalb Kilo. Das ist viel schwerer als letztes Jahr. Wir müssen klarstellen, dass sie wissen, wie sie mit den Reifen umzugehen haben.

Die Mercedes-Crew beim Boxenstopp am vergangenen Wochenende in Bahrain.
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Die Mercedes-Crew beim Boxenstopp am vergangenen Wochenende in Bahrain.

Was genau gibt es zu tun, wenn am Freitag die ersten Sessions starten?

Dean: Wir kommen am Vormittag an die Strecke. Wenn mit den Autos alles in Ordnung ist, sollten wir sie nicht allzu sehr bearbeiten müssen. Wir gehen einfach den Prozess durch, starten die Autos und melden Probleme, die auftreten könnten. Wir stellen sicher, dass wir alle Teile haben, die wir brauchen, um Änderungen am Setup vorzunehmen. Nach dem ersten Freien Training kommt Arbeit von den Ingenieuren, also muss ich sie an die Jungs weitergeben. Ich stelle sicher, dass sie wissen, welche Aufträge anstehen. Wenn es Arbeiten gibt, für die wir glauben, dass die Zeit nicht ausreicht, dann ist es meine Aufgabe, zu den Ingenieuren zu gehen und zu sagen: 'Schaut, ich glaube, das geht nicht in der Zeit, die wir zwischen dem ersten und zweiten Freien Training haben'. In Bahrain zum Beispiel wollten die Ingenieure so viel wie möglich machen, weil sie versuchen, so viel Zeit wie möglich aus dem Auto herauszuholen. Aber es gibt bestimmte Dinge, die einfach nicht in die Zeit passen, die wir zur Verfügung haben. Es ist meine Aufgabe, das mit den Ingenieuren zu besprechen und einen Kompromiss zu finden. Nicht, dass wir faul wären, aber wir müssen realistisch sein, was wir tun können und was nicht. Das geht dann nach dem zweiten Freien Training am Freitagabend weiter.

Bemerkt man da die zu dieser Saison neu eingeführte Beschränkung bei der Arbeitszeit an den Autos?

Dean: Nach dem zweiten Freien Training haben wir nur noch drei Stunden, um an den Autos zu arbeiten. In den Jahren zuvor haben wir Motoren und Getriebe gewechselt. Das war oft eine Menge Arbeit - den Motor zur Überprüfung herauszunehmen und wieder einzubauen. Dieses Jahr wird sich das ein wenig ändern. Wir werden die Motoren nach dem zweiten Freien Training wohl nun im Auto lassen, weil die Menge an Arbeit, die wir am Auto haben, nicht in so kurzer Zeit zu machen ist. Das ist eine ziemlich arbeitsreiche Zeit für uns am Freitagabend. Zudem sind die Autos in zwei Sessions gefahren, so dass auch einige Reparaturarbeiten anfallen könnten.

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