Formel 1 - Mercedes-Chefmechaniker Matt Dean im Interview: "Die Leute nehmen das einfach als selbstverständlich hin"

Von Christian Guinin
Die Mercedes-Crew beim Boxenstopp am vergangenen Wochenende in Bahrain.
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Als Chefmechaniker des Mercedes AMG Petronas F1 Teams ist Matt Dean am Gewinn von acht Konstrukteurs-Titeln und sieben Fahrer-Meisterschaften der Silberpfeile seit 2014 maßgeblich beteiligt. Im Interview mit SPOX spricht er über seine Anfänge als Mechaniker, seine Arbeit während eines Rennwochenendes und den Druck, welchem die Boxencrew Rennen für Rennen ausgesetzt ist.

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Herr Dean, Sie sind der Chefmechaniker des Mercedes F1-Teams. Können Sie den Unterschied zwischen einem Rennmechaniker und einem normalen Mechaniker beschreiben?

Matt Dean: Die meisten Rennmechaniker kommen aus Familien, die Zuhause selbst eine Autowerkstadt haben. Oft basteln sie schon als Kinder an den Autos herum, vielleicht mit ihren Vätern oder Müttern. Und dann entdecken sie irgendwann ihre Liebe zum Rennsport. Die meisten von ihnen gehen dann in ein Rennteam. Erst dann bekommen sie das Gefühl und den Druck des Sports richtig zu spüren. Ich denke, einer der größten Unterschiede zwischen einem Rennmechaniker und einem normalen Automechaniker ist, wie sie mit dem Druck und der Zeit umgehen, im Vergleich zu einer normalen Tagesschicht.

War es immer Ihr Traum, F1-Mechaniker zu werden?

Dean: Ich selbst habe mit 14 Jahren angefangen und in einer Autowerkstatt gearbeitet. Ich habe dort die Werkstatt geputzt und mit meinem Vater an den Autos gearbeitet. Er fuhr auch Rallye-Autos. Er fragte mich also, ob ich ihm bei einigen Rallyes helfen wolle, was ich auch tat. Und es hat mir wirklich Spaß gemacht, der Druck und die Geschwindigkeit haben mir offensichtlich gefallen. Also sprach ich mit dem Silverstone Circuit, der ganz in der Nähe meines Wohnortes lag. Dort gab es eine Menge Industrieanlagen mit verschiedenen Arten von Rennteams. Mein Chef, für den ich damals in der Autowerkstatt arbeitete, schrieb mir einen netten Brief, damit ich mit diesen Leuten sprechen konnte. Dann traf ich einige der Bosse dort und sprach mit einigen Besitzern der Teams. Ich wusste, welchen Weg ich einschlagen wollte. Man kann nicht auf die Motorsportschule gehen, um zu lernen, wie man Motorsportmechaniker wird. An einem Tag, an dem ich dort war, habe ich drei Jobs bekommen. Das war großartig. Ich entschied mich für ein Formel-3-Team. So habe ich angefangen.

Matt Dean ist Chefmechaniker von Mercedes.
© getty
Matt Dean ist Chefmechaniker von Mercedes.

Hat man mit der vielen Reiserei überhaupt Zeit für die Familie? Wie viele Tage im Jahr sind sie Zuhause?

Dean: Normalerweise sind wir etwa 180 Tage im Jahr unterwegs. Da der Kalender immer enger wird und es immer mehr Rennen gibt, sind wir oft zweieinhalb bis drei Wochen im Monat weg, vor allem, wenn es ein Triple-Header-Rennen gibt. Das kann für die Familien ziemlich hart sein. Wenn wir nach Großbritannien zurückkehren, gehen nicht alle Mechaniker in die Fabrik. Ich muss beispielsweise zu Meetings, aber die meisten der Jungs sind etwa 180 Tage im Jahr unterwegs. Man muss also mehr Zeit mit dem Team als mit seiner Familie verbringen. Man muss sich voll und ganz dem Sport widmen. Das ist nicht jedermanns Sache. Die Leute denken vielleicht, wir seien ein bisschen verrückt, weil wir das machen. Aber man muss auf jeden Fall eine große Leidenschaft für diesen Sport haben. Das gilt eigentlich für jeden Motorsport. Man arbeitet nicht in einem normalen Nine-to-Five-Job. Du arbeitest keine 40-Stunden-Woche. An einem Rennwochenende arbeiten wir wahrscheinlich etwa 72 Stunden, einschließlich der Reisen. Man wird nicht nach Stunden bezahlt, man muss seinen Job wirklich genießen.

Wie kritisch sehen Sie den Bemühungen der F1-Verantwortlichen, immer mehr Rennen in den Kalender zu integrieren?

Dean: Offensichtlich veranstaltet die Formel 1 immer mehr Rennen, weil wir unsere Fans und Sponsoren bei Laune halten müssen. Im Allgemeinen ist das also eine gute Sache für uns. Aber wir müssen versuchen, das mit unserer Mannschaft zu regeln. Deshalb geben wir in diesem Jahr jedem Teammitglied drei Rennen frei. Wir haben drei Crews, wie wir es nennen. Zwei Crews, die ständig bei Rennen anwesend sind. Dann wählen wir zwei oder drei Jungs aus jeder Crew aus, die ein Rennen frei nehmen und lassen einen der Jungs aus der dritten Crew mit ihnen arbeiten.

Hat das keine Auswirkungen auf die Arbeitsabläufe?

Dean: Das hat ziemlich große Auswirkungen auf die Boxenstopps, denn wir versuchen immer, diese konstant zu halten. Da ist es sehr schwierig, die Leute auszutauschen. Man muss das also sehr sorgfältig planen. In jeder Ecke jedes Boxenstopps gibt es drei Leute: denjenigen, der das Rad aufsetzt, der, der es abnimmt und einer, der den Schlagschrauber bedient. Man würde zum Beispiel nicht zulassen, dass zwei dieser Leute im selben Rennen fehlen. Wir erlauben nur einem von ihnen, das Rennen dann zu verpassen. Wir müssen das also sehr sorgfältig handhaben. Letztes Jahr hatten wir zwei Rennen frei. Dieses Jahr werden wir den Jungs drei Rennen frei geben, damit sie etwas Zeit zu Hause verbringen können. Wir werden alle ein bisschen älter und einige der Jungs haben bereits Kinder.

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