Formel 1 - Mercedes-Chefmechaniker Matt Dean im Interview: "Die Leute nehmen das einfach als selbstverständlich hin"

Von Christian Guinin
Die Mercedes-Crew beim Boxenstopp am vergangenen Wochenende in Bahrain.
© getty
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Am Samstag geht es dann um alles oder nichts. Ändert sich dort das Prozedere?

Dean: Am Samstag starten wir wieder die Autos, stellen sicher, dass es keine Probleme gibt und gehen dann ins dritte Freie Training. Ein ähnliches Format wie am Freitag. Man muss aber ganz schön auf Zack sein. Man hat keine Zeit, darüber nachzudenken, was zu Hause vor sich geht. Jeder muss voll konzentriert sein. Während der Session kommt es ständig zu Setup-Änderungen. Die Jungs müssen sich darauf konzentrieren und sicherstellen, dass sie diese Änderungen so schnell wie möglich vornehmen, denn man hat nur zwei Stunden Zeit, bevor das Qualifying beginnt. Vor allem, wenn man in Training zuvor einen Schaden an den Autos hatte. Es gibt dann des Öfteren Probleme, die Autos rechtzeitig fertig zu bekommen.

Wie werden dann die Parc-Ferme-Regeln kontrolliert?

Dean: Nach der Qualifikation gehen wir zu den Autos und stellen sicher, dass alles legal ist. Die FIA sieht sich dein Auto an und denkt vielleicht, dass dieses oder jenes Teil illegal ist. Wir wissen aber, dass es legal ist. Es gibt oft Momente, in denen man seinen Standpunkt vertreten und sagen muss: 'Okay, testet, was ihr wollt, aber wir wissen, dass unsere Autos regelkonform sind'. Ich gehe also mit der FIA diesen Prozess durch, während die Autos nach dem Qualifying überprüft werden. Wenn die Autos vom Qualifying zurück in den Parc Ferme kommen, machen wir eine Motorspülung, eine Getriebespülung und allgemeine Checks.

Und was wenn an einem Auto ein Schaden auftritt? Änderungen darf man dann schließlich keine mehr vornehmen.

Dean: Wenn etwas kaputt ist oder wir eine Komponente austauschen müssen, ist es meine Aufgabe, die gesamte Dokumentation für die FIA zu erstellen. Man muss einen Antrag stellen, um Änderungen vorzunehmen. Man macht also ein Foto von dem Problem oder gibt ihnen einige Daten. Zum Beispiel, wenn eine elektrische Kraftstoffpumpe während einer Session Probleme bereitet. Dann bekomme ich diese Daten von den Ingenieuren und schicke sie an die FIA, damit wir die Erlaubnis bekommen, diese Komponente zu wechseln. Das kann zeitaufwendig sein. Wenn nach dem Qualifying alles in Ordnung ist, werden die Autos abgedeckt, und dann geht es zurück ins Hotel. Man geht etwas essen und schlafen und ist am nächsten Tag fünf Stunden vor dem Rennen zurück.

Am Rennsonntag bringt man die Mechaniker oft nur mit dem Boxenstopp in Verbindung. Gibt es noch andere Aufgaben während des Rennens?

Dean: Am Sonntag gibt es tatsächlich nicht so viel zu tun. Es geht eigentlich nur darum, zu überprüfen, ob alles so ist, wie es sein sollte. Ich schaue mir die Autos an. Man darf ja eigentlich gar nichts machen. Sonst wird die FIA sagen: 'Was macht ihr da? Versucht ihr, etwas am Auto zu verändern?'. Wir wollen das vermeiden. Nach den Checks werden die Böden und die Karosserie wieder am Auto angebracht. Vor dem Rennen machen wir noch einige Boxenstopp-Übungen. Wir stellen zum Beispiel sicher, dass die Radpistolen funktionieren. Dann beginnt die Ruhe vor dem Sturm bevor die Boxengasse geöffnet wird. Während des Rennens ist es meine Aufgabe, der Boxenmauer zuzuhören. Ich sorge dafür, dass sich die Jungs in der Garage hinsetzen und die Helme aufsetzen. Dann warten wir auf die Anweisungen von der Boxenmauer, wann wir in die Boxengasse zum Boxenstopp kommen. Letztlich wird das Rennen gefahren und wir landen dort, wo wir landen.

Stört es Sie, dass die ganze Welt dann nur die wenigen Sekunden beim Boxenstopp sieht und daran letztlich der Erfolg eines Rennwochenendes hängen kann?

Dean: Natürlich werden wir hauptsächlich danach beurteilt. Das ist es, was die Welt sieht. Aber eigentlich sind das nur zwei Sekunden der Arbeit an einem Rennwochenende. Es fängt schon beim Zusammenbauen des Autos am Mittwoch an. Aber was jeder sieht und woran die Mechaniker gemessen werden, sind die Boxenstopps. Es geht nicht darum, das Auto zuverlässig zusammenzusetzen. Die Leute nehmen das einfach als selbstverständlich hin. Ich aber nicht. Wir müssen also vorsichtig sein, wie wir damit umgehen. Ich denke, wir als Team sind sehr gut darin, zusammenzustehen, wenn jemand einen Fehler macht. Und im letzten Jahr hatten wir einige Probleme. Ich denke, wir sind damit ganz gut umgegangen. Wir versuchen, den Jungs dann immer etwas Selbstvertrauen zu geben.

Wie geht man mit diesem Druck um?

Dean: Natürlich gibt es Tausende Dinge, die schon beim Bau eines Autos schief gehen können. Die Jungs neigen dazu, es ohne nachzudenken anzugehen und sich an ihre festgefahrenen Prozesse zu halten. Das beginnt bereits, wenn man an einem Mittwochmorgen zur Arbeit kommt. Aber die Mechaniker wissen das, bevor sie zu uns kommen. Wenn sie mit uns arbeiten, müssen sie sicherstellen, dass sie ruhig bleiben und ihre Arbeit zu 100 Prozent erledigen. Natürlich ist jeder Mensch ein Mensch, also machen wir Fehler und es passieren Dinge, die schief gehen. Aus diesen Fehlern lernen wir für die Zukunft und stellen sicher, dass solche Dinge nicht mehr passieren. Die Jungs wissen, dass sie aufgrund ihrer Erfahrung, die sie in den unteren Formel-Serien gesammelt haben, die Autos zuverlässig zusammenbauen können. Ich denke, es gibt immer Momente, in denen man unter Druck steht. Aber wenn man da rausgeht, muss man einfach seinen Job machen. Wenn man ihn zu 100 Prozent gut macht, nimmt das den Druck von allen. Einfach weil wir als Team zusammenstehen.